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Tubulis erhält rekordverdächtige 308 Mio. Euro in Serie-C

Knallerfinanzierung in Martinsried. Ganze 308 Mio. Euro werfen Investoren auf den Tisch, um bei Tubulis an der weiteren Firmenentwicklung teilhaben zu können. Es ist die größte Serie C-Finanzierung in ganz Europa seit vielen Jahren. Dabei werden die nächsten klinischen Daten des Biotech-Unternehmens erst in ein paar Tagen auf dem Europäischen Kongress der medizinischen Onkologie (ESMO) vorgestellt. Die Hoffnungen drücken sich im Zulauf an neuen Investoren aus, die ein hohes "Eintrittsgeld" erbringen mussten, um in den Kreis der bestehenden Anteilseigner aufgenommen zu werden. Eine Trendwende? Tubulis absolvierte bereits in der Vergangenheit große Finanzierungsrunden und muss daher als Sonderfall betrachtet werden. Trotzdem wird man im Innovationszentrum Martinsried (IZB), dem Sitz des Unternehmens mit Wurzeln in Berlin und München, über die Größenordnung nicht unglücklich sein. transkript.de sprach mit Tubulis-CEO Dr. Dominik Schumacher.

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Das Münchner Biotech-Unternehmen Tubulis hat eine Serie C-Finanzierungsrunde über 308 Mio. Euro (361 Mio. US-Dollar) abgeschlossen – die größte ihrer Art für ein europäisches Biotechnologieunternehmen im Rahmen einer C-Runde (*) und zugleich die weltweit größte Finanzierung für ein privates ADC-Unternehmen (Antikörper-Wirkstoff-Konjugat).

Angeführt wurde die Runde von Venrock Healthcare Capital Partners, mit Beteiligung weiterer neuer Investoren wie Wellington Management und Ascenta Capital, sowie bestehender Geldgeber, darunter EQT Life Sciences, Frazier Life Sciences, Andera Partners, Bayern Kapital, HTGF und andere.

Die Mittel sollen die klinische Entwicklung des Leitkandidaten TUB-040 – ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat gegen Ovarial- und Lungenkrebs – beschleunigen und die Pipeline erweitern. TUB-040 erhielt 2024 den FDA-Fast-Track-Status und wird derzeit in einer Phase I/IIa-Studie geprüft.

Mit dem Kapital will Tubulis zudem weitere ADC-Technologieplattformen vorantreiben und neue Anwendungen erschließen. CEO Dr. Dominik Schumacher sprach von einem „Meilenstein für das Unternehmen und das ADC-Feld insgesamt“, das durch das Vertrauen internationaler Investoren gestärkt werde. Erst kürzlich hatte sich Tubulis auf der Antikörperseite die weltweiten Exklusivrechte an einem von Biocytogen Pharmaceuticals Co. Ltd. (Peking, China) entwickelten Antikörper gesichert. Mit eigenen Linker- und Payload-Technologien will Tubulis daraus ein spezifisches ADC formen, ohne das Target oder finanzielle Details dazu bekanntzugeben.

Die spezielle Technologielattform von Tubulis ermöglicht es, das Zellgift (Payload) sehr spezifisch und in exakter Zahl an einen Antikörper kovalent zu verknüpfen. Damit kann die gefürchtete Nebenwirkung einer zu frühen Abgabe des Zellgiftes – und damit die mögliche Schädigung von gesundem Gewebe – minimiert und die Beladung des Antikörpers je nach Durchschlagskraft des verwendeten Toxins auch moduliert werden.

Dominik Schumacher ist familiär mit Erfolgen in der Biotechnologie „belastet“. Sein Vater Jürgen Schumacher gehört zu den Gründern des Diagnostik-Unternehmens und Laborausrüsters Qiagen. In einem persönlichen Interview in |transkript 2/25 beschrieb Dominik Schumacher seine Motivation so: „Jeder Rückschlag hat einen guten Grund und sorgt am Ende dafür, dass etwas viel Besseres entstehen kann. Menschen haben oft viel zu viel Angst vor Rückschlägen.“

Mit seiner jüngsten Finanzierungsrunde reiht sich Tubulis ganz vorne in die weltweite Spitzengruppe der ADC-Entwickler ein – neben ProfoundBio (Seattle/China) und Adcendo ApS (Kopenhagen), deren jüngste Serie B-Runden ähnliche Größenordnungen erreichten (112 Mio. USD, 135 Mio. USD) wie die eigene Serie B2-Runde von Tubulis über 128 Mio. Euro, die nur 18 Monate zurückliegt.

