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BioEurope in Stockholm: Europa ohne Amerika

Beim 30. Jubiläum der größten Partneringveranstaltung auf dem europäischen Kontinent für den Pharmasektor, die die EBD-Gruppe vor einer Generation in Hannover im Schatten der Biotechnica begründete, zeigte sich eine bunte Mischung aus Veteranen, Newcomern und absoluten Greenhorns – nur die US-Boys, die gerne mit solchen Etiketten um sich werfen, blieben in der Wahlwoche lieber auf ihrem eigenen Kontinent und fehlten deutlich. Ob das schon ein Hinweis ist, dass Europa sich bitte stärker selbst um seine Positionierung in der Welt und die Innovationsprozesse kümmern soll?

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Die vermutlich dümmste Frage, die man zum Auftakt eines Kennenlerngespräches auf der BioEurope stellen kann, lautet: Was machen Sie eigentlich hier? Denn zu offensichtlich ist, was die wieder einmal rekordverdächtig hohe Zahl an Teilnehmern auf einer Partneringsmesse sucht. Die klügere Frage wäre vielleicht: Was machen Sie eigentlich schon wieder hier? Doch auch das trifft den Kern noch nicht genau. Die Wiederholung der Teilnahme, die sich über vielleicht gar Jahrzehnte eingespielten Routinen des Wiedersehens in kürzeren oder längeren Abständen, der freundliche Handschlag mit dem Hinweis, dass man leider sofort ins nächste Meeting müsse oder das echte Verweilen zu einem Smalltalk mit anschließender Verabredung zum Lunch an einem weniger zugigen Platz der Messehalle in Stockholm oder gar in der Stadt, weil es doch so viel Interessantes zu besprechen gibt … Das und viele weitere Varianten des Ansprechens und Abklopfens des Status des jeweiligen Gegenübers hat die Kommunikationsagentur MC Services mit einer gewissen Selbstironie in ein kleines Büchlein gepackt mit dem Titel „The Stockholm Pocket Phrase Book“.

Ein Ziel dieses Büchleins war, dass man die üblichen Einstiegsfragen auch auf Schwedisch stellen kann, die Übersetzung der Standardphrasen wurde also mitgeliefert. Doch andererseits zeigt es auch, dass etwa fünf bis zehn Fragen ausreichen, um unfallfrei über die Veranstaltung zu kommen. Auch das Urgestein der Beobachter, Mike Ward, der selbst sein 40-jähriges Jubiläum als kommunikativer Branchenbegleiter und echter Trendsetter feierte, wies auf das Gefühl des täglich grüßenden Murmeltieres hin. Alles schon einmal gehört und gesehen, alles schon einmal dagewesen. Das bezog sich nicht einmal nur auf die Wiederwahl von Donald Trump nach einer Wahlperiode Pause, die am zweiten Messetag die Gespräche stark dominierte, sondern spezieller auf das ritualisierte jährliche Zusammentreffen der Branche zur Partnersuche allgemein. Wiederholung ist also ein beständiger Begleiter der BioEurope, niemanden stört das auch sonderlich, egal, wo der Veranstaltungstross gerade Halt macht. Diesmal im Herbst außerhalb des deutschsprachigen Kerneuropas in Stockholm (Schweden), auch in Würdigung der Dynamiken der Nordländer, die mit dem Großpharmaplayer Novo Nordisk in Kopenhagen (Dänemark), die Weltliga der Pharmagroßtanker sichtbar mit einem neuen Nordstern schmücken.

Schweden und Dänemark darf man auch deswegen im gleichen Atemzug nennen und gemeinsam betrachten, da Kopenhagen von sich selbst gerne als Mediconvalley spricht, das über die Wassergrenze das nahe schwedische Lund einschließt. Während die Dänen also nicht nur echte große Containertanker um die Welt manövrieren und auch ein Pharmadickschiff vor Anker haben mit Novo, präsentierte sich Schweden eher als Innovationsschmiede, die diesen beiden Nachbarländern, aber auch Europa insgesamt zugute kommt. Beide führen regelmäßig die Innovations- und Patentrankings in den Life Sciences an, insbesondere bezogen auf die Bevölkerungszahl. Doch auch ohne solche Umrechnungen liegt Schweden im globalen Innovationsranking nach der Schweiz auf Platz 2. Das Land strahlt die wissenschaftliche Exzellenz ja mehrmals jährlich mit der Nobelpreisverleihung aus, die großzügigerweise an eine internationale Forscherweltelite vergeben werden, – von deren Glanz man sich dann wiederum bei der Bekanntgabe und der offiziellen Verleihung gerne und sogar doppelt mitbestrahlen lässt.

