BVMA-Symposium: Klinische Forschung neu denken
Die Zahl der klinischen Studien hierzuland stagniert. Deutschland ist im internationalen Ranking zurückgefallen und wurde von europäischen Nachbarländern überholt: genug Gesprächs- und Diskussionsstoff für das 31. BVMA-Symposium Ende November in München. Dass der klinische Studienstandort Deutschland unter Druck steht, wie der Vorstandsvorsitzende Martin Krauss in seiner Eröffnungsrede andeutete, zeigte sich im großen Zuspruch der über 300 Teilnehmer.
Dass rund 330 Teilnehmer das BVMA-Symposium Ende November in München besuchten, mag daran liegen, dass der klinische Studienstandort Deutschland unter Druck steht, wie der Vorstandsvorsitzende Martin Krauss in seiner Eröffnungsrede andeutete. Tatsächlich stagniert die Zahl der klinischen Studien hierzulande, im internationalen Ranking ist Deutschland zurückgefallen und wurde von europäischen Nachbarländern überholt. Zwei Dinge wurden genannt, die Abhilfe schaffen könnten: Eine schnellere Vertragsgestaltung und eine höhere Akzeptanz, die zu einer stärkeren Beteiligung an klinischen Studien in Deutschland führen sollte. Die Notwendigkeit verbindlicher Prüfzentrumsverträge wird beim Blick nach Europa deutlich, da diese in vielen europäischen Ländern bereits existieren und dort zu verkürzten Zeiten bis zum Einschluss eines Zentrums führen. Als Grundlage wurden die kürzlich vorgestellten Mustervertragsklauseln in der Version 2.0 genannt, die auch Eingang in ein BMG-Strategiepapier gefunden haben. Nach Meinung der Symposiumsteilnehmer wird das jedoch nicht ausreichen. Um dieses und viele weitere Themen voranzutreiben, wurde unter Federführung des vfa die „Initiative Studienstandort Deutschland“ ins Leben gerufen, in der an praktikablen Lösungen gearbeitet wird. Im Hinblick auf eine höhere Akzeptanz und eine stärkere Beteiligung an klinischen Studien in Deutschland lieferte der Round Table zur Stimme des Patienten entsprechende Anregungen, die sich unter dem Schlagwort „mehr Transparenz bringt mehr Beteiligung“ zusammenfassen lassen.
Martin Krauss sprach in seiner Einführung weitere Verbesserungspunkte an. So müsse auch in Deutschland der Spielraum der europäischen Gesetzgebung pragmatischer zur Stärkung des Standortes genutzt werden. In der Außendarstellung dürfe nicht alles schlecht geredet werden. Die positiven Aspekte der Gesundheitswirtschaft in Deutschland müssten auch von der Politik häufiger erwähnt werden. Darüber hinaus müsse es jedoch mehr Veränderungswillen geben, um Verbesserungen auf allen Ebenen zu erreichen.
Zu Beginn der Vorträge des Symposiums standen dann regulatorische Themen im Vordergrund, die einen Einstieg boten und alle auf den aktuellen Stand brachten. In der zweiten Session wurde dann mit Spannung das Aufeinandertreffen von Dr. Thomas Sudhop vom BfArM und Prof. Georg Schmid vom Arbeitskreis Ethikkommissionen (AKEK) erwartet. Und die beiden enttäuschten nicht. Prägnant stellten sie ihre unterschiedlichen Positionen zur Veränderung der Ethikkommissionen dar. So solle es nach aktueller Planung des Bundesgesundheitsministeriums (und damit auch der untergeordneten Behörde BfArM) eine Bundes-Ethikkommission geben, während eine Harmonisierung und höhere Verbindlichkeit der Ethikkommissionen über den AKEK als besserer Weg ins Feld geführt wurde (Position Schmid).
Ein besonderes Highlight war die Podiumsdiskussion zum Thema „Die Stimme der Patienten in klinischen Studien“. Nach einem Impulsvortrag von Jan Geissler, der seit über 20 Jahren als Patientenanwalt sehr aktiv ist und die Notwendigkeit der Patientenbeteiligung in der klinischen Forschung sehr eindringlich darstellte, entwickelte sich eine lebhafte und sehr bewegende Diskussion zwischen den Teilnehmern, direkt Betroffenen und dem Publikum. Es wurde deutlich, dass es trotz der digitalen Möglichkeiten für Patienten in Deutschland auch heute noch extrem schwierig ist, eine passende klinische Studie für ihre Erkrankung zu finden. Anja Laskowski, die mittlerweile selbst als Patientenvertreterin unter anderem in der Organisation „Yes we can(cer)!“ aktiv ist, berichtete sehr eindrücklich von ihrem eigenen Weg bis zur Teilnahme an einer für sie passenden klinischen Studie. Dies hinterließ bei den Zuhörern spürbar Eindruck und machte allen Anwesenden noch einmal sehr deutlich, dass die Bedingungen für Patienten trotz der Fortschritte in den vergangenen 20 Jahren alles andere als optimal sind.
In der Diskussion wurden Lösungsansätze skizziert und es bleibt zu hoffen, dass die gesetzten Impulse bei Sponsoren, CROs und allen anderen Beteiligten nachhaltig zu weiteren Anstrengungen führen, um die frühzeitige Patientenbeteiligung im Bereich der klinischen Forschung in den nächsten Jahren zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen.
Drei Vorträge zur praktischen Anwendung von KI in der klinischen Forschung trafen ebenfalls den Nerv des Publikums. Hier wurden praktische Anwendungen von KI vorgestellt, die bereits heute zum Einsatz kommen. Thomas Neitmann von der Denali Therapeutics GmbH berichtete über den zunehmenden Einsatz von OpenSource in der klinischen Forschung am konkreten Beispiel der Auswertung klinischer Daten mit „R“ anstelle des allgemein verwendeten SAS. Als interessanten Aspekt hob er dabei unter anderem hervor, dass die Einführung von OpenSource-Programmierung die klinische Forschung für junge Talente attraktiv mache.
Friedrich von Bohlen und Halbach faszinierte das Publikum mit den Lösungen der Molecular Health GmbH zur Optimierung der Studienplanung und -durchführung durch die Analyse großer Datenmengen auf Basis von 200 Primärdatenbanken, was letztlich allen Beteiligten und vor allem den Patienten zugutekomme. Dabei betonte er immer wieder die Datenqualität, denn künstliche Intelligenz könne immer nur so gut sein, wie die Daten, mit denen sie gefüttert wird, und die Fragen, die an sie gestellt werden.
Der letzte Vortrag des Tages kam von der Ablacon GmbH, die über eine praktische Anwendung von KI bei der Visualisierung von Vorhofflimmern und den daraus resultierenden Vorteilen bei der Erkennung und Behandlung berichtete. Das große Interesse an der Thematik zeigte sich in einem bis in den frühen Freitagabend gefüllten Hörsaal.