TUM, Foto Gisela Olias/Leibniz-LSB

Bitter heißt nicht unbedingt giftig

Normalerweise warnt ein bitterer Geschmack vor unbekömmlichen oder sogar giftigen Substanzen, aber nicht alle Bitterstoffe sind tatsächlich schädlich. Eine neue Studie am Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie hat sich mit dem Thema beschäftigt, und bietet eine Erklärung.

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Der Geschmackssinn kann vor Vergiftung schützen, denn bittere Substanzen können giftig sein. Aber auch einige Peptide und freie Aminosäuren schmecken bitter, obwohl sie für den Menschen ungiftig, nahrhaft und teilweise sogar lebensnotwendig sind. Das Forscherteam um Maik Behrens, Leiter der Arbeitsgruppe Taste & Odor Systems Reception am Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie in Freising, hat sich mit dem Thema beschäftigt und seine Ergebnisse publiziert.

Die Wissenschaftler entdeckten mit Hilfe eines zellulären Testsystems, dass 5 der etwa 25 menschlichen Bitterrezeptortypen sowohl auf freie Aminosäuren und Peptide als auch auf körpereigene Gallensäuren reagieren. Erstere entstehen bei der Spaltung von Proteinen und sind reichlich in fermentierten Lebensmitteln wie Frischkäse oder auch Proteinshakes enthalten. Gallensäuren spielen dagegen als Nahrungsbestandteil so gut wie keine Rolle, sondern erfüllen im Körper eigene Funktionen. Sie kämen daher als Aktivatoren endogener Bitterrezeptoren in Frage, die zum Beispiel auf Darm- und Blutzellen sitzen.

„Interessanterweise zeigen unsere Modellierungsexperimente, dass ein bestimmtes bitter schmeckendes Peptid innerhalb der Rezeptorbindungstasche eine funktionell aktive 3D-Form annehmen kann, die der von Gallensäuren ähnelt. Diese zufällige Ähnlichkeit könnte erklären, warum die gleiche Gruppe von Bitterrezeptoren auf beide Stoffgruppen reagiert“, erläuterte Bioinformatikerin Antonella Di Pizio. Erstautorin Silvia Schäfer ergänzte: „Unsere Genanalysen zeigen darüber hinaus, dass die Fähigkeit, sowohl Gallensäuren als auch Peptide zu erkennen, bei drei der Bitterrezeptortypen hoch konserviert ist und sich bis zu den Amphibien zurückverfolgen lässt. Dies weist wiederum darauf hin, dass mindestens das Erkennen einer der zwei Stoffgruppen speziesübergreifend wichtig ist.“

„Gallensäuren und Bitterrezeptoren existierten bereits Millionen Jahre vor den typischen Bitterstoffen der heutigen Blütenpflanzen und lange vor dem Menschen – etwa in Fischen. Das stützt die Hypothese, dass Bitterrezeptoren ursprünglich auch wichtige physiologische Prozesse regulierten und nicht nur vor giftigen Substanzen warnten“, erklärte Studienleiter Maik Behrens. „Diese Erkenntnisse geben neue Einblicke in die komplexen Systeme der Geschmackswahrnehmung und deuten darauf hin, dass Bitterrezeptoren zusätzliche, noch unbekannte Rollen für die menschliche Gesundheit spielen, die über ihre Funktion bei der Lebensmittelauswahl hinausgehen.“

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