Die Begründung für die Wahl Stockholms als Veranstaltungsort der BioEurope ist also mehr als nachvollziehbar und alle Teilnehmer hatten nur positive Eindrücke zu berichten, was für viele schon mit einer pünktlichen Schnellbahn (!) vom Flughafen in das Stadtzentrum begonnen hatte.

Ein weiterer ganz praktischer Grund spielt zudem eine wichtige Rolle: für die mehreren Tausend Teilnehmer muss für eine Abendveranstaltung im lockeren Rahmen eine Örtlichkeit vorhanden sein, die nicht nach Messehalle oder Flughafenhangar aussieht. Auch deswegen sind die möglichen Veranstaltungsstä(d)t(t)e(n) in Europa nicht so zahlreich gesät, vor allem wenn man dann noch eine gewisse kritische Masse an lokaler Pharma-/Biotech-Aktivität als Auswahlkriterium ansetzt. Lockere Rahmenbedingungen auch deswegen, weil die BioEurope-Teilnehmer ein lustiges Partyvölkchen sind, dem im Geburtsland von ABBA und Roxette sehr entsprochen wurde, was sich bis zu den Titeln diverser Sessions oder Paneldiskussionen wie ein roter Faden durch die Agenda zog.

Das Timing mitten in die USA-Wahlwoche schlug etwas negativ auf die Veranstaltung zurück. Dies hatte eine rekordverdächtig niedrige US-amerikanische Beteiligung zur Folge. Aber das gab den Europäern etwas mehr Zeit, sich besser kennenzulernen oder mit den durchaus zahlreichen Asiaten in Kontakt zu treten. Doch neben der eher auf Kaltluft gestellten Hallenatmosphäre war die zweithäufigste Äußerung bei jeder Gesprächsgelegenheit damit: Es sind keine US-Investoren da.

Aber wie war die Stimmung? Was waren die neuen Themen? Und da kommt die zweite Ernüchterung zu den fehlenden US-Vertretern: Neue Themen über den Fortschritt einzelner Wirkstoffprogramme hinaus gab es kaum. Ausnahme höchstens die zielgerichtete Baseneditierung in der Klinik oder – in noch früherem Stadium, aber mit bemerkenswerten Fortschritten – die zielgerichtete Integration ganzer Genomabschnitte wie dies Seamless Therapeutics in Dresden betreibt. Die anderen Schlagwörter wie ADC, Radioliganden, Klick-Chemie, Degrader und Glues sowie die allgegenwärtige KI in der Wirkstoffforschung sind wohl Themen, die bleiben und großes Interesse finden, nur „Neuland“ ist das niemandem mehr.

Eher neu sind dann Technologieplattformen, die die Wirkstoffwechselwirkung mit dem angepeilten Zielmolekül in engen Zeitfenstern in der Zelle zeigen können und manche postulierte Interaktion auch etablierter Wirkstoffpipelines mit Fragezeichen versehen. Die österreichische Quantro Therapeutics erhielt so für ihre ultraschnell-ansetzende Transkriptomanalyse viel Aufmerksamkeit und hat mit Boehringer Ingelheim und Evotec bereits entsprechende Partner, die sich sehr beeindruckt zeigen und eine gute Referenz abgeben (da sie diese Technologie im eigenen Hause getestet haben). Dennoch wird für den disruptiven Ansatz aber wohl noch viel dickes Fell bei Quantro benötigt werden. Denn die eigene Pipeline nochmals grundsätzlich, disruptiv in Frage stellen lassen, das fällt kaum einem Forschungsprojektleiter leicht.

