BIOCOM/Thomas Gabrielczyk

Guter Start für Biotechnologie-Tage

Zum gestrigen Auftakt der Deutschen Biotechnologie-Tage in Berlin begrüßten die Veranstalter BIO Deutschland und der AK der BioRegionen rund 900 Besucher in der Kongresshalle am Alexanderplatz.

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Mit 900 Teilnehmern feierten die gestern begonnenen Deutschen Biotechnologie-Tage in Berlin einen Vizerekord. Nur im Vor-Corona-Jahr 2018 gab es laut den Veranstaltern BIO Deutschland und Arbeitskreis der BioRegionen mehr Besucher. Neben neuer Begeisterung über die Ankündigung der Europäischen Kommission, den Biotech-basierten Klimaschutz und das Biomanufacturing künftig durch gezielte Aktionsprogramme stärker zu priorisieren, gab es am ersten Tag des Familientreffens der Biotechnologie in Berlin aber auch einige Kritik.

Bio-Deutschland-Vorstand Dr. Oliver Schacht sagte, dass er sich eine ähnliche Unterstützung der noch zu oft übersehenen Biotechnologie auch von der Bundesregierung wünsche, insbesondere in Sachen Finanzierung des Sektors. Offen bleibt indes, ob die Ankündigung eines EU-Biotech-Acts im März auch die von Ursula von der Leyen in ihrer State of the Union-Rede vom vergangenen Herbst in Aussicht gestellten Milliardeninvestionen, die kurz darauf zurückgezogen wurden, mit sich bringen wird.

Am Rande der Biotech-Tage war von Bioökonomie-Pionier Dr. Christian Patermann zu vernehmen, dass in der nächsten Legislatur der Kommission einige Überraschungen zu erwarten seien. Auch Kristin Schreiber von der Kommission sprach vage eine Verbesserung der Infrastruktur für das Biomanufacturing und Marktanreize für bio-basierte Produkte durch Preisaufschläge für fossil-basierte Produkte an. Auf die mit der US-Bioökonomiestrategie begonnene Priorisierung der synthetischen Biotechnologie, der Großbritannien gefolgt war, ging Schreiber nicht näher ein.

Dr. Julia Schaft, Sprecherin des Arbeitskreises der BioRegionen, mahnte an, die Cluster weiter auszubauen, „ohne Doppelstrukturen zu etablieren“. Während sie die mit dem Wachstumschancen- und Medizinforschungsgesetz verbundenen Möglichkeiten für den Biotech-Sektor lobte, beklagte sie, dass zugleich das Investitionsprogramm zurückgefahren wurde. Dem Vernehmen nach ist die Botschaft von klinischen Medizinern, Biopharma- und CRO-Stakeholdern in der Politik angekommen, dem Studienstandort Deutschland mittels rechtsverbindlicher Mustervertragsklauseln wieder mehr Auftrieb zu verleihen. BMBF-Abteilungsleiterin Prof. Dr. Veronika von Messling betonte, dass die Bundesregierung „Deutschland wieder in eine führende Rolle in der Arzneimittelherstellung zurückbringen“ wolle.

Nach der lobenden Einführung ging es aber kräftig zur Sache. Die Europäische Union und Deutschland als Standort seien im internationalen Vergleich schlecht aufgestellt, hieß es in der von EuropaBio-Direktorin Claire Skentelbery frech moderierten Session zu Standortfaktoren.

Humatrix-Gründerin Anna Eichhorn kritisierte die hohen Kosten und das langwierige Procedere bei der Zulassung und Wiederzulassung von In-vitro-Diagnostika nach EU-Medizinprodukte-Recht. BVMA-Chef Martin Krauss fand kritische Worte zur langwierigen Implementierung des neuen digitalen EU-Anmeldeportals CTIS für klinische Studien. Klaus Pellengahr, Chef der CDMO Corden BioChem, erklärte, dass seine Kunden ihre in Singapur schnell zugelassenen zellbasierten Lebensmittelprodukte nicht in Europa vermarkten könnten, weil es an zügiger Umsetzung der existierenden Regelungen nach Novel-Food-Verordnung in europäischen und deutschen Amtsstuben mangele. Eine Generalkritik, die durch eine aktuell laufende Branchenbefragung der SPD-Bundestagsfraktion derzeit aufgenommen wird, die Bürokratiehemmnisse kartieren und beheben möchte. Skentelbery stellte fest, dass Unternehmer aus sehr verschiedenen Biotech-Bereichen stets vor exakt demselben Problem stünden: einem Mangel an harmonisierten Regeln und extrem langsamer Bearbeitungszeit durch die nachgeordnete Bürokratie.

Wir haben eigentlich alles, was wir brauchen für einen guten Standort: hervorragend ausgebildetes Personal, gute Forschung und Know-how. Wir haben in der Pandemie auch gesehen, dass es geht, wenn der Wille da ist, hieß es vom Panel.

Auch bei der Nationalen Gentherapie-Strategie, die mit 44 Mio. Euro gefördert werden soll, geht es voran: Mitte Juni wird das von acht Arbeitsgruppen erarbeitete 125 Seiten-Papier an das BMBF überreicht. Es entsteht eine interaktive Karte der nun besser vernetzten Player und in den Arbeitsgruppen werden die Prioritäten der identifizierten To-dos diskutiert. In punkto Kommunikation könnte es indes nach dem Empfinden vieler von |transkript auf den Biotechnologietagen befragten Unternehmen besser gehen. Interessierte fragten nach mehr – auch gedruckten – Informationen zum Stand der Initiative.

Der Rückstand Deutschlands gegenüber China und den USA in Sachen klinische Studien soll durch eine verbesserte Translation und Vernetzung erreicht werden. Tobias Helmstorf von der Bayer AG berichtete, das ein zusammen mit der Charité Universitätsmedizin geplantes Translationszentrum, das als Inkubator für etwa 15 Neugründungen dienen soll und über eine eigene cGMP-Facility verfügt, hier eine Translationslücke schließen könnte. Fertiggestellt wird der Bau voraussichtlich im Jahr 2027. Helmstorf warb für eine frühe Vernetzung von Academia und Wirtschaft. „Wir wollen die Translation hier stattfinden lassen“, sagte er.

Prof. Dr. Christof von Kalle, Sprecher des federführenden BIH, sagte, dass es sich nicht nur um eine temporäre Förderung handele, sondern den Aufbau einer wichtigen Infrastruktur. Dr. Michael Kahnert, Miltenyi Biotech, betonte, dass die an das BMBF übergebene Strategie vom gesamten Bundeskabinett getragen werden müsse und der regulatorische Rahmen, wo nicht passend, angepasst werden müsse. Faten Gaber von Roche in Penzberg, wo unlängst eine 90 Mio. Euro-Produktionsstätte für Gentherapievektoren eingeweiht wurde, meinte, es sei entscheidend, Handlungsfelder zu identifizieren und zu priorisieren – von Ausgründungen, der Nutzenbewertung bis hin zum regulatorischen Rahmen und Standards für Academia und Industrie.

„Wir haben noch etliche Schritte vor uns“ meinte Kahnert. „Wir müssen das Wissen poolen und gemeinsam weiterentwickeln. Ich glaube, die Nukleusbildung ist der richtige Weg.“

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