Hinter den Kulissen 2: Neues Zeitalter bei Boehringer Ingelheim

Ein Blick hinter die Kulissen des süddeutschen Biopharma-Clusters, der sich zu einem Schwerpunkt der biopharmazeutischen Produktion in Deutschland entwickelt hat. Zweite Station: Boehringer Ingelheim in Biberach

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Auf einer kurzen Rundreise zu den Biopharma-Standorten südlich der Donau war die zweite Station nach Teva (Ulm) der Forschungs- und Produktionsstandort von Boehringer Ingelheim in Biberach an der Riss.

Hier findet sich der mit gut 7.300 Beschäftigten größte Biopharma-Standort von Boehringer Ingelheim. Neuestes Highlight ist dabei ein großvolumiges „Biologicals Development Center“ (BDC), das nun firmenintern als europaweit größtes Entwicklungszentrum für biopharmazeutische Wirkstoffe gilt, und dessen Konzeptionierung und Bau unter anderem vom auf Bau und Immobilien spezialisierten Beratungsunternehmen Drees & Sommer unterstützt wurde.

Mit acht Stockwerken und fast 35.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche überragt das Gebäude die zahlreichen anderen Komplexe auf dem fast 90 Fußballfelder großen Gesamtareal des weltweit tätigen Pharmaunternehmens in Privatbesitz und zur Eröffnung im April zeigte sich auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann. In das BDC selbst investierte das Unternehmen rund 350 Mio. Euro, um erstmals verschiedene Aufgabenbereiche der frühen Wirkstoffentwicklung räumlich zusammenzuführen. Diese räumliche Zusammenführung von biologischer Analytik, Prozessentwicklung und Arzneimittelherstellung für klinische Studien wurde von den Unternehmensvertretern als etwas ganz Besonderes hervorgehoben. Dr. Fridtjof Traulsen, Leiter des Standortes Biberach (kleines Foto), sprach sogar von einem „Befreiungsschlag“, da die oft sequenziell angelegten Schritte in der für die weitere Bearbeitung eines Wirkstoffkandidaten entscheidenden frühen Entwicklung hier erstmals parallel und eng verzahnt stattfinden könnten. Auch für Dr. Ralf Schumacher, Entwicklungsleiter Biologics in Biberach und Head Global Development Biologicals bei Boehringer Ingelheim, ist das BDC der „Aufbruch in eine neue Ära“.

Architektonisch ist die Zusammenarbeit der Forscher im BDC so gelöst, dass sich die eigentlichen Labore mit ihrer hochreinen Arbeitsatmosphäre auf allen Etagen im Inneren des quadratischen Komplexes befinden, während ein umlaufender Gang den Blick über das Gelände freigibt, aber auch die gar nicht sterilen Co-Working-Büroeinheiten für den kreativen Austausch, den Power-Nap oder die Gemeinschaftsküche erschließt. Abgetrennt durch viele Schleusen liegt auch der Produktionsraum für kleinere Mengen biologischer Wirkstoffe, die für klinische Studien bestimmt sind, aber deshalb nur in hochsteriler Umgebung produziert und abgefüllt werden dürfen.

Über 500 neue Arbeitsplätze sind im BDC bei Boehringer Ingelheim in Biberach entstanden. Doch wie bei Teva in Ulm schwingt auch bei diesem Unternehmensgespräch mit, dass es in Deutschland schwieriger geworden ist, die Vorstandsetage für solche Investitionen zu begeistern. 2018, als mit dem Bau begonnen wurde und gerade in der Pandemiewelle, hätten die politischen Entscheidungen eine gute Basis für diese Investition geboten. Dies hat sich im vergangenen Jahr mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz aus Sicht des Unternehmens drastisch geändert, eine politische Umkehr dieser neuen Regelungen sei nicht absehbar. Entscheidungen für Großinvestitionen werden daher bei Boehringer Ingelheim derzeit eher für den Standort Österreich getroffen, wo der Standort Wien zu einem „Biberach 2.0“ ausgebaut werden soll sowie Produktionskapazitäten im großen Stile in Niederösterreich errichtet werden.

Biberach werde aber immer der Standort bleiben, an dem die Wirkstoffe den letzten Schritt zur „Marktreife“ und zum Patienten machen, so die Standortvertreter. Ralf Schumacher bleibt trotz aller Klagen über die Standortbedingungen optimistisch: „Beim Engineering biologischer Moleküle sind wir noch lange nicht am Ende, sei es bei den vielfältigen Modifikationen von Antikörpern oder Antikörperfragmenten, aber auch bei neuen Modalitäten.“ Für diese neue Ära der medizinischen Biotechnologie schaffe das BDC ein neues Innovationszentrum innerhalb der Boehringer-Welt, das neue Kreativität freisetzen werde.

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