(*) Nach BIOCOM-Daten und im Abgleich mit iito Business Intelligence gab es zwar schon höhere Serie A- und B-Finanzierungsrunden in Europa (etwa die Serie B-Runde von CureVac 2020 mit 560 Mio. Euro; die Serie A-Runde von Verdiva Bio mit 355 Mio. Euro Anfang dieses Jahres oder die noch höhere Serie A-Finanzierungsrunde für Isomorphic Labs mit 519 Mio. Euro aus dem Frühjahr), aber nur mit der britischen Babylon Health im Jahr 2019 gab es eine noch höhere Serie C-Finanzierung mit 476 Mio. Euro. Doch dieses KI-Unternehmen war seiner Zeit voraus und musste 2023 Insolvenz anmelden.

Dominik Schumacher hat |transkript.de weitere Fragen beantwortet:

transkript.de: Ist das ein einfacher Prozess, wenn zu den bestehenden Investoren neue dazukommen – oder treibt es einfach nur die Preise?

Schumacher: Unsere bestehenden Investoren stehen geschlossen hinter Tubulis, unserer Technologie und unserer Unternehmensstrategie. Die neuen namhaften Investoren bringen einen klaren strategischen Mehrwert und beschleunigen die Umsetzung unserer klinischen Meilensteine. So kommen wir unserem gemeinsamen Ziel näher, differenzierte, wirkungsstarke ADCs schneller zu Patientinnen und Patienten zu bringen und die führende Position von Tubulis im ADC-Feld weiter auszubauen.

transkript.de: Nun steckt schon eine gewaltige Summe in Tubulis, ist die auch nötig?

Schumacher: Das ist richtig, inklusive dieser Serie C-Finanzierungsrunde haben wir insgesamt 495,1 Mio. Euro eingeworben. Unser Ziel ist es, kontinuierlich die Grenzen in der ADC-Entwicklung weiter zu verschieben und Innovation als Vorreiter voranzutreiben. Dazu gehört auch, unsere Pipeline kontinuierlich zu erweitern und unsere Plattformtechnologien zu verfeinern, um derzeit unterversorgte Indikationen mit neuen, maßgeschneiderten Lösungen anzugehen.

transkript.de: War dieser Zukauf aus China eine einmalige Aktion oder ist das ein Trend, dem sich auch Tubulis nicht entziehen kann, dort günstige Moleküle zu finden, geht es damit weiter?

Schumacher: Hier handelte es sich ja nicht um einen Zukauf, sondern um eine Lizenzvereinbarung. Grundsätzlich sind strategische Partnerschaften und Lizenzvereinbarungen Teil unseres Businessmodels. Wir prüfen laufend, wie wir die Wirkung und Reichweite unserer eigenen Plattformen und Produktkandidaten maximieren können – dazu gehören auch Lizenzierungen, Co-Entwicklungen und CDMO-Zusammenarbeiten. Unser Fokus liegt bei allem darauf, unsere ADCs schneller in die Klinik zu bringen und Behandlungsergebnisse für Patientinnen und Patienten mit soliden Tumoren zu verbessern.

transkript.de: Was ist mit anderen Formen von „Konjugaten“ auch ohne Antikörper: Toxin + Nukleotide, Toxin + Small Molecules? Oder wird es bei Tubulis immer ein Antikörper sein?

Schumacher: Wir fokussieren uns klar auf Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) und bauen unsere bestehenden Plattformen konsequent aus. Andere Konjugatformate ohne Antikörper stehen derzeit nicht im Mittelpunkt unserer Entwicklungsstrategie.

Die strategische Stoßrichtung ist, die Leistungsfähigkeit unserer ADCs zu maximieren, indem wir die Bottlenecks (Stabilität, payload-getriebene Toxizität) mit neuartigen Linker-  und Konjugationstechnologien adressieren. Ein großer Fokus liegt dabei auch darauf, neue Wirkstoffklassen für ADCs zu erschließen. Das macht unsere Alco5-Technologie möglich, mit der wir Small Molecules für ADCs erschließen können, die bisher nicht konjugierbar waren. Ein spannendes Beispiel sind hier Degrader-Antikörper-Konjugate.

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