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Neuer Ansatz gegen problematische Erreger

Eine neuartige Klasse von Antibiotika ist gegen das Bakterium Neisseria gonorrhoeae gerichtet. Der ungewöhnliche Wirkmechanismus könnte auch gegen andere multiresistente Problemkeime helfen.

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Auf der Bacterial Priority Pathogens List der WHO stehen 15 Arten von antibiotikaresistenten und somit besonders problematischen Infektionserregern – unter anderem Neisseria gonorrhoeae. Der Erreger der Geschlechtskrankheit Tripper (Gonorrhö) ist jährlich für mehr als 80 Millionen Neuinfektionen weltweit verantwortlich. Im Kampf gegen dieses globale Gesundheitsproblem konnten Wissenschaftler um Christof Hauck von der Universität Konstanz und Thomas Böttcher von der Universität Wien nun eine hochwirksame Substanz mit einem völlig neuen Wirkmechanismus identifizieren. Diese löst einen Selbstzerstörungsprozess aus und tötet selbst multiresistente Erreger ab, wie die in Nature Microbiology veröffentlichten Ergebnisse zeigen.

Gonokokken wie N. gonorrhoeae kommen nur beim Menschen vor, wo sie die Schleimhäute des Genitaltrakts befallen. Sie lassen sich leicht übertragen und können Resistenzgene austauschen. „Nicht zuletzt deshalb sind in den letzten Jahren Gonokokken-Stämme aufgetaucht, die gegen alle bislang verwendeten Antibiotika resistent sind – solche superbugs sind mit Antibiotika nicht mehr zu behandeln“, erklärt der Chemiker Böttcher.

Bakterien wehren sich mit Verbindungen wie Alkyl-Quinolonen gegen andere Mikroben. Indem es solche Naturstoffe synthetisch produzierte und leicht abänderte, fand das Team neue Wirkstoffe, die selbst gegen multiresistente Gonokokken wirken. Eine Substanz, NQNO, war dazu in der Lage, ohne andere Bakterien oder menschliche Zellen negativ zu beeinflussen. Durch chemische Modifikation zu 3-Methyl-NQNO konnte ein noch wirksamerer Wirkstoff gewonnen werden.

Der Mechanismus hinter der verblüffend spezifischen Wirkung ließ sich schließlich mit einem interdisziplinären Forschungsansatz aus synthetischer Chemie, genetischen und biochemischen Analysen sowie präklinischen Tiermodellen aufklären. Wie die Studie zeigt, richtet sich das neue Antibiotikum gegen einen Schwachpunkt der Gonokokken, indem es ein bereits vorhandenes Programm zur Selbstzerstörung aktiviert: Durch den Abbau des Epsilon1-Antitoxins durch NQNO wird der Zeta1-Toxin-Teil freigesetzt und tötet die Bakterien ab. NQNO unterbricht auf diese Weise die Atmungskette und die Produktion von ATP und NAPDH und löst dadurch oxidativen Stress aus.

Da das untersuchte Zeta1-Epsilon1-Toxin-Antitoxin-System fast ausschließlich bei Gonokokken vorkommt, bleiben andere Bakterien verschont. Ähnliche Systeme finden sich jedoch auch bei problematischen Erregern wie Mycobacterium tuberculosis, Staphylococcus aureus oder Pseudomonas aeruginosa, so dass sich der Ansatz in angepasster Form dort anwenden ließe. Der Wirkstoff NQNO könnte der Startpunkt für weitere Modifikationen sein, um das Wirkungsspektrum noch zu erweitern. „Somit eröffnen die gerade publizierten Erkenntnisse einen neuen und innovativen Weg, wie Problemkeimen begegnet werden kann, bevor unsere Möglichkeiten zur antibiotischen Behandlung ausgeschöpft sind“, so der Zellbiologe Hauck.

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