Forschung für die Praxis

Am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig werden innovative zell- und gentherapeutische Technologien erforscht und praxistauglich entwickelt, so dass vielversprechende Ansätze in klinischen Studien erprobt werden können.

ANZEIGE

Zell- und Gentherapien haben das ­Potential, bisher unheilbare Krankheiten erfolgreich zu therapieren. Das Fraunhofer IZI in Leipzig macht diese therapeutischen Ansätze praxistauglich und bereitet sie für die klinische Anwendung vor.

Die Kompetenzen des Instituts umfassen Forschung und Entwicklung, präklinische Evaluierung sowie die Good Manufacturing Practice (GMP)-konforme Prozessentwicklung und -optimierung. Danach werden klinische Prüfmuster hergestellt und Produkte über alle Phasen der klinischen Forschung hinweg bis zur Zulassung begleitet.

Das Institut betreibt Reinraumanlagen sowie Qualitätskontroll-Labore und verfügt über umfassende Erfahrung bei Zulassungsverfahren und der Erlangung von Herstellungsgenehmigungen. So wurden bereits mehr als 3.500 Prüfmuster, davon über 500 CAR-T-Zellprodukte, hergestellt und an Studienzentren weltweit ausgeliefert.

Expertise aus Leipzig
Gemeinsam mit klinischen und Industrie-Partnern werden am Fraunhofer IZI zudem neue Technologien zur Modifikation von Immunzellen (viral/nicht-viral) sowie alternative Effektorzellen wie NK-Zellen und Makrophagen untersucht und geprüft.

RNA-basierte Therapien
Durch die Verwendung von mRNA-Molekülen können gezielt genetische Anweisungen in Zellen eingeführt werden, um die Produktion spezifischer Proteine zu steuern. Dies eröffnet vielversprechende Möglichkeiten, um Krankheiten mittels mRNA zu behandeln. Der Einsatz von mRNA in der Zelltherapie hat großes Potential in der Immunonkologie. Dabei wird durch das Einbringen von mRNA in die Immunzellen das körpereigene Immunsystem von Patienten dazu stimuliert, maligne Krebszellen zu zerstören.

Die mRNA kodiert dabei zum Beispiel für einen chimären Antigenrezeptor (CAR), der als Oberflächenanker auf die Immunzellen gebracht wird und nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip gezielt Oberflächenstrukturen auf den Krebszellen erkennt. Durch die Wiedererkennung und Vernetzung von Krebs- und Immunzellen kann die Krebszelle dann abgetötet werden. Obwohl die mRNA-Technologie für die CAR-Immunzelltherapie noch in den Anfängen steckt, verbinden sich große Hoffnungen mit dem neuen Ansatz: mRNAs könnten eine neue Ära der Präzisionsmedizin einläuten. Die größten Herausforderungen sind hierbei die Stabilität von mRNA und deren effiziente Freisetzung in verschiedenen Immunzelltypen, wie zum Beispiel T-Zellen und NK-Zellen.

Natürliche Killerzellen
Alle bisherigen gegen Krebs zugelassenen Zelltherapien basieren auf einer Herstellung aus den T-Zellen betroffener Patienten. Doch diese Methode ist nicht nur mit hohen Kosten und erheblichem Zeitaufwand verbunden. Es besteht auch ein erhöhtes Risiko für ein Fehlschlagen der Herstellung, da die Qualität der CAR-T-Zellen vom Zustand der T-Zellen im Blut des Krebspatienten abhängt. Die T-Zellen können aber beispielsweise durch Medikamente, die im Rahmen der Krebstherapie eingesetzt werden, in ihrer Aktivität gestört werden.

Bei der Entwicklung neuer Zelltherapeutika fokussiert sich die Forschung deshalbauch auf andere Immunzelltypen, die von gesunden Spendern gewonnen und zur Behandlung von mehrerer Patienten genutzt werden können. Bei diesen allogenen Zelltherapien sind NK-Zellen von besonderem Interesse, da diese Immunzellen sicher und ohne schwere Nebenwirkungen zwischen verschiedenen Personen transplantiert werden können. Dementsprechend können NK-Zellprodukte aus dem Blut eines einzelnen Spenders in großem Maßstab hergestellt, eingefroren und für viele Patienten zugänglich gemacht werden. Damit würden sich die Kosten dramatisch verringern, die Produkte wären für Patienten schneller verfügbar, und die Produktqualität wäre vereinheitlicht.

