Roche investiert 600 Mio. Euro in Penzberg
Im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder sowie weiterer politischer Vertreter aus Bund, Land und Gemeinde legte Roche heute den Grundstein für ein neues Hightech-Produktionszentrum auf dem Biotechnologie-Campus Penzberg. Mehr als 600 Mio. Euro investiert das Schweizer Unternehmen als höchste jemals getätigte Einzelinvestition in den Ausbau seiner Fertigungskapazitäten in der molekularen Diagnostik. In einer hochautomatisierten Produktion sollen zukünftig mehr als 450 Einsatzstoffe für diagnostische Tests hergestellt werden.
Der CEO der Roche-Gruppe, Thomas Schinecker, wurde im vorgeschalteten Pressegespräch gleich persönlich. Er habe sich kürzlich einen „Husten“ eingefangen und habe dann einen Halbmarathon durch diverse Arztpraxen absolvieren müssen, bis eine echte Diagnostik angefertigt wurde, die zu einer wirksamen medikamentösen Behandlung führte. Zuvor war ihm heißer Tee, ein Breitband-Antibiotikum und ein weiteres Antibiotikum verschrieben worden, bis nach rund zwei Monaten als Auslöser Mycoplasma pneumoniae molekular diagnostiziert und dann mit dem wirksamen Antibiotikum bekämpft werden konnte. „Molekulare Diagnostik sollte viel früher eingesetzt werden, denn dies spart Kosten und den Patienten unnötiges Leiden“, so Schinecker.
Er antwortete mit dieser Geschichte aus dem vergangenen Sommer auf die Frage, ob eine effizientere Produktion von Diagnostika nicht auch deren Kosten senken und damit das Gesundheitssystem entlasten würde. Die Effizienz der Produktion hatte Thomas Schineker selbst als ein wesentliches Highlight der Gebäudeplanung des mit einer Grundsteinlegung auf dem Penzberger Roche-Campus gefeierten geplanten Neubaus ins Spiel gebracht. „Dass die Diagnostik ein Kostentreiber der Gesundheitssysteme sei, ist eine ganz falsche Darstellung. Wie ich kürzlich am eigenen Leib erfahren habe, ist es genau andersherum. Diagnostik spart Geld,“ so Schinecker.
Bei rund 23 Milliarden abgegebenen Diagnostiktests weltweit erlöse Roche daraus rund 13 Mrd. Euro Umsatz. Der einzelne Test könne da keine hohen Kosten verursachen, so die Logik des Firmenchefs. Mit dem Neubau, der Ende 2027 bezogen und nach diversen behördlichen Abnahmen und Probeläufen dann 2028 in Betrieb gehen soll, stärke Roche den Produktionsstandort Deutschland und baue für den weltweit stetig wachsenden Bedarf an Diagnostika.
Die Investition von 600 Mio. Euro sei die höchste Einzelinvestition des Unternehmens, die jemals in Deutschland getätigt wurde. Dabei betreffe sie „nur“ das Gebäude und sein hochdigitalisiertes Innenleben. Weitere Kosten wie Erschließung und Baugrund kämen noch hinzu. Für Penzberg ist die rege Bautätigkeit von Roche im Nonnenwald auf dem Grund einer ehemaligen Kohlegrube seit den 1970er Jahren nichts Ungewohntes. Doch gerade in den vergangenen Jahren hat sich der Konzern in Deutschland zu einem Großbauunternehmen entwickelt. In den vergangenen fünf Jahren wurden über 3 Mrd. Euro in Neubauten investiert, in den vergangenen zehn Jahren sogar über 6 Mrd. Euro. Die Entwicklung des Standortes Penzberg zu einem der größten Pharma- und Diagnostik-Produktionsstandorte in Europa sei auch ein Beispiel für den erfolgreichen Strukturwandel und den Transformationsprozess von traditionellen Industriesektoren – der ehemaligen Kohlegrube in Penzberg – zur modernen Gesundheitswirtschaft.
Roche ein Bauunternehmen? Das ist gar nicht so weit hergeholt. Im Unternehmen sind über 300 Ingenieure der unterschiedlichen Bauspezialisierungen beschäftigt, die die Planungen eng mit den Anforderungen der Wissenschaft und den Produktionsbedürfnissen für molekulare Substanzen verzahnen können. Das Know-how zur Entwicklung immer neuer Produktions- und Laborgebäude helfe, mit externen Partnern in großer Synergie den sich stetig wandelndenen Ansprüchen an funktionale Labor- und Produktionsinfrastruktur gerecht zu werden. Projektleiter Ludger Dierkes verwies in seinem Vortrag auf die großen Volumina von verbautem Beton, Kabelsträngen und Rohrleitungen, aber auch auf die nachhaltige Ausrichtung des Gebäudes mit großflächiger Photovoltaikanlage und einem Biomasse-Heizkraftwerk und in einem Nebensatz auf die spannenden Aufgaben, die auf Bauingenieure in der Pharmabranche warten würden.
In das Thema Bautätigkeit der Pharmaindustrie am Standort Deutschland hakte später bei der Zeremonie am Grundstein auch Bundeskanzler Olaf Scholz ein. Er habe nun schon mehrere Spatenstiche oder Grundsteinlegungen von großen Pharmafirmen in den vergangenen Monaten besuchen dürfen, so der Kanzler, „dass diese Industrie für die nächsten Jahre eine Investitionssumme von rund 7 Mrd. Euro zugesagt hat, spricht eindeutig für den Standort Deutschland. Deutschland hat das Zeug zum Spitzenstandort, aber die Dinge passieren nicht automatisch.“ Die nationale Pharmastrategie, neue Gesetze zur Forschung und Datennutzung würden nun helfen, dass mehr Tempo in die Innovationen der Gesundheitsbranche komme, auch und gerade in Deutschland, führte er weiter aus.
Für Schinecker ist Roche so erfolgreich, weil die Produkte spürbar zur Lebensverlängerung beitrügen, der Konzern sei in Diagnostik und Pharma sehr gut aufgestellt. Beide Divisionen trügen etwa gleich viel zum Unternehmenswachstum bei. Dort, wo Pharma noch schwächer vertreten sei – indikationsweise –, helfe die marktführende Stellung der Diagnostiksparte. Auf die Frage, ob denn Diagnostik bei Akquisitionen in Zukunft eine Rolle spielen würde, musste der CEO jedoch verneinen. Nicht, weil keine interessanten anderen Unternehmen zu finden wären, sondern wegen der meist schon etablierten Marktführerschaft von Roche. „Wir sind da schon zu groß und dürfen nicht“, so Schinecker mit einem Verweis auf das Kartellrecht. Solche Probleme hätten andere gerne.