Formo Bio GmbH

Formo mit Frischkäse im REWE-Regal

Der Berliner Laborkäse-Entwickler Formo kommt über ein Nebengleis schneller zum Ziel und in die Supermarktregale, als dies mit der Novel-Food-Zulassung eigentlich möglich ist. Durch die Verwendung eines Proteins aus dem Koji-Pilz, der bereits seit langer Zeit traditionell etwa für die Zubereitung von Sojasoße genutzt wird, ist für das neue Frischkäse-Produkt keine extra Zulassung notwendig. Der Großhandel wie METRO und REWE sind mit im Boot und eine Finanzierungsrunde mit 55 Mio. Euro bringt Formo nun mit Schwung zum Verbraucher.

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Das Handelsblatt berichtet aktuell über den Einstieg der Handelskette Rewe bei Formo. An der gerade abgeschlossenen Serie B-Finanzierungsrunde über 55 Mio. Euro sind neben Rewe auch die bisherigen Investoren wie Foodlabs und EQT Ventures beteiligt. Es sei eine der größten Kapitalrunden für ein deutsches Food-Tech-Unternehmen in diesem Jahr, schreibt die Zeitung. Insgesamt hat Formo damit 117 Mio. US-Dollar eingesammelt.

Das Berliner Food-Tech-Unternehmen Formo bringt den weltweit ersten Käse auf den Markt, der aus Proteinen des Fadenpilzes Koji hergestellt wird. Der Pilz wird in Japan seit Jahrtausenden zur Fermentation von Sojasauce, Misopaste oder Sake verwendet. Als weltweit erster Hersteller bringt das Food-Start-up nun tierfreie Käsealternativen mit Proteinen aus dem Koji-Pilz auf den Markt. Seit Anfang September sind drei Frischkäsesorten und eine Camembert-Alternative in 2.000 Rewe-Filialen, bei Billa in Österreich und bei Metro in Deutschland erhältlich (siehe Details dazu auch im Beitrag auf bioökonomie.de).

Rewe hat großes Interesse an innovativen Food-Start-ups. So beteiligte sich der Einzelhändler an der 58 Mio.-US-Dollar-Finanzierungsrunde für das Hamburger Unternehmen Infinite Roots, das an Fleischersatz aus Pilzmyzel forscht. Auch das kürzlich gegründete Berliner Food-Tech-Unternehmen Nosh Bio nutzt diese Proteinquelle und entwickelt Fleischersatz aus fermentiertem Wurzelmyzel des Koji-Pilzes. Dort hat kürzlich die Zur-Mühlen-Gruppe, eine Tochter des Fleischproduzenten Tönnies, investiert.

Das Team von Formo unter der Leitung von Raffael Wohlgensinger hingegen nutzt nicht den Koji-Pilz selbst als Biomasse, sondern die Proteine, die der Pilz durch Mikrofermentation produziert. Die Pilze wachsen einige Tage im Fermenter und produzieren ein Protein, das dem Molkenprotein sehr ähnlich ist. Das Eiweiß wird geerntet und als Pulver weiterverarbeitet. Eine Familienkäserei in Norddeutschland stellt den Käse für Formo auf traditionelle Weise her: aus dem Proteinpulver, pflanzlichen Fetten, Wasser, Salz und Reifekulturen.

Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass der Koji-Pilz und daraus fermentierte Produkte wie Sojasauce seit langem als Lebensmittel verwendet werden. Sie müssen daher nicht als neuartige Lebensmittel („Novel Food“) zugelassen werden, ein gerade in Europa langwieriger Prozess, der bisher von vielen Start-ups in diesem Bereich als größtes Hindernis angeprangert wurde. Viele von ihnen – darunter auch Formo – hatten oder haben daher ihre Fühler beispielsweise nach Singapur ausgestreckt, das sich gegenüber Lebensmittelinnovationen sehr aufgeschlossen zeigt und sich als regelrechten globalen Anziehungspunkt für internationale Food-Start-ups etablieren konnte.

Der ursprüngliche Ansatz von Formo war es, das Milchprotein Kasein zu ersetzen. Dabei werden entsprechende Gensequenzen von Kühen, die Milchproteine wie Kasein produzieren, in Hefezellen eingeschleust. Diese Methode erfordert allerdings eine Zulassung als Novel Food. „Die Zulassungsverfahren für bioidentische Kaseine aus der Präzisionsfermentation werden einige Zeit dauern, vor allem in Europa“, sagte Wohlgensinger dem Handelsblatt. Deshalb habe Formo nach weiteren Möglichkeiten gesucht, nachhaltige Milchprodukte durch Fermentation herzustellen, und die Käsealternativen auf den Markt gebracht.

Formo kann nach eigenen Angaben bis zu 100 Tonnen Käse pro Monat aus Koji-Protein herstellen lassen. Bis 2025 soll die Produktionskapazität in Berlin und Frankfurt/M. verdreifacht werden. Weitere Sorten wie Feta, Blauschimmelkäse und Hüttenkäse mit Koji-Protein sind geplant. Mit dem frischen Kapital soll auch die Internationalisierung vorangetrieben werden. Neben Österreich und der Schweiz will Formo in weitere Länder expandieren.

Der Regalpreis für Formos Frischkäse Frischhain aus Koji-Proteinen liegt derzeit bei 2,89 Euro und für Camembritz bei 3,99 Euro und damit nur wenig über dem Preis für tierischen Käse. In der Ökobilanz schneiden die tierfreien Käse deutlich besser ab als Käse aus Kuhmilch. Käse gilt als das „durstigste“ Lebensmittel überhaupt. Für die Herstellung von einem Kilogramm werden mehr als 5.600 Liter Wasser benötigt, haben Forscher der Universität Oxford ermittelt. Der Frischkäse Frischhain von Formo benötigt 96 Prozent weniger Wasser, 83 Prozent weniger Land und verursacht 65 Prozent weniger Emissionen.

In den USA stehen bereits seit einigen Jahren Frischkäse, Eiscreme und Schokoriegel mit bioidentischen Milchproteinen, etwa von Perfect Day und Remilk, in den Supermarktregalen. Eine Zulassung dieser Produkte in der EU steht noch aus. Jetzt helfen sich die Europäer selbst.

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