Versichern ist Trumpf
Wir leben in unsicheren Zeiten und die Biotechnologiebranche gilt von je her als besonders riskant. Warum also nicht einfach eine Versicherung gegen jedes mögliche Risiko abschließen? Welche Strategie die bessere Variante ist, klärt |transkript zukünftig in einem Risiko-Kommentar und gibt hier eine Einführung.
transkript. Herr Eckstein, sind unsichere Zeiten gut für Versicherungsmakler?
Florian Eckstein. Es sind vor allem Zeiten für eine vertrauensvolle und verlässliche Zusammenarbeit mit einem kompetenten und unabhängigen Partner in Fragen von Risiko- und Versicherungslösungen. In einer sich schneller verändernden Welt gilt es hierbei auch, den Versicherungsschutz kontinuierlich anzupassen an neue Risiken, Gesetze und Haftungsverschärfungen.
transkript. Nun besteht in Ihrem Spezialgebiet „Life Sciences“ ein großes Risiko mit der Produktentwicklung an sich. Es gibt keine Garantie, dass sich der erhoffte Markterfolg auch wirklich einstellt. Kann man das Scheitern versichern?
Eckstein. Gemäß einer neuen Studie der Hochschulen St. Gallen und Ingolstadt sind pro neu zugelassenem Wirkstoff etwa 6 Mrd. US-Dollar für den gesamten Entwicklungszyklus bis zur Zulassung zu veranschlagen. Das Risiko einer erfolglosen Produktentwicklung von neuartigen Arzneimitteln, Therapieformen oder auch Medizinprodukten können leider auch wir nicht komplett ausschalten, aber wir begleiten Unternehmen auf den einzelnen Schritten und Phasen zu einer erfolgreichen Produktentwicklung und Zulassung. Etwa mit Versicherungslösungen bei klinischen Studien für die vorgeschriebenen Probandenversicherungen. Mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen der Probanden aus den Studien sind dabei sogar verschuldensunabhängig abgesichert und schützen vor teuren Klagen gegen die Sponsoren. Können vielversprechende Ergebnisse aus der Forschung erst einmal in Patente gegossen werden, so kann auch das rechtliche Risiko aus der Verletzung oder unerlaubten Vermarktung eines Wettbewerbers in einer speziellen Patentversicherung abgesichert werden. Nach und mit der Zulassung sind gegebenenfalls neue Pflichtversicherungen gesetzlich vorgeschrieben, wie zum Beispiel eine Haftpflichtversicherung als pharmazeutischer Unternehmer nach dem AMG. Auch Medizin produkthersteller sollten sich nach der CE-Zulassung näher mit einer Produkthaftpflicht- und Rückrufkostendeckung befassen. Wir halten hier mit passenden Lösungen zur jeweiligen Entwicklungsphase unserer Mandanten Schritt.
transkript. Was fragen die Kunden denn am Häufigsten nach? Was für Veränderungen dieser Nachfragen können Sie feststellen?
Eckstein. Forschungs- und Investorengelder in einer frühen Unternehmensphase sind häufige Mittel der Finanzierung von Life-Sciences-Unternehmen. Fehler bei der Beantragung von Zuschüssen und Fördergeldern können hierbei ebenso zur persönlichen Haftungsfalle von Geschäftsleitern werden, wie Unstimmigkeiten mit Gesellschaftern oder Investoren. Auch das Risiko einer Insolvenz ist in der Branche leider nicht unerheblich, wenn die Forschungserfolge ausbleiben. Insolvenzverwalter suchen daher häufig auch nach Fehlern der Geschäftsleiter, sodass eine D&O-Versicherung in diesem Sektor eigentlich unerlässlich ist. D&O bedeutet „Directors & Officers“ – diese Versicherung sichert persönliche Haftungsrisiken der Geschäftsleitung ab, die meist unbegrenzt mit dem Privatvermögen für Pflichtverletzungen ihrer beruflichen Tätigkeit haften. Die D&O zahlt etwa den Rechtsbeistand zur Abwehr von Ansprüchen und befriedigt in begründeten Fällen auch die Schadenersatzpflicht oder einen (außer-)gerichtlichen Vergleich. Wir merken, dass unsere Mandanten mehr und mehr die Details einer D&O- Versicherung auch vor Amtsantritt einer neuen Geschäftsführer- oder Vorstandsrolle hinterfragen. Der Teufel steckt hier im Detail und kann sehr teuer werden.
Mit unserer Erfahrung als spezialisierter Makler haben wir eigene D&O-Konzepte speziell für Life-Sciences-Unternehmen entwickelt, die deutlich mehr Schutz im Vergleich zum Standard bieten und Besonderheiten der Branche reflektieren. Besonders im Bereich klinischer Studien nehmen wir wahr, dass Anfragen kurzfristiger und auch schnelllebiger geworden sind. Das bedeutet auch, sich als Makler agil auf die Anforderungen der Mandanten einzustellen. Kommen neue Studienzentren oder Ethikanträge in weiteren Ländern hinzu, so können wir mit unseren Partnern auch international schnell Lösungen bieten, die den Bedarf konform der dortigen Ethikregelungen entsprechend abbilden und damit kein „Show-Stopper“ des Studienstarts werden. Final sehen wir bei Sponsoren, aber auch CROs eine verstärkte Sensibilität für Risiken aus dem Umgang mit sensiblen (Forschungs-) Daten und den Wunsch, sich auch auf der Versicherungsseite vor Cyber-Kriminalität entsprechend zu schützen.
transkript. Und damit ist das persönliche Haftungsrisiko in den Biotech- und Life-Sciences-Unternehmen geklärt?
