Die neue Corona-Testverordnung – besser als nichts
Es ist sicher sehr positiv, dass in letzter Sekunde die staatliche Finanzierung der PCR-Tests, wenn auch in reduziertem Rahmen, weitergeführt wird (ohne Finanzierung von PCR-Tests, wären wir völlig blind den Launen der Virusevolution ausgeliefert). Die Pandemie ist nicht vorbei.
Uns überrollt weiter Welle nach Welle neuer Varianten – immer infektiöser und immer besser imstande, existierende Immunitäten zu durchbrechen. Die Todesraten sind noch immer nahe an den Spitzenwerten der ersten Welle der Pandemie, und wir werden immer mehr langfristige Schädigungen erwarten können. Noch schlimmer: es gibt bei SARS-CoV-2 eigentlich keine Selektion gegen Varianten, die weit höhere Lethalität haben. Es ist also ohne weiteres möglich, dass eine der zahlreichen kommenden Varianten, die Infektiosität von Omikron mit der Lethalität von Ebola verbinden könnte – eine Katastrophe, der wir völlig schutzlos ausgeliefert wären. Die neue Coronatestverordnung reflektiert so weiterhin die Dominanz von Stakeholderinteressen, die den Kampf gegen die Pandemie, trotz enorm hoher Kosten, schon bisher zum Scheitern verurteilt haben – die Endemisierung ist ja das Produkt dieses Scheiterns.
Wie hätten wir es besser machen können?
Das wichtigste Problem bei der Kontrolle der Pandemie ist, dass Infizierte auch vor beziehungsweise ohne Symptome andere anstecken können. Wenn jeder Infizierte von Anfang an leicht erkennbar wäre (hohes Fieber?) und sofort in Quarantäne ginge, gäbe es keine Pandemie, ohne Risiko von Nebenwirkungen und ohne Selektion immunitätsbrechender Virusvarianten. Wir können das gleiche Ziel aber auch mit molekularen Tests erreichen, die Infizierte früh genug erkennen, und genug Menschen hinreichend oft testen können, um R unter 1 zu halten. Standard-qPCR-Tests sind empfindlich, aber nicht skalierbar und zu teuer. Antigen-Schnelltests wiederum sind billiger, sprechen aber zu spät an und sind oft auch zu unempfindlich (bis 0%!), um genügend Neuinfektionen vermeiden zu können. Um so eine R<1-Strategie zu ermöglichen, haben wir daher einen PCR-Test entwickelt, der die Empfindlichkeit von qPCR mit den niedrigen Kosten und der Skalierbarkeit von Schnelltests verbindet (https://rdcu.be/cKD9P).
Wie können wir solche Tests vergleichen? Um abzuschätzen, welcher Test imstande wäre, das exponentielle Wachstum der Infektionen zu stoppen, müssen wir vor allem eines wissen: wie viele Infektionen können pro Euro durch die Identifikation der Infizierten und ihre Quarantäne vermieden werden? Kann so, zu vernünftigen Kosten, die Transmissionsrate (auch in relevanten Subpopulationen) ausreichend gesenkt werden, um den R-Faktor unter 1 zu halten und so ein Aufflammen der Pandemie zu vermeiden? Erstaunlicherweise scheint die Möglichkeit, die Pandemie durch Hochdurchsatztests zu stoppen, und der quantitative Vergleich des potentiellen Beitrags der verschiedenen Teststrategien dazu weder bei der Pandemiebekämpfung selbst, noch bei ihrer kürzlich durchgeführten Evaluation eine Rolle gespielt zu haben.
Es wurden also etwa 18 Mrd. Euro für Tests ausgegeben, die nur wenig dazu beitragen konnten, die Pandemie in Deutschland zu stoppen – ein Vielfaches der Summe, die wahrscheinlich notwendig gewesen wäre, um dort alle Pandemiewellen (außer der ersten) zu unterdrücken und so weit über 100.000 Tote, enorme wirtschaftliche Schäden und sieben Monate Lockdown zu vermeiden.
Das einzige Argument, das ich gegen dieses Verfahren gefunden habe (Hochdurchsatz-PCR-Tests sind ‚völlig illegal‘) ist durch das, trotz deutlich weniger leistungfähiger Technik (pool PCR) sehr erfolgreiche Wiener ‚Alles Gurgelt‘-Projekt und andere Projekte in Deutschland längst eindeutig widerlegt. Trotzdem wird das einzige Verfahren, das die Pandemie stoppen könnte, weiter nicht in Betracht gezogen – jetzt eben ohne Argumente –, entweder auf Grund eines atemberaubenden Mangels an Vorstellungskraft der Entscheidungsträger und ihrer Berater, oder, eher wahrscheinlich, wegen finanzieller und Standesinteressen, die eine echt wissenschaftsbasierte Bekämpfung der Pandemie über eine offene Diskussion mit absoluter Priorität des Schutzes der Menschen über Stakeholderinteressen bisher verhindert haben.
Dieser Klartext ist der aktuellen Ausgabe von |transkript entnommen.