Hinter den Kulissen: Genesis von Teva in Ulm

Ein Blick hinter die Kulissen des süddeutschen Biopharma-Clusters, der sich zu einem Schwerpunkt der biopharmazeutischen Produktion in Deutschland entwickelt hat. Erste Station: Teva in Ulm.

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Die Information, dass Teva für seine biopharmazeutischen Produktionsprozesse eine Kühltemperatur von -40° C als Regelhandhabung anwendet, ließ die Reisegruppe erwartungsvoll auf die Besichtigung des neuen Produktionsgebäudes Genesis blicken. Denn an einem der bisher heißesten Tage des Jahres waren die sonstigen klimatischen Bedingungen auch ohne hektische Betriebsamkeit eher schweißtreibend. Überhaupt: hektische Betriebsamkeit. Die wird bei Teva für die biopharmazeutische Produktion im riesigen schwarzen Genesis-Kubus noch ein wenig auf sich warten lassen, denn nach dem offiziellen Abschluss der Bauarbeiten wird zwar im Herbst der erste Probelauf stattfinden, doch dann steht ein mehrmonatiger Probebetrieb an, bei dem das zuständige Regierungspräsidium Tübingen diverse Abnahmen einzelner Produktionsschritte und -verfahren durchführen muss. „Realistischerweise gehen wir von einem ersten kommerziellen Betrieb im Jahr 2026 aus“, so Stefan Fügenschuh (kleines Foto), Leiter der biopharmazeutischen Produktion von Teva am Standort Ulm.

In Ulm wird seit 2004 biopharmazeutisch produziert. Die ehemalige Merckle Biotech GmbH, eine Tochter des unter der Marke Ratiopharm bekannten Generikaherstellers, wurde mit der Übernahme durch den israelischen Teva-Konzern im Jahr 2010 zur tragenden Säule des Biosimilar-Geschäfts und hat seit ihrer Gründung sieben biotechnologische Arzneimittel auf den Markt gebracht, drei davon in den USA. Diese Produkte stehen für einen Milliardenumsatz, der rund 20 Prozent des Gesamtumsatzes des Generikaherstellers Teva ausmacht.

So war es wohl eine öko(nomisch)-logische Entscheidung, den Bereich Biopharma weiter ausbauen zu wollen und seit 2015 eine neue Produktionsanlage zu planen, die – mit all dem vor Ort vorhandenen Know-how – in Ulm angesiedelt werden sollte. 2017 erfolgte der erste Spatenstich und eigentlich wollte man ein paar Jahre später die Einweihung feiern und mit der Produktion beginnen, doch dann machte die Pandemie einen Strich durch die Rechnung. In der Folge kam es nicht nur zu einer Bauverzögerung, sondern auch zu einer deutlichen Kostensteigerung, die inzwischen bei über einer Milliarde Euro liegen soll.

Die technische Dimension des komplexen Bauwerks und die Herausforderungen an die Bauplanung wurden bei der Besichtigung deutlich. Um eine platzsparende Versorgung der verschiedenen Produktionseinheiten in dem achtstöckigen Gebäude zu gewährleisten, haben die Planer (unter anderem unterstützt vom auf Bau und Immobilien spezialisierten Beratungsunternehmen Drees & Sommer) einen „Zentralschaft“ konzipiert, der den Kubus durchzieht und vollgepackt ist mit Leitungen, Rohren, Kabeln und Lüftungseinrichtungen. So kann eine kontinuierliche Medienversorgung sowohl für den Anreicherungstrakt der Zellkulturzucht (Upstream) als auch für die Filterung und Aufreinigung des gewünschten Proteins (Downstream) sichergestellt werden, ohne dass die Mitarbeiter ständig durch diverse Sicherheitsschleusen laufen müssen. Denn Reinheit und Keimfreiheit sind oberstes Gebot und müssen auch in den edelstahlgeführten Ver- und Entsorgungsleitungen ständig kontrollierbar sein.

Das geschieht weitgehend automatisch, wodurch sich das riesige Gebäude insgesamt fast menschenleer präsentiert. Das mag vor der offiziellen Inbetriebnahme noch den Umständen geschuldet sein, aber auch während des Betriebs, so die Teva-Führungsmannschaft beim Rundgang, werden wohl nur jeweils etwa 20 Personen im vor- und nachgelagerten Bereich direkt rings um die Fermenter tätig sein. Insgesamt sollen im gesamten Genesis-Kubus einmal rund 150 Mitarbeiter beschäftigt sein. Zusammen mit dem bisherigen biotechnologischen Produktionsgebäude, das auf Einwegreaktoren umgestellt wurde, werden dann in Ulm einmal knapp 400 Mitarbeiter in der biopharmazeutischen Produktion arbeiten, um die vier 5.000 Liter- und zwei 15.000 Liter-Edelstahlfermenter und die gesamte dafür notwendige Analyse- und Regeltechnik am Laufen zu halten.

Gut 200 verschiedene Gewerke und technische Dienstleister mussten in der Bauphase koordiniert werden, deutlich über 1.000 Arbeiter fanden sich täglich an unterschiedlichen Ecken des imposanten Bauwerkes ein und ließen es in die Höhe wachsen. Der Bau und seine technischen Eingeweide soll auch als Blaupause dienen für weitere Produktionsstätten, die Teva weltweit plant, beispielsweise in den USA. Auf Nachfrage, ob Teva wohl heute noch einmal eine solche großvolumige Investitionsentscheidung für den Standort Deutschland treffen würde, äußerte Fügenschuh Zweifel. Dies vor allem deshalb, weil sich insgesamt die Rahmenbedingungen für die Herstellung immer komplizierter gestalteten (Stichwort: lange Genehmigungs- und Abnahmeverfahren), aber auch die neuen gesetzlichen Vorgaben für Biopharmazeutika (Stichwort: automatische Substitution) im Bereich der Biosimilars kein gutes Argument mehr für den Standort seien. Hier müsse die Politik nicht nur die Mikroelektronik mit hochsubventionierten Ansiedlungen in den Blick nehmen, sondern auch die ebenso ingenieurslastige Hightech-Branche der Biopharmaproduktion – auch im Hinblick auf die europäische Versorgungsicherheit.

Hier die Fortsetzung der Klein-Serie mit einem Einblick zu Neubauten und Planungen bei Boehringer Ingelheim in Biberach.

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