Pilze speichern radioaktive Schwermetalle

Viele Speisepilze sind durch den Reaktorunfall in Tschernobyl im Jahr 1986 heute noch radioaktiv belastet. Weniger bekannt ist allerdings, dass Pilze in ihren Fruchtkörpern auch Schwermetalle ansammeln. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) untersuchten das Migrationsverhalten von Radionukliden in der Umwelt. Die Ergebnisse können für die Beurteilung der Gefährdung durch radioaktive Substanzen sowie für Sanierungs- und Gewinnungsverfahren genutzt werden.

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Die Helmholtz-Forscher wollten nun herausfinden, ob Pilze in gleicher Art und Weise mit den Schwermetallen in Wechselwirkung treten wie mit den Radionukliden. Dafür untersuchten sie vier verschiedene Pilzarten auf ihre Wechselwirkung mit Europium, ein Metall der seltenen Erden.

„Die Wechselwirkung von Pilzen mit Europium auf molekularer Ebene ist aus radiotoxikologischer Sicht aktuell besonders interessant, da dieses Seltenerd-Element ein Analogon der dreiwertigen Actinoide Americium und Curium ist, wobei insbesondere Americium zukünftig für eine hohe Radiotoxizität in Tschernobyl verantwortlich sein wird“, erläutert Dr. Alix Günther vom Institut für Ressourcenökologie am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR).

Das bei der Explosion freigesetzte Plutonium-241 zerfällt in Americium-241. Dessen Gehalt steigt weiter an, bis er in 70 bis 80 Jahren seinen Höchstwert erreicht.

„Das Seltenerd-Metall Europium ist wichtiger Bestandteil einer Vielzahl von Hightech-Produkten. Während der Gewinnung oder auch durch eine unsachgemäße Entsorgung ist es möglich, dass Europium in die Umwelt freigesetzt wird. Als Analogon zum Calcium kann Europium den Zellstoffwechsel im menschlichen Körper empfindlich stören“, erklärt Dr. Johannes Raff, einer der an der Studie beteiligten Wissenschaftler des Instituts.

Die Wissenschaftler setzten verschiedene Pilzarten dem Metall Europium aus. Bei den untersuchten Pilzen handelte es sich um den Gemeinen Spaltblättling (Schizophyllum commune), den Austern-Seitling (Pleurotus ostreatus), den Getigerten Sägeblättling (Lentinus tigrinus) und den Rosablättrigen Egerlingsschirmling (Leucoagaricus naucinus). Aus früheren Analysen mit den Elementen Caesium, Strontium und Uran wussten die Forscher bereits, dass der Spaltblättling große Mengen Uran aufnehmen kann. Mit Hilfe technischer Methoden wie Spektroskopie und Mikroskopie entdeckten die Wissenschaftler, dass die Pilzarten das Schwermetall über ihr feines unterirdisches Wurzelsystem, das Myzel, aufnehmen und es an verschiedenen Stellen in der Zelle anreichern.

Der Spaltblättling kann bis zu viermal mehr Europium binden als die anderen Pilzarten und bildet unlösliche europiumhaltige Niederschläge auf der Außenseite der Zellwand. Der Rosablättrige Egerlingsschirmling bindet nur geringe Mengen Europium und verteilt diese fein in der Zelle.

Die Wissenschaftler sehen für ihre Erkenntnisse ein breites Anwendungsspektrum: Schwermetall-belastete Flächen könnten landwirtschaftlich wieder nutzbar gemacht werden, da Pilze sehr alt werden können, so dass die radioaktiven Stoffe zum Teil bis zu ihrem Zerfall gespeichert werden können. Dies könnte man sich für die Strahlenschutzvorsorge zunutze machen und für die Sanierung kontaminierter Böden. Auch die Reinigung von belastetem Wasser ist denkbar. Die Pilze könnten als Trägermaterialien in Reinigungssäulen eingesetzt werden.

Ihre Ergebnisse veröffentlichte die Forschungsgruppe im Fachmagazin Science of The Total Environment.

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