Rettungs-Merger bei Pieris Pharmaceuticals
Von Freising an die Nasdaq, das war der Pieris AG schon 2014 gelungen. Danach ging es mit einigen großen Pharma-Partnerschaften nach oben und die Firma wuchs auch seit 2019 am neuen Standort Hallbergmoos kräftig weiter. Dann kamen wenig überzeugende Studienergebnisse und das Ende für die Kooperation mit AstraZeneca, die im vergangenen Jahr zu einem massiven Personalabbau führte. Nun angelt sich das US-Unternehmen Palvella Therapeutics den Börsenmantel von Pieris – und einige verbliebene Pipelinereste.
Nach dem Rückschlag in der gemeinsamen Wirkstoffentwicklung mit AstraZeneca zückte das Freisinger Unternehmen Pieris im vergangenen Sommer den Rotstift und trennte sich von 70 Prozent der Belegschaft. Seitdem lagen alle Optionen für eine Fortführung des Unternehmens auf dem Tisch, doch ein Käufer für die verbliebene Pipeline fand sich nicht. Es folgte ein weiterer Personalabbau, so dass über 80% der ehemaligen Mitarbeiter einen neuen Job suchen mussten und wegen der ebenfalls bekannten Umstrukturierungen bei der übernommenen Morphosys in Planegg nicht so einfach fanden.
Im März 2024 räumte der langjährige CEO Stephen Yoder ein, dass ein Verkauf oder eine Fusion bisher nicht gelingen wolle und man sich nun anderweitig auf die weitere „Verwertung der noch im Besitz befindlichen Assets“ konzentriere. Ein massiver Aktiensplit von 1:80 sollte die mittlerweile als Pennystock gehandelten Papiere wieder in die Sichtbarkeit zurückführen, was sich nun auszuzahlen scheint.
Überraschender Reverse Merger mit Palvella
Denn vergangene Woche gab Pieris überraschend die Fusion mit einem privaten US-Biotech-Unternehmen bekannt. Die in Boston ansässige Palvella Therapeutics macht sich nun das Nasdaq-Listing von Pieris zunutze und springt über einen Reverse Merger selbst unvermittelt auf das Börsenparkett. Zudem haben nach Unternehmensangaben „namhafte Investoren“ der Branche knapp 79 Mio. US-Dollar frisches Kapital für das kombinierte Unternehmen bereitgestellt. Die Aktie konnte daraufhin von Kursen zwischen 7 und 8 US$ auf bis zu 18 US$ zulegen, was zwar wie ein gewaltiger Sprung aussieht, bei Altaktionären jedoch eher zu einem müden Lächeln führen dürfte. Dennoch können diese Altaktionäre durchaus noch von möglichen Einnahmen aus auslizenzierten Assets profitieren.
Wenn denn nicht auch die letzten verbliebenen Pieris-Partner noch einen Rückzieher machen, so wie kürzlich Servier. Übriggeblieben ist im Wesentlichen eine Verbindung über mehrere Kooperationen zur ehemaligen Seattle Genetics, SeaGen, die von Pfizer für viel Geld erworben wurde. Diese sehr frühen Entwicklungsprogramme stehen aber völlig im Schatten der eigentlichen Kernkompetenz, die SeaGen ins Pfizer-Universum hereinbringen sollte: Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, ADCs.
Auch Palvella bewegt sich in einem ganzen anderen Bereich mit einer immerhin schon in Phase III fortgeschrittenen Wirkstoffentwicklung als die ehemalige Pieris, so dass man nicht allzu viel Hoffnung haben sollte, die in Deutschland an der TU München entwickelte Anticalin-Plattformtechnologie als antikörperähnliche, aber kleiner und flexibler einzusetzende neue Wirkstoffklasse, könnte auf diesem Wege noch weitere große Schritte machen.
In den ehemaligen Laboren von Pieris, die zwischenzeitlich ins Business Centrum Skygate in der Nähe des Münchner Flughafens nach Hallbergmoos eingezogen waren, tummelt sich derweil schon neues Leben. Das Münchner Start-up Plectonic Biotech, mit einer SPRIND-Finanzierung ausgestattet, hat sich dort gerade auf 1.500 Quadratmetern eingerichtet, um ebenfalls eine neue Wirkstoffklasse voranzubringen: einen über einen DNA-Nanolinker schaltbaren Krebswirkstoff.