Entlassungswelle: Geht Pieris die Puste aus?

Die Münchner Pieris Pharmaceuticals verkündet einen massiven Stellenabbau von etwa 70% und einen Strategiewechsel mit Neuausrichtung. Der Auslöser bleibt etwas nebulös.

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Die Meldung vom Juni, dass Astra Zeneca eine klinische Entwicklungskooperation mit der von Freising nach Halbergmoos umgezogenen Pieris Pharmaceuticals GmbH aufgekündigt hat, löst mit einiger Verzögerung eine massive „Restrukturierung“ des TU-Spin-offs aus. Denn nun verkündet das Management um CEO Steve Yoder, dass die gesamte Sparte der inhalativen Anticaline so stark unter Druck geraten sei, dass ein Strategiewechsel notwendig erscheine. Tatsächlich hatte Astra Zeneca eine Phase-IIa-Studie mit dem Pieris-Wirkstoff Elarekibep (PRS-060/AZD1402), einem IL4-Inhibitor, der Asthmaerkrankungen günstig beeinflussen könnte, abgebrochen. Allerdings nicht wegen kritischer klinischer Sicherheitsdaten, sondern wegen Daten zur Toxikologie der Substanz in einer gleichzeitig laufenden nicht-klinischen Studie an Primaten.

Astra Zeneca wollte also „nur“ sichergehen, dass diese präklinischen Tox-Daten nicht plötzlich in der weiteren klinischen Entwicklung allen Beteiligten auf die Füße fallen und bereits viel Geld verbrannt worden wäre. Dennoch zieht Pieris nun komplett die Reißleine und macht einen harten Schnitt im gesamten Entwicklungsprogramm der inhalativen Wirkstoffe, aber wirklich komplett ist der Strategiewechsel auch nicht. Der ebenfalls inhalative Wirkstoff PRS-220 ist gerade erst in die klinische Phase eingetreten und soll in den neuen strategischen Überlegungen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

PRS-220 ist ein oral zu verabreichendes, gegen den Bindegewebswachstumsfaktor (CTGF) gerichtetes Anticalin, das für die Behandlung der idiopathischen pulmonalen Fibrose (IPF) entwickelt wird. IPF betrifft weltweit mehr als drei Millionen Patienten, davon etwa 130.000 in den USA. Die durchschnittliche Überlebenszeit nach der Diagnose beträgt nur zwei bis fünf Jahre. Das in der extrazellulären Matrix lokalisierte Protein CTGF ist eine treibende Kraft beim Umbau von fibrotischem Gewebe als Folge eines gestörten Wundheilungsprozesses. Eine Überexpression dieses Zielmoleküls im Lungengewebe wird bei Patienten mit IPF beobachtet, und klinische Daten zeigen, dass die Hemmung von CTGF die Abnahme der Lungenfunktion bei diesen Patienten verringert. Dass Pieris bei diesem Wirkstoff noch zögert, mag auch daran liegen, dass das Unternehmen im Rahmen der damals von lokalen Branchenorganisationen vehement geforderten Therapeutika-Förderoffensive Bayern in der Hochphase von COVID-19 immerhin gut 14 Millionen Euro vom Bayerischen Wirtschaftsministerium für die Entwicklung von PRS-220 zur Behandlung der postakuten Folgen der SARS-CoV-2-Infektion („long COVID“, PASC) erhalten hatte (Foto). Das waren immerhin mehr als 28% des gesamten bayerischen Ad-hoc-Förderprogramms, von dem man seitdem jedoch auch nicht mehr viel gehört hat.

Die größere Entwicklungspipeline hat Pieris in der Immunonkologie und dort auch weitere Partnerschaften mit u.a. Servier und Seagen. Allerdings wurde Seagen inzwischen in einer Rekordübernahme von Pfizer gekauft, so dass auch diese bestehenden Partnerschaften sicherlich noch genauer unter die Lupe genommen werden, wenn alle Behörden der Fusion zugestimmt haben.

Vielleicht ist es also der insgesamt unsicheren Situation geschuldet, dass Pieris so massiv zum Rotstift greift und nun rund 70% der Belegschaft entlassen will. Darüber hinaus hat das Management die Finanzberater Stifel, Nicolaus & Company, Inc. beauftragt, eine Reihe von strategischen Optionen zu evaluieren, wie das Unternehmen mitteilt. Allerdings klingt das Management dabei selbst plan- und hilflos, was die möglichen Optionen und Ergebnisse dieser Perspektiven für Pieris angeht: „Diese strategischen Optionen können eine Übernahme, eine Fusion, einen Reverse Merger, einen anderen Unternehmenszusammenschluss, den Verkauf von Vermögenswerten, Finanzierungsalternativen, die Vergabe von Lizenzen oder andere strategische Transaktionen, an denen das Unternehmen beteiligt ist, umfassen. Es kann keine Garantie für eine Transaktion, ein erfolgreiches Ergebnis dieser Bemühungen oder die Form oder den Zeitpunkt eines solchen Ergebnisses gegeben werden.“

Mit rund 55 Mio. US-Dollar Barreserven könnte den an der Nasdaq notierten Nord-Münchnern auch ganz schnell die Luft ausgehen.

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