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Evotecs Nebelhorn verhallt

Die Evotec-Geschäftszahlen für das erste Quartal zeigten eine deutliche Delle bei den Umsätzen aus Entwicklungsprojekten mit Partnern. Dagegen bietet die in den USA zugekaufte hochautomatisierte Biopharma-Produktionssparte von Just Biologics, jetzt Just-Evotec, mehr Wachstumsphantasie und verfünffacht den Umsatz von niedrigem Niveau aus. Die überaus positive Jahresprognose verhallt jedoch an der Börse ohne Reaktion, warum?

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Was ist los bei der Hamburger Evotec SE? Das Unternehmen mit einem der breitesten Portfolios an Werkzeugen und Technologien für Durchbrüche in der Medikamentenentwicklung kommt nicht vom Fleck und dringt mit seinem positiven Jahresausblick nicht zu den Analysten und schon gar nicht zu den Börsianern durch. Evotec scheint Ende April ins Visier von Leerverkäufern geraten zu sein, die den Kurs von damals von rund 14 Euro in kurzer Zeit auf unter 10 Euro abstürzen ließen, wovon er sich seither nicht wirklich erholen konnte. Kleinere Aufwärtstrends wurden wieder nach unten korrigiert.

Nun kursieren in den einschlägigen Diskussionsforen die wildesten Gerüchte von einer bewussten Strategie, um Evotec zu einem günstigen Übernahmekandidaten zu machen. Die aktuelle Marktkapitalisierung von rund 1,6 Mrd. Euro sei für größere Tanker kein Hindernis mehr und so könnte sich ein ähnliches Szenario wie bei der Münchner Morphosys abspielen: Anhaltend niedrige Kurse, die selbst auf positive Unternehmensnachrichten kaum reagieren und es einem großen Pharmakonzern leicht machen, sich mit einer mittleren Prämie bei den entnervten Aktionären einzudecken.

Zumindest Teile dieser phantasievollen Überlegungen scheinen sich gerade bei Evotec zu bewahrheiten. Zwar waren die Geschäftszahlen für das erste Quartal nicht berauschend, der Bereich „shared R&D“ aus dem Bereich der kooperativen Entwicklung gerade in der frühen Wirkstoffentwicklung (Discovery) sank im Vergleich zum Vorjahr deutlich um -23% und ging von zuvor rund 200 Mio. Euro Umsatz auf rund 150 Mio. Euro zurück. Der Grund für diesen Rückgang ist nicht leicht nachzuvollziehen, da das Unternehmen gleichzeitig darauf hinwies, dass der Auftragseingang für solche Discovery-Projekte im Vergleich zum Vorjahr um 70% gestiegen sei. Die meilensteinabhängigen Umsätze aus diesen Projekten würden erst später im Jahr verbucht und könnten den Rückgang der Vormonate noch nicht ausgleichen.

An dieser Stelle würde sich der normale Aktionär und vielleicht auch der oberflächliche Analyst zurückziehen und nur noch den Zahlenreihen folgen, um zu sehen, wo jetzt ein Plus und wo ein Minus steht. Und wenn dann auch noch der allgemeine Börsentrend eher nach unten zeigt, lässt man von diesen Aktien eher die Finger. Denn das Geschäft mit der Wirkstoffentwicklung ist eben kein zeitlich sicher planbarer Prozess, auch wenn man dies mit digitalen und automatisierten Prozessschritten immer besser zu erreichen versucht. So verschieben sich die Geldflüsse eines Projekts gerne mal um ein paar Monate, und auch die komplexen Versuchsreihen an den iPS-Stammzellmodellen richten sich in ihrer Datenfreigabe nicht unbedingt nach dem Quartalsberichtskalender.

Die Aussage, dass der Auftragseingang um 70% gestiegen ist, wäre in jeder anderen Branche ein klares Signal dafür, dass es bald in der Kasse klingeln wird. Nur bei Evotec haben die Ereignisse des vergangenen Jahres offenbar so viel Verunsicherung in der Szene hinterlassen, dass selbst einfache Botschaften nicht mehr durchdringen. Auf einen Cyberangriff antwortete das Unternehmen mit einer monatelangen rigiden Abschottungspolitik und bis heute sind die Umstände des überraschenden Rückstritts von Werner Lanthaler im Januar nicht vollständig geklärt. Der Quartalskalender machte es zudem nötig, einige aktuelle Meldungen nur streifen zu können, wie erweiterte Partnerschaften mit Bayer oder BMS. Als hätte sich neben der Herde der Leerverkäufer auch noch der Kalender gegen das Evotec-Management verschworen.

Selbst Lanthalers Abschiedsworte, Evotec stehe am Anfang einer fulminanten Entwicklung zum „weltweit führenden Unternehmen für externe Innovation“, klingen heute wie aus einem anderen Film. Denn der Beleg in Zahlen fehlt, auch wenn das Ziel eines Milliardenumsatzes im Jahr 2025 durchaus noch erreichbar scheint. Andererseits gibt es nach der interimistischen Führung und nun der Neubestellung des Vorstandsvorsitzenden Dr. Christian Wojczewski zum 1. Juli einen klaren Fahrplan auf der Personalebene. Dass es in der Unternehmenskommunikation dazu heißt, der neue CEO müsse die Umsatzprognosen allerdings erst noch validieren und die Priorität liege nun klar auf „profitablem Wachstum“, unter anderem mit der Schließung der Gentherapie-Einheit in Österreich (Orth), vermittelt einen gewissen Zweifel an der Stabilität der eigenen Prognosen.

Bei solchen Unsicherheiten bleiben Spekulationen bis hin zu Übernahmephantasien Tür und Tor geöffnet. Diese sollte der neue CEO möglichst schnell und kräftig zuschlagen.

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