Thermosome findet erste Belege für klinische Wirkung
Die gerade erst begonnene klinische Phase I-Studie der Martinsrieder Thermosome GmbH liefert in einer Interimsanalyse die ersten Hinweise auf eine qualitative Verbesserung der Tumorbekämpfung durch eine lokale Anreicherung des Chemotherapeutikums. Dieser erste klinische Konzeptnachweis hat fast 14 Jahre auf sich warten lassen.
Sechs Patienten sind nicht viel, doch wenn davon in einem als austherapiert geltenden Krankheitszustand fünf von ihnen erst einmal keine weitere Verschlechterung mehr verzeichnen, ist das schon ermutigend. Ihr Überleben würde in dieser Last-line-Behandlungsphase mit dem gleichen Standard-Chemotherapeutikum normalerweise weniger als drei Monate betragen. Bei einem Patienten wurde diese Zeit schon jetzt auf neun Monate mehr als nur ein bisschen verlängert. Daher kann man die große Erleichterung und Begeisterung beim Team von Thermosome nachvollziehen.
Die stark (einschließlich Doxorubicin) vorbehandelten Patienten leiden an lokal fortgeschrittenem inoperablem oder metastasiertem Weichteilsarkom (STS). Das bisher beobachtete Sicherheitsprofil war in zwei Dosierungsstufen (DL 1 und DL 2) des mit einem thermosensibel gemachten Liposom lokal zugeführten Chemotherapeutikums günstig, die Mehrzahl der unerwünschten Ereignisse geringfügig und es gab keine Hinweise auf unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit der innovativen Formulierung. Was die Anti-Tumor-Aktivität betrifft, so erreichten insgesamt fünf von sechs Patienten in DL1 und DL2 eine lokale Krankheitskontrolle und vier von sechs eine stabile Erkrankung (SD) gemäß RECIST. In DL2 wurden drei von drei Patienten nach dem ersten Tumor-Restaging (drei Zyklen) als stabile Erkrankung (SD) gemäß RECIST bewertet. Während zwei Patienten das Tumor-Staging nach sechs Zyklen (Ende des Hauptstudienzeitraums) noch nicht erreicht haben, blieb bei einem Patienten die Krankheit nach RECIST für neun Zyklen stabil. Das entspricht einem progressionsfreien Überleben von sieben Monaten. Die MRT/PET-CT-Bildgebung zeigte am Ende des Hauptstudienzeitraums Hinweise auf ein pathologisches Ansprechen, was einem partiellen Ansprechen entspricht.
Das eigenentwickelte thermosensible Liposom als Transportvehikel für das Chemotherapeutikum Doxorubicin trägt den Namen THE001. Es wird wie andere in Liposomen verabreichte Zytostatika systemisch über die Blutbahn zugeführt. Durch ein verändertes Phospholipid in der Umhüllung bleiben die Thermosome-Liposomen bei Körpertemperatur jedoch intakt. Erst durch die lokale Aufheizung auf etwa 41° C mit Hilfe einer Hyperthermie-Apparatur wird die lokale Abgabe des Inhaltsstoffes induziert. Geschieht dies lokal am Tumor, der von den Blutgefäßen gut durchwachsen ist, kann die lokale Konzentration des Zytostatikums das 15-fache der üblichen Werte erreichen. Es verliert sich nicht durch unspezifische Abgabe im Blutstrom und erzeugt keine unerwünschten Nebenwirkungen durch Anreicherung in Leber und Milz.
„Die Präsentation der ersten klinischen Daten für THE001 in Kombination mit regionaler Hyperthermie ist ein wichtiger Meilenstein für Thermosome“, ordnet CMO Dr. Frank Hermann die vorläufigen Ergebnisse ein. „Die Daten bestätigen nicht nur das galenische Prinzip der thermosensitiven Liposomen, die bei hitzegetriggerter regionaler Hyperthermie am Menschen Doxorubicin nahezu vollständig freisetzen, sondern auch die bisher sichere Anwendung ohne formulierungsbedingte Nebenwirkungen. Darüber hinaus sind die ersten Anzeichen einer klinischen Aktivität bei diesen stark vorbehandelten Palliativpatienten sehr ermutigend und unterstützen unsere Bemühungen, das klinische Entwicklungsprogramm bei Weichteilsarkomen zu beschleunigen.“
Die Geschichte von Thermosome erstreckt sich seit der Gründung aus den Martinsrieder Max-Planck-Instituten schon über 14 Jahre. Erst 2016 stiegen mit dem Hightech-Gründerfonds (HTGF) und BayernKapital Investoren ein, die weitere Forschung wurde zudem noch mit öffentlichen Fördergeldern finanziert. Als man soweit war, in der Klinik die Verfahren der Hyperthermie mit der gezielten lokalen Abgabe von Zytostatika zu kombinieren, kam Corona und die Pandemie dazwischen und einige Jahre gefühlter Leerlauf waren die Folge. Dann konnte endlich 2023 die klinische Phase I starten. Viele andere innovative Methoden der Krebsbekämpfung stehen mehr im Scheinwerferlicht als eine Optimierung der Chemotherapie. Doch das ist der Ansatz der Thermosome kurzgefasst: ohne auf spezielle Tumormarker angewiesen zu sein, kann mit der Nutzung der Blutgefäße jedes Zellgift in einem stabilen Liposom an die Ansiedlungsorte der soliden Tumore transportiert werden. Dem Patient wird dann ein Hyperthermie-Gerät umgeschnallt das eine viel lokalere Freisetzung der Chemotherapie auslöst und ermöglicht. Die Erwärmung auf 41°C signalisiert dem Körper zudem eine Art Fieber und setzt das Immunsystem in Gang, dessen Abwehrzellen nun auch absterbende Tumorzellen wahrnehmen und deren (Neo-)Antigene aufnehmen und präsentieren können, um die adaptive Abwehr ebenfalls in Stellung zu bringen.
Auch der CEO von Thermosome, Pascal Schweizer, zeigt sich erleichtert und zufrieden, dass schon so schnell aus der Klinik positive Signale entstehen: „Wir sind sehr erfreut über diese ermutigenden Daten, insbesondere über die Anzeichen von Wirksamkeit in unserer ersten klinischen Studie“, kommentiert er. „Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass THE001 ein innovativer Ansatz für eine tumorgerichtete Wirkstoffverstärkung bei dieser Form von Krebs ist.“ Ganz bewusst habe man die Indikation Sarkome ausgewählt, wo wenig andere Wettbewerber unterwegs sind. Eine reine Neuformulierung des verwendeten Chemotherapeutikums sei der Ansatz aber auch nicht, die thermosensible Verpackung sei eine gut geschützte Eigenentwicklung, die mit den neuen Daten auf gesteigertes Interesse stoße, so Schweizer im Gespräch mit |transkript.
Für eine allgemeine Umstellung der ungerichteten, systemischen Chemotherapie auf die lokale, thermosensible und -induzierte Abgabe ist die Datenlage noch zu gering. Doch das könnte die nahe Zukunft für das schon recht betagte Unternehmen sein, das trotz 14 Jahren Entwickungsphase beinahe noch immer im Status eines Start-ups agierte. Denn der letzte Beweis, dass die Technologie funktionieren könnte, hatte bisher gefehlt, das riesige Finanzpolster auch. Gerade deswegen werden die ersten Signale aus der Klinik nun so positiv gesehen. Trotzdem ist der Sekt erst noch nur kaltgestellt, die Führungsetage trank bei einem spontanen Zusammentreffen im Martinsrieder Gründerzentrum IZB lieber weiterhin nur Saft.