Formycon: Zulassungen für Stelara-Biosimilar
Zeitgleich hat die Martinsrieder Formycon AG in der vergangenen Woche die Zulassungen für das Biosimilar FYB202 (zukünftiger Handelsname Oulfi) in Europa und in den USA erhalten. Das Biosimilar möchte das Originalpräparat Ustekinumab/Stelara von Johnson&Johnson ersetzen, das einen zweistelligen Milliardenumsatz bei Immunerkrankungen generiert. Der Marktzugang für ein Biosimilar ist jedoch kein Selbstläufer.
Der europäischen Zulassung durch die EU-Kommission war eine entsprechende Empfehlung des CHMP-Ausschusses im Sommer vorausgegangen. Die Zulassung durch die FDA war ebenfalls zum jetzigen Zeitpunkt erwartet worden. Dass beide Nachrichten am gleichen Tag bei Formycon eingingen, ist aber wohl Zufall. In beiden Gesundheitsregionen hatten die Behörden die Vergleichbarkeit des Biosimilars mit dem Originalpräparat untersucht.
FYB202/Otulfi™ erhielt die FDA-Zulassung zur Behandlung von Patienten mit Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis und aktiver Psoriasis-Arthritis. Die Zulassung basiert auf der eingehenden Bewertung eines umfassenden Datenpaketes einschließlich analytischer, präklinischer, klinischer sowie herstellungsbezogener Daten. Das Biosimilar zeigte bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis vulgaris (Plaque-Psoriasis) eine vergleichbare Wirksamkeit, Sicherheit und Pharmakokinetik zum Referenzarzneimittel Stelara®. Auch die EU-Zulassung beschreibt als Einsatzgebiete die Indikationen mittelschwerer bis schwerer aktiver Morbus Crohn, mittelschwere bis schwere Plaque-Psoriasis und aktive psoriatische Arthritis, erwähnt Colitis ulcerosa aber nicht ausdrücklich.
Größere Unterschiede zwischen der US-amerikanischen und der europäischen Zulassung betreffen jedoch den tatsächlichen Marktzugang des milliardenträchtigen Biosimilars. Die europäische zentralisierte Marktzulassung gilt in allen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), einschließlich der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen. Die Geschwindigkeit des Ersetzens von Verschreibungen des Originalpräparates ist aber jedem europäischen Land freigestellt und hängt daher von vielen Faktoren ab. In diversen Statistiken über den Austausch von Original zu Biosimilar in den europäischen Ländern zeigt sich, dass es oft am Präparat selbst liegt, ob der Umstieg rasch passiert und es sind nicht etwa bestimmte Länder immer besonders schnell oder langsam. Auch die Marketingaktivitäten der Biosimilar-Anbieter spielen dabei eine Rolle neben den Rahmenbedingungen des jeweiligen nationalen Gesundheitssystems, ob der Biosimilaraustausch forciert oder auch extra incentiviert wird.
Patent: Schutzschild und Abwehrbollwerk
Doch meistens ist der Orginalhersteller selbst die größte Hürde vor und auch nach der Zulassung. Solange der Patentschutz gilt, wird dieser mit allen Rechtsmitteln verteidigt und oft über viele Jahre mit allerlei juristischen Kniffen und technologischen Ergänzungen verlängert wie im Falle von Humira. Die Marktposition wird jedenfall nicht einfach kampflos aufgegeben. In den USA ist der Vertrieb von Medikamenten zudem anders geregelt, und der zwischengeschaltete Pharma Benefit Manager (PBM) zwischen Hersteller und Abnehmer vermittelt die Preisgestaltung zwischen den Akteuren. Diese PBMs sind gerade in den Fokus der neuerdings auf Kostenreduktion im Gesundheitswesen zielenden US-amerikanischen Regierung und der Krankenkassen geraten. Denn unklar ist, ob ihre Preisverhandlungen immer zum wirklich günstigsten Preis führen. In diesem Interessenwirrwarr kann der Biosimilar-Anbieter nur bestehen, wenn die politische Agenda des Gesundheitssystems den molekularen Austausch der als biosimilar (also wirkungsähnlich) definierten Moleküle auch ausdrücklich unterstützt. So zielt der Inflation Reduction Act der Biden-Regierung auch darauf ab, für die PBMs Anreize zu schaffen, das Biosimilar schneller auf den Markt zu bekommen.
Um dem Spiel über den Markteintritt ein schnelleres Ende zu bereiten, verhandeln die Biosimilar-Unternehmen mit den Originalherstellern (und nicht etwa mit einer Gesundheitsbehörde oder sonstigen regierungsnahen Einrichtung) einen konkreten Termin für den Markteintritt, mit dem der Originalhersteller meint, noch einigermaßen leben zu können. Dieses „Settlement“ lässt sich der Platzhirsch nochmals extra vom Biosimilar-Unternehmen bezahlen. Auch Formycon hat mit dem Originalhersteller Johnson&Johnson ein solches Settlement vereinbart, über dessen Ausgestaltung jedoch nichts nach Außen dringt. Bei einem anderen Präparat, dem ebenfalls bereits in den USA zugelassenen Formycon-Biosimilar zum Original Eylea von Regeneron, laufen die Verhandlungen noch.
Dem Jubel über die Zulassung folgt damit noch nicht sofort das Knallen von Sektkorken, denn der Weg zum Markt ist noch steinig und ein paar Stolpersteine müssen beiseite geräumt werden. Die Zulassungen an sich sind aber für die Entwicklungsabteilung bei Formycon ein Erfolg in einem international umkämpften Feld der Biosimilar-Entwickler und der berühmte Meilenstein für die Stabilisierung der Firmenentwicklung. Bei Vertriebspartner Fresenius Kabi laufen derweil sicherlich die Vorbereitungen zum Markteintritt schon auf Hochtouren, ähnlich dem Rodeopferd, das nur auf die Öffnung der Schranken wartet, um die aufgestaute Energie loswerden zu können.