CAR-NK-Zelltherapien
Auch NK-Zellen können – wie T-Zellen – mit CARs modifiziert werden, um Tumor­zellen spezifisch zu erkennen und abzutöten. Eine erste klinische Studie mit CAR-NK-Zellen in den USA zeigte vielversprechende Ergebnisse bei Leukämie-Patienten. [1] So können NK-Zell-basierte Heilungsansätze effektiv mit anderen Therapieformen, beispielsweise Antikörper-basierten Therapien, kombiniert werden, um noch effizienter gegen die Krebszellen vorzugehen.

Trotz des großen Potentials dieser allogenen Zellprodukte sind weitere Forschung und klinische Studien notwendig, um deren Sicherheit und Langzeitwirksamkeit zu bestätigen. Zudem sind allogene CAR-NK-Zellen nach der Transplantation weniger langlebig als autologe CAR-T-Zellen. Zudem vermehren sie sich weniger stark und lösen eine schwächere Entzündungsreaktion aus als T-Zellen, was sich zur Bekämpfung von Tumoren nachteilig auswirken könnte.

Effektiver therapieren
Deshalb müssen neue Mechanismen entwickelt werden, um die Wirkung der Zelltherapien weiter zu verstärken. Außerdem existieren aktuell keine zugelassenen Zelltherapien, um Patienten behandeln zu können, die beispielsweise an Lungenkrebs oder Darmkrebs leiden. Dementsprechend liegt ein Forschungsschwerpunkt am Fraunhofer IZI in der Etablierung von CAR-NK-Zellen gegen weitere Krebsarten sowie in der Verstärkung des Wirkungsgrades dieser Zellen.
So werden beispielsweise NK-Zellen durch neue CAR-Konstrukte und zusätzliche gentechnische Verfahren langlebiger, resistenter und tumorreaktiver gemacht.

Chancen von AAV
Auch Patienten mit schweren Erbkrankheiten können von neuen gentherapeutischen Medikamenten profitieren. So lassen sich beispielsweise erblich bedingte Blindheit, Muskeldystrophie und Hämophilie mit Gentherapien behandeln, die auf Adeno-assoziierten-Viren (AAV) basieren. Diese Viren sind keine Krankheitserreger, sondern ersetzen defekte menschliche Gene durch den Transport gesunder Gene.
Rund 7.000 Erbkrankheiten könnten potentiell durch die Anwendung von AAV therapiert werden. Doch obwohl die Nutzung von AAV zu den bisher erfolgreichsten und sichersten Gentherapiemethoden zählt, sind in Europa bisher erst fünf AAV-basierte Medikamente zugelassen (Luxturna®, Zolgensma®, Upstaza®, Roctavian®, Hemgenix®). Die Herstellung notwendiger Prüfpräparate ist extrem anspruchsvoll – und die Ressourcen dafür sind sehr begrenzt. Im Fraunhofer IZI wird deshalb eine neue Reinraumanlage zur GMP-gerechten Herstellung von AAV-basierten Gentherapien errichtet.

SaxoCell: im Verbund stärker
Eine exzellente Forschungsinfrastruktur, fundierte Forschungs- und Entwicklungsbasis, Expertise in der Prozessentwicklung und über zehn Jahre Erfahrung bei der pharmazeutischen Herstellung von Zell- und Gentherapeutika machen das Fraunhofer IZI in Leipzig zu einem zentralen Ansprechpartner in der Zell- und Gentherapieentwicklung. Die enge ­Kooperation des Instituts mit den Universitätskliniken Leipzig und Dresden sowie dem Klinikum Chemnitz gewährleistet den nahtlosen Transfer in die klinische Praxis. Aufgrund dieser Kompetenzen spielt das Fraunhofer IZI eine wichtige Rolle innerhalb des Innovationsclusters SaxoCell. Dieser Zusammenschluss sächsischer Forschungsinstitute, Krankenhäuser und Industriepartner möchte sicherere, wirksamere und erschwinglichere Therapien bereitstellen, um das Leben von Patienten nachhaltig zu verbessern.

Das Fraunhofer IZI und das Universitätsklinikum Leipzig organisieren gemeinsam die jährliche Leipzig Immune ONcology Conference LION (www.lion-conference.com). Interessierte Leser sind dazu am 8./9. November 2023 herzlich eingeladen.

Dieser Beitrag wurde |transkript 3/2023 entnommen.

SIE MÖCHTEN KEINE INFORMATION VERPASSEN?

Abonnieren Sie hier unseren Newsletter