C. Wiesner

Screening nach Krebstriggern

Österrreichischen Biotechnologen ist es gelungen, mesenchymale Stammzellen mit lichtaktivierbaren Rezeptorproteinen auszustatten, um neue Darmkrebstargets in der Tumormikroumgebung zu screenen.

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Darmkrebs entsteht nicht durch Veränderungen der Darmkrebszellen selbst, sondern durch immunologische Signale in den Zellen, die den Tumor umgeben. Eine Schlüsselrolle wird dabei den zehn humanen Toll-like-Rezeptoren, kurz TLRs, in dieser Tumormikroumgebung (TME) zugesprochen. Je nach deren Aktivierungszustand können TLRs Heterodimere bilden, die das Tumorwachstum bremsen oder ein biochemisches Millieu im TME schaffen, das die Tumorproliferation fördert und die Tumorzellen resistent gegen den programmierten Zelltod (Apoptose) macht. Ein Team von Biotechnologen um Gruppenleiter Prof. Dr. Christoph Wiesner und Postdoc Dr. Anna Stierschneider hat nun ein wichtiges optogenetisches Werkzeug entwickelt, mit dem sich die Faktoren identifizieren lassen könnten, die zur Aktivierung oder Hemmung von Darmkrebsstammzellen beitragen:  mesenchymale Stromazellen mit photoaktivierbaren TLRs, die – eingeschleust in das Darmkrebs-TME – genutzt werden können, um Moleküle zu screenen, die die Tumorproliferation initiieren. Das meldete das IMC Krems Mitte August. Allerdings geht die Bedeutung weit über die Erforschung von Darmkrebs hinaus und erstreckt sich über alle Entzündungsprozesse, die durch TLRs gesteuert werden.

Konkret hat die Gruppe um Wiesner unlängst mesenchymale Stammzelllinien (MSCs) erzeugt, deren TLRs optogenetisch so verändert sind, dass sie durch blaues Licht aktiviert werden – sie wurden dazu mit einem blaulichtempfindlichen Algenprotein fusioniert. Eingeschleust in Zielgewebe oder -organoide lassen sich mit den MSCs die Wirkung verschiedenster TLRs räumlich und zeitlich präzise im Darmkrebs-TME unter physiologischen Bedingungen validieren und Krankheitsmodelle generieren sowie neue Targets screenen. Bisher übliche Methoden zur Untersuchung von Rezeptor-Signalwegen beruhen auf der genetischen Manipulation des jeweiligen Rezeptors oder der Behandlung mit natürlichen Aktivatoren. Diese führen jedoch häufig zu irreversiblen Veränderungen in den Zellen.

„MSCs sind im Körper in zwei verschiedenen Zuständen (MSC1 und MSC2) vorhanden“, erklärt Wiesner, „die sich in ihren Funktionen unterscheiden: Die MSC1-Zellen wirken pro-inflammatorisch und unterstützen damit das Immunsystem bei der Abwehr von Infektionen und der Bekämpfung von Tumoren. Die anti-inflammatorischen MSC2-Zellen hingegen dämpfen Entzündungsreaktionen im Körper und sind daher nützlich bei chronischen Entzündungen, Autoimmunerkrankungen oder zur Förderung der Gewebereparatur nach Verletzungen.“ Mit den optogenetisch manipulierten MSCs lassen sich erstmals die Mechanismen, die zur Ausprägung der beiden MSCs-Formen führen, verstehen.

Im aktuell noch bis Ende 2026 laufenden ESPRIT-Projekt etablierte Stierschneider 0,2-0,5 mm große, physiologisch relevante heterotypische 3D-Zellmodelle in vitro. Dabei wurden die optogenetisch aktivierbaren MSCs in heterotypische Darmkrebszellen (kolorektales Adenokarzinom) integriert, auf 96 well-Platten kultiviert und auf antikanzerogene Moleküle getestet. Erste Experimente seien vielversprechend, so die Biotechnologin. Prinzipiell lassen sich die MSCs aber auch in verschiedene Zellen der Tumormikroumgebung integrieren.

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