Eckstein. Wer sich mit dem Privatver- mögen durch eine besondere Stellung im Unternehmen in ein persönliches Haftungsrisiko begibt, der sollte von seinem Arbeitgeber auch im Rahmen der Für- sorgepflicht eine genannte D&O-Versicherung einfordern dürfen. Eine GmbH – also „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ – wird dabei leider oft missverstanden, da sich nämlich dadurch nicht die Geschäftsführerhaftung automatisch begrenzen lässt. Das gilt auch für Gründer selbst, die meist auch eine Rolle in der Geschäftsleitung inne haben und damit ebenfalls persönlich haften. Die D&O-Versicherung wird also vom Unternehmen eingekauft und auch bezahlt. Letztendliche Nutznießer der Deckung sind jedoch im Kern die versicherten Personen von Geschäftsleitung über Aufsichtsrat, Clinical Advisory Board bis hin zu Health & Safety Officer, Pharmakovigilanz Manager, Stufenplanbeauftragter und weitere Sicherheitsbeauftragte etwa für Strahlenschutz oder Biological Safety, Quality Officer, … deren persönliche Haftung sich aus dem Gesetz oder der Regulatorik ergibt. Darüber hinaus kennt das deutsche Strafrecht bis dato kein Unternehmens-Strafrecht, sodass strafrechtliche Untersuchungen etwa in Folge eines Personenschadens durch die Staatsanwaltschaft immer individuell verfolgt werden. Das Kostenrisiko trägt also die verantwortliche Person ebenfalls selbst, sodass wir ergänzend zur D&O – die im Kern zivilrechtliche Ansprüche und Verfahren verteidigt – auch eine spezielle Straf-Rechtschutzversicherung empfehlen, welche die hohen Stundensätze der Strafrechts-Anwälte übernimmt. Auch diese Lösung, kann das Unternehmen für alle Mitarbeiter zentral einkaufen.
transkript. Und die Vielzahl weiterer Akteure im Life-Sciences-Ökosystem: Patentanwälte, Investoren, Berater, Bauherren des Laborgebäudes, Zulieferer, CROs, CDMOs …?
Eckstein. Tatsächlich hilft es sehr, das Ökosystem Life Sciences mit seinen verschiedenen Stakeholdern zu verstehen. Bei klinischen Studien haben wir etwa regelmäßig Konstellationen, wo wir für eine Probandenversicherung entweder mit dem Biotech-/Pharmaunternehmen direkt oder aber auch über deren CROs oder CDMOs zusammenarbeiten, Bauherren eines Laborgebäudes haben individuellen Bedarf an der Bauherrenhaftpflicht und einer späteren Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht. Auch für die Investoren- und Gesellschafterseite wie Venture Capital haben wir spezielle Konzepte für deren D&O- und Beratungshaftung entwickelt, worin etwa auch Aktivitäten bei den Portfoliounternehmen mitversichert gelten. Im Rahmen eines IPOs sind dann neben den Unternehmen und den leitenden Führungspersonen auch die Gesellschafter als „Selling Shareholder“ mitversicherbar, ebenso wie in Deutschland üblich auch die begleitenden Banken und Schäden verursacht vom Wirtschaftsprüfer. Sie sehen schon, es gibt nicht die „One- fits-all“-Lösung, aber dafür arbeitet man ja auch mit Spezialisten, um eine maßgeschneiderte Beratung und Lösung zu erhalten.
transkript. Volle Absicherung wäre schön, ist aber für Start-ups nicht so einfach finanzierbar, oder?
Eckstein. Absolut. Gerade als Start-up muss man überlegen, wie viel Risiko kann ich mir leisten? Selbst wenn für jedes Unternehmen die Eintrittswahrscheinlichkeit gering sein mag, so sind individuelle Schäden in Millionenhöhe für fast alle Unternehmen existenzbedrohend. Ich bin jedoch kein Fan davon alles zu versichern was möglich ist, denn damit einher gehen natürlich auch die Kosten für diese Versicherungen, welche man insbesondere auch als Start-up effizient managen sollte. Wir beraten daher unsere Mandanten individuell und steigen mit ein in den Risikoprüfungsprozess. Sind die Möglichkeiten eines operativen Risikomanagements erschöpft und lässt sich das Risiko nicht vollständig ausschließen, so gilt es zu verstehen, „wie teuer“ ein derartiges Risiko bei Eintritt werden kann.
transkript. Was bringt es, gut versichert zu sein, und es passiert nichts?
Eckstein. Einige Versicherungen können für Start-ups auch zu einem echten Wertetreiber werden. Da häufig die Patente den größten Teil des Firmenwertes darstellen, kommt eine Patentversicherung in Betracht. So können auch junge Biotechs gegen „Big Pharma“ auf Augenhöhe vor Gericht kämpfen, sollte eine Patentrechtsverletzung durch eine der Parteien im Raum stehen. Auch ein aktives Einklagen der Verletzung eigener IP ist so möglich, ohne das finanzielle Kostenrisiko eines Rechtsstreit fürchten zu müssen.
Gesprächspartner Florian Eckstein ist Gründer und Geschäftsführer der Risk Partners GmbH.
Diese Interview ist der |transkript-Ausgabe 1/2024 entnommen.