SciRhom, Paul Paulsen · Photodesign

Millionen-Finanzierung in Martinsried

Erneut hat sich ein internationales Investorenkonsortium zusammengefunden, um einem Unternehmen am Innovationsstandort Martinsried mit einer kräftigen Millionenspritze auf die Sprünge zu helfen. Freuen kann sich die SciRhom GmbH, die in einer Serie A-Finanzierungsrunde rund 63 Mio. Euro einsammeln konnte, um sich noch intensiver einem bestimmten Zielmolekül bei Autoimmunerkrankungen und dessen klinischer Entwicklung widmen zu können.

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Andera Partners meldet, die Serie A-Finanzierungsrunde in Höhe von 63 Millionen Euro (70 Millionen US-Dollar) für SciRhom anzuführen, ein biopharmazeutisches Unternehmen, das Vorreiter bei der Entwicklung therapeutischer, „first-in-class“ Antikörper gegen iRhom2 ist. Dem Konsortium gehören neben Andera die weiteren Neuinvestoren Kurma Partners, Hadean Ventures, MIG Capital und Wellington Partners an. Weiterhin beteiligt sind der Neuinvestor Bayern Kapital sowie die Bestandsinvestoren High-Tech Gründerfonds (HTGF) und PhiFund Ventures. Durch das neue Kapital soll die innovative therapeutische Strategie des Unternehmens im Bereich der Autoimmunerkrankungen vorangetrieben und ausgeweitet werden. Die erste klinische Studie mit SR-878, einem hochspezifischen monoklonalen Antikörper gegen das Zielmolekül iRhom2, wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2024 beginnen.

SciRhom wurde bereits 2016 mit dem Ziel gegründet, eine neue Behandlungsstrategie für Autoimmunerkrankungen und andere potentielle Indikationen zu etablieren, indem über iRhom2 selektiv auf TACE/ADAM17 eingewirkt wird. Dem transmembranen Metalloproteasenkomplex TACE/ADAM17 wird die Rolle eines Hauptschalters in verschiedenen Signalwegen, die für Autoimmunerkrankungen relevant sind. IRhom2 ist ein wichtiger Kofaktor für die Steuerung von ADAM17, hat aber im Gegensatz zum Pendant iRhom1 ein anderes Wirkspektrum auf darunterliegende Signalkaskaden. Während das vollständige ausschalten von ADAM17 für den gesamten Organismus verheerende Folgen hat, zeigte die Knock-out-Maus von iRhom2 nur milde aber doch messbare Veränderungen bei den nachgelagerten Signalwegen. Die Hoffnung ist daher, dass damit ein modulierbares Element gefunden wurde, mit dem die natürlicherweise notwendigen Signale der diversen Faktoren nicht komplet abgeschaltet, sondern nur reduziert werden können. Das SciRhom-Team arbeitete eng mit dem Mitbegründer Prof. Carl Blobel und dem Hospital for Special Surgery (HSS) in New York, USA, zusammen, einem der weltweit führenden akademischen medizinischen Zentren für Rheumatologie und muskuloskelettale Gesundheit.

Prof. Blobel, Direktor des Programms für Arthritis und Gewebedegeneration am HSS, hat mit seinen Forschungsergebnissen wesentlich zum Verständnis beigetragen, wie iRhom2 die Aktivität von TACE/ADAM17 bei Entzündungen und Autoimmunerkrankungen kontrolliert. SciRhom hat seinen am weitesten fortgeschrittenen Entwicklungskandidaten SR-878 so konzipiert, dass er gleichzeitig mehrere entzündungs- und krankheitsfördernde Signalwege blockiert, darunter TNF-alpha, IL-6R und EGFR, während andere wichtige Funktionen, die von der TACE/ADAM17-Signalübertragung abhängen, erhalten bleiben. Diese einzigartige Fähigkeit, mehrere Zytokine anzugreifen und darüber hinaus die Immuntoleranz durch die Wiederherstellung der nützlichen TNFR2-Signaltransduktion und die Vermehrung regulatorischer T-Zellen zu fördern, könnte eine transformative Wirkung bei Patienten mit einer Vielzahl von Autoimmunerkrankungen haben. Darüber hinaus wird erwartet, dass das selektive Targeting von iRhom2 ein günstiges Sicherheitsprofil aufweist. Das alles ist jedoch noch die stille Hoffnung und Zukunftsmusik, die jedoch nun von einem großen Investorenkonsortium mit viel Begleitmusik der hohen Finanzierung deutlich in die Öffentlichkeit getragen wurde.

