Enzym-Schalter, der die Medizin revolutionieren könnte

Forscher der TU Graz entschlüsseln die Funktionsweise eines Proteins, dessen enzymatische Aktivität durch blaues Licht aktiviert wird.

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In der Natur kommen Fotorezeptoren – Proteine, die unterschiedliche Farben und Intensitäten von Licht wahrnehmen – häufig vor, um eine Vielzahl an Funktionen zu regulieren. Regulatorische Proteine spielen eine entscheidende Rolle bei der Anpassung an Umwelteinflüsse, indem sie Lichtimpulse in biologische Signale umwandeln. Auf solchen Proteinen basiert beispielsweise die Fähigkeit von Pflanzen, sich dem Sonnenlicht zuzuwenden. Diese Regelkreise sind natürliche, eigenständige Proteinschalter, die für Anwendungen wie Biosensoren, Diagnosewerkzeuge oder Optogenetik interessant werden könnten. Lichtabhängige Systeme mit echten schalterähnlichen Eigenschaften sind jedoch eher selten. Nun wurde ein Protein gefunden –, das Diguanylat-Zyklase-Protein –, das wie ein Schalter funktioniert. Bei Dunkelheit ist dieses Protein fast vollständig inaktiv. Sobald es aber blauen Anteilen des Tageslichtes ausgesetzt wird, steigt seine enzymatische Aktivität sprunghaft an. Die Funktion dieses effizienten Fotorezeptor-Proteins untersuchten Forscher der Technischen Universität Graz und berichteten darüber in Science Advances.

Das Diguanylat-Zyklase-Protein kommt häufig in Bakterien vor. Um das Protein im Labor zu untersuchen, wurde es gentechnisch hergestellt und seine Struktur mit Röntgenstreuung analysiert. Daraufhin wurde ein 3D-Modell erstellt, mit dessen Hilfe die sich bei Lichteinfall ändernden Strukturen leicht untersuchen ließen. Dabei wurden zwei funktionelle Teile des Proteins unterschieden. Ein Teil ist für die Wahrnehmung von blauem Licht verantwortlich, ein anderer für die eigentliche enzymatische Aktivität – die Katalyse einer chemischen Reaktion. Die Forscher erkannten, dass das Protein, wenn blaues Licht darauf fällt, seine räumliche Struktur verändert. Gleichzeitig breitet sich die kompakte Form aus und hält den enzymatischen Bestandteil in einer inaktiven Form fest. Dadurch werden Bereiche des Proteins, die zuvor voneinander getrennt waren und für die enzymatische Funktion verantwortlich waren, zusammengeführt. Es ist in der Lage, Botenstoffe zu produzieren, die darauf hinweisen, dass sich die Umweltbedingungen ändern und das Bakterium sich entsprechend anpasst. Die enzymatische Aktivität des Proteins bei Belichtung war etwa 10.000-mal höher als bei Dunkelheit. Das ist ein großer Unterschied zu der durchschnittlichen Erhöhung der Lichtrezeptoren, die einen Faktor von fünf bis fünfzig erreichen.

„Das Verständnis des Aktivierungsmechanismus dieses lichtaktivierten Enzymschalters eröffnet Anwendungsmöglichkeiten in verschiedenen Disziplinen“, erläutert Uršula Vide, die Erstautorin der Studie und Doktorandin am Institut für Biochemie an der TU Graz. Diese Kombination aus optischen und genetischen Verfahren könnte beispielsweise genutzt werden, um Vorgänge in Zellen mit Licht ein- und auszuschalten. Solche Ansätze könnten in der Biomedizin als neue Behandlungsmethoden umfangreich eingesetzt werden. Es wäre zum Beispiel von großem Vorteil, lichtaktivierbare Moleküle so konstruieren zu können, dass die Funktion bestimmter Gene oder Proteine gezielt blockiert oder angeregt wird. Medikamente, die an solch einen lichtregulierten Proteinschalter gebunden sind, könnten zu einer bestimmten Zeit in einem begrenzten Bereich des Körpers wirksam sein. Dies würde Nebenwirkungen verringern.

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