Plausibilität oder Zweifel?

In Kürze wird die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer­ G 2/21 zur Frage der Plausibilität der Erfindung ergehen. Für einen Schutz auf den wichtigsten Märkten sollten sich ­Anmelder, insbesondere KMUs, besser nicht auf diese Entscheidung als ­Patentlösung verlassen.

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Das Schicksal der allermeisten Patentanmeldungen als auch der erteilten Patente entscheidet sich an dem Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit (zum Beispiel Art. 56 EPÜ; 35 USC §103). Das entscheidende Fundament für eine erfolgreiche Patentierungsstrategie wird mit der Abfassung der Patentanmeldung gelegt.

Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) wurde – vereinfacht gesagt – befragt, ob der technische Effekt, der dem zu schützenden erfinderischen Konzept zugrundegelegt wird, bereits in einer Patentanmeldung plausibel nachgewiesen werden muss oder ob es reicht, wenn man diesen Effekt mittels später veröffentlichter Daten belegt. Die Diskussion bei der mündlichen Verhandlung sowie die vorläufige Meinung der Kammer deuten darauf hin, dass kein strenger Maßstab angelegt wird. Das heißt, dass der für die Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit entscheidende technische Effekt nicht grundsätzlich in der Anmeldung gezeigt werden muss. Vielmehr könnte es ausreichen, dass sich für einen Fachmann zum Zeitpunkt der Anmeldung keine erheblichen Zweifel beim Lesen der Anmeldung ergeben. Ein solcher Maßstab wird sicherlich sehr unterschiedlich von den betroffenen Interessengruppen – wie Generikaindustrie und forschende Arzneimittelunternehmen – beurteilt werden. Wie auch immer die Entscheidung G 2/21 und ihre Umsetzung in der Praxis des EPA im Einzelnen aussehen wird, die Patentpraxis in den USA und Asien unterscheidet sich trotz aller internationaler Harmonisierung, da dort andere Standards als beim EPA angelegt werden.

Anforderungen in USA/Asien

Traditionell legen beispielsweise die Prüfer des japanischen Patentamts bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit (sehr) großes Gewicht auf die tatsächlichen Ausführungsbeispiele. In den USA verlangt das Written Description Requirement (35 USC §112(a)) zusätzlich, dass die ursprüngliche Offenbarung der Erfindung für den Fachmann eindeutig erkennen lässt, dass der Anmelder am Anmeldetag tatsächlich das erfunden hat, was er später beansprucht. Gerade im Bereich Biotechnologie und Pharma kann ein Mangel unter diesem Erfordernis die Durchsetzung eines Patents im Verletzungsprozess erschweren oder verhindern.

Take-Home Message
Angesichts der strengen Anforderungen an die Offenbarung etwa in den USA und Asien sollte eine Anmeldung idealerweise ein Proof of Concept für alle wichtigen Aspekte der Erfindung enthalten, selbst wenn die Entscheidung G 2/21 keinen strengen Maßstab setzt. „Smart drafting“ zielt auf die Aufnahme von wichtigen Daten und das Einreichen vor den Wettbewerbern.

Dieser Beitrag erschien in |transkript 1/2023.

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