Jan Poth, lange Jahre für Boehringer Ingelheim tätig und seit rund zwei Jahren als Geschäftsführer von SciRhom für die Vorbereitung der aktuellen Finanzierungsrunde und den Abschluss der präklinischen Entwicklung mitverantwortlich, sieht sich „als glücklichen Menschen“, wie er im Gespräch mit |transkript.de beschreibt. „An dem Zielmolekül TACE/ADAM17 hat man sich schon mit kleinen Molekülen vergeblich versucht, diese waren nie spezifisch genug oder haben den Einfluss auf die Infektionsabwehr zu stark herunterreguliert“, erklärt Poth. „Wir adressieren mit iRhom2 einen neuen Weg, diesen multifunktionalen Schalter TACE/ADAM17 spezifisch  regulierbar zu machen, ohne seine anderen wichtigen Funktionen zu beeinträchtigen. Unser Antikörper wirkt nur auf der Seite der Immunantwort. Damit können wir ein Gleichgewicht wiederherstellen, das bei Autoimmunerkrankungen aus dem Lot geraten ist.“ Mit der Indikation Rheumatoide Arthritis (RA) zielt SciRhom auf einen Blockbuster-Markt, doch Poth sieht weitere Indikationen bei Erkrankungen des Immunsystems, aber auch darüber hinaus.

MIG Capital und Andera Partners arbeiten in dieser Konstellation erstmalig zusammen. Dr. Olivier Litzka, Partner bei Andera Partners in München, erklärte: „Nach den Beteiligungen an vielversprechende Biotech-Unternehmen in der DACH-Region wie Tubulis, Tricares, t-knife und Ariceum ist die Finanzierung von SciRhom bereits unser drittes Life-Sciences-Investment in Deutschland aus unserem BioDiscovery 6 Fonds innerhalb von drei Jahren.“ Die Zusammenarbeit sei durch die räumliche Nähe von Gründern, Investoren und weiteren Partnern im Innovations- und Gründerzentrum IZB unterstützt worden, erklärte Dr. Fei Tian, MD, MIG Capital, gegenüber transkript.de.

Tian hält große Stücke auf das Gründerteam von SciRhom, die auf einer exzellenten wissenschaftlichen Basis nun in kurzer Zeit ein hochprofessionelles Datenpaket für den Start der klinischen Studie zusammengestellt haben. „Wir treffen bei SciRhom auf Pharma-, F&E- und Antikörperexperten. SciRhom hat gerade die Genehmigung seiner Clinical Trial Application (CTA) für sein Entwicklungsprogramm SR-878 erhalten, um die erste Dosierung von Studienteilnehmern in der zweiten Jahreshälfte 2024 zu beginnen. Die Entwicklungen bei SciRhom sind sehr zielstrebig, es wird sehr effizient gearbeitet,“ kommentiert Tian. Sie sieht auch das Konsortium als einen Ausweis dafür, dass die Forschung aus den USA mit einem kleinen, aber sehr erfahrenen Team, das schon bei U3 Pharma und anderen Firmen des Forschers Axel Ullrich zusammengearbeitet hatte, auch jenseits des Atlantiks erfolgreich vorangetrieben werden kann. „Wir haben hier ein gutes Ökosystem in München, aus dem innovative Ideen in die Klinik gebracht werden können. Der Ansatz, einen Master-Switch bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma adressieren und modulieren zu können, hat das Potential, den Ceiling-Effekt [trotz Dosissteigerung keine weitere Zunahme der Wirkung, Anm. d. Red.] für Patienten mit chronischen, schwer zu behandelnden Autoimmunerkrankungen zu überwinden.  Darüber hinaus waren auch die Daten sehr überzeugend“, gibt Tian Einblicke in die Beweggründe für die Investitionsentscheidung.

Bisher hatte SciRhom rund 16 Mio. Euro als Finanzierung hauptsächlich vom HTGF sowie von Privatpersonen einwerben können. Der MIG Fonds 17 beteiligt sich mit rund 4 Mio. Euro an der Serie A, ebenfalls der Vorgänger-Fonds 16 in ungenannter Größenordnung. Jan Poth gehört zu den Verfechtern der These „gute Daten finden immer auch eine Finanzierung“, bestätigt aber auch, dass die Suche nach der Finanzierung, die nun den Eintritt in die Klinik ermöglicht, nicht einfach gewesen ist. Das Ergebnis mit einem lokalen, nationalen und europäischen Konsortium sei aber „sehr zufriedenstellend“.

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