Die Stimmungslage der BioEurope ist diesmal nur schwer einzuordnen. Alle, die gute Gespräche mit den richtigen Personen führen konnten, waren natürlich positiver gestimmt als diejenigen, die nicht einmal einen Termin für ein Partneringmeeting erhalten haben. Das ist zwar auf jeder BioEurope so, und diesmal war die Klage über ein Ausbleiben der Terminbestätigung nicht einmal so groß wie gewohnt. Im Gegenteil: Die auf sich selbst zurückgeworfenen Europäer schienen auch den weniger geliebten Dienstleistern einige Zeitslots eingeräumt zu haben, so dass selbst diese wichtige Gruppe gut gelaunt durch die Gänge wandelte. Doch reicht diese positive Gesprächsstimmung schon für eine Aufhellung des ganzen Wirtschaftssektors innerhalb der weltpolitischen Rahmengebung?

Wer ein klares Aufbruchssignal erwartet oder erhofft hatte, muss wohl noch ein paar Monate weiter warten, vielleicht sogar nochmals ein ganzes Jahr Geduld aufbringen, meinten einige der Branchenexperten mit einem unbestimmten Achselzucken. Denn niemand hat eine klare Antwort auf die Auswirkungen der Trump-Wahl parat, wenn man nur den vieldiskutierten BioSecure-Act der USA betrachtet, der China zum Handels- und Produktionsfeind erklärt. Wird das unter Trump so bleiben, abgeschwächt oder verstärkt werden? Sollte Europa nun mehr China wagen oder ein „Europa den Europäern“ als Marschrichtung ausrufen? Wird die FDA beschnitten, der Preisverhandlungsdruck auf Pharma erhöht oder aufgehoben, das Gesundheitssystem gefördert oder nur noch für Reiche erschwinglich? Niemand weiß es und wer nach der Rückkehr von der Konferenz den Fernseher einschaltete, sah gleich noch mehr Fragezeichen in den Brennpunkt-Sendungen.

Als Fazit bleibt: die BioEurope ist eher eine Partnering- als eine Investorkonferenz. Das Ausbleiben von Investoren (aus den USA oder von anderen Weltregionen) ist daher nicht einmal verwunderlich. Die Investoren, die teilnehmen, haben ihrerseits das größte Interesse, selbst mit Pharma zu sprechen, das eigene Portfolio dort in die Pipelinestrategien hineinzuempfehlen. Für Start-ups und neue Projekte geben diese Investoren fast keine Zeitslots frei, die feierlichen Verleihungen einiger Start-up-Awards ist eine nette Begleitmusik der Konferenz, aber kein Schwerpunkt. Die wenigen europäischen Investoren, die unterwegs sind, suchen auf der BioEurope auch nicht nach den frühen Projekten, die sie in zig Inkubator- und Accelerator-Events wöchentlich irgendwo in Europa kennenlernen können. Auch den Investorenpartner für eine spätere Finanzierungsrunde finden sie hier kaum, außer man kennt sich sowieso schon und kann mit der eigenen Erfahrung oder der Phrasendrescher-Hilfe der Kommunikationsagentur schnell ein gegenseitiges Interesse abklopfen.

Insofern war das Treffen der Community in Stockholm nicht überflüssig, sondern eine Art Selbstbestätigung, eine Selbstversicherung, dass (fast) alle noch da sind, dass Kooperation und Partnerschaft für Innovationen eine Grundvoraussetzung sind. Viele europäische Regionen machten deutlich, dass mit ihnen in Zukunft mehr zu rechnen ist, die skandinavischen Länder, die ihren Auftritt besonders aufwendig gestalteten, aber auch ost-europäische Länder, die Schweiz und Österreich, um nur einige zu nennen. Österreich profitierte dabei davon, dass Wien im November 2025 der nächste Austragungsort des Partnerings sein wird. Dort werden zumindest keine Übersetzungshilfen für das kleine Gespräch am Messestand benötigt, ein „Küss die Hand“ sollte als Eisbrecher genügen.

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