Bayer AG

Bayer schließt Milliardenkooperation mit Kumquat

Die Leverkusener Bayer AG hat über die Berliner Pharmasparte einen Onkologie-Deal mit Kumquat Biosciences Inc. über 1,3 Mrd US-Dollar geschlossen. Es geht dabei um die Krebs-Treibermutation KRAS.

ANZEIGE

Die Pharmasparte der Bayer AG in Berlin hat ihre Onkologie-Pipeline durch eine Lizenz- und Kooperationsvereinbarung mit dem US-amerikanischen Unternehmen Kumquat Biosciences Inc. erweitert. Diese Vereinbarung kann insgesamt bis zu 1,3 Mrd. US-Doller für den US-Partner einbringen. Sollte Kumquat seine risikobehaftete Phase Ia-Studie gegen die häufige KRAS G12D-Mutation erfolgreich abschließen, übernimmt Bayer die Verantwortung für die weitere Entwicklung und die globale Vermarktung des Kandidaten.

Die Vereinbarung soll Bayer’s Kompetenzen in der Behandlung von Bauchspeicheldrüsen-, Darm- und nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) stärken. Diese Krebsarten werden häufig durch die KRAS G12D-Mutation angetrieben, bei der Glycin (G) an Position 12 durch Asparaginsäure (D) substituiert wird. Die Mutation führt durch stabile GTP-Bindung zu einer konstitutiven Aktivierung des KRAS-Proteins und fördert unkontrollierte Zellvermehrung. Historisch galt KRAS G12D aufgrund fehlender Bindungstasche und modifizierbarer Seitenketten als „nicht angreifbar“ (non drugable). Zudem kann GTP nicht effektiv durch Analoga oder Inhibitoren verdrängt werden.

Angesichts der Häufigkeit von Tumoren mit dieser Mutation könnte ein erfolgreiches Therapeutikum ein erhebliches Marktpotential darstellen. Allein die Zahl inadäquat behandelter duktaler Karzinome wird laut Prognosen bis 2050 auf fast eine Million Fälle ansteigen. Professor Dominik Rüttinger, Leiter der frühen Forschung und Entwicklung bei Bayer Pharmaceuticals in Berlin, sagt: „KRAS-Mutationen treten bei beinahe einem Viertel aller menschlichen Krebserkrankungen auf. Doch die häufigste und onkogenste KRAS-Variante (G12D) hat bislang noch keine wirksamen Behandlungsmöglichkeiten.“

Wegen ihrer vielversprechenden Perspektive genießt die KRAS G12D-Target-Modulation hohe Aufmerksamkeit in der Pharmaindustrie. Bayer baut dabei auf Kumquats Erfahrung mit KRAS G12C-Inhibitoren auf; jedoch fehlt G12D die Cystein-Restgruppe, über die G12C-Inhibitoren eine kovalente Bindung eingehen können. Mehrere Firmen entwickeln daher Wirkstoffe gegen KRAS G12D, vornehmlich über nicht-kovalente Mechanismen.

Bayer setzt neue Schwerpunkte im Bereich Onkologie

Neben der aktuellen Kumquat-Kooperation hat die Bayer AG allein im laufenden Jahr mehrere Aktivitäten in der Onkologie gezeigt. Bereits im März erwarb Bayer die globale Lizenz für einen experimentellen oralen PRMT5-Inhibitor von Puhe BioPharma, der gezielt MTAP-deletierte Tumoren angreift. Die erste klinische Phase wurde gestartet, ein Patient zur Studie eingeschlossen. Über den Jahreswechsel hatte Bayer die erste klinische Phase mit BAY3498264 begonnen, einem in Berlin entwickelten oralen SOS1-Inhibitor. In der offenen Dosis-Eskalationsstudie wird die Sicherheit kombiniert mit Wirksamkeit bei fortgeschrittenen KRAS-mutierten Tumoren (inklusive NSCLC, Pankreas- und Darmkrebs) untersucht. Der SOS1-Inhibitor soll gemeinsam mit einem KRAS-Inhibitor (der G12C-Gruppe) die Wirksamkeit dieser Therapie verstärken.

Auf der diesjährigen ASCO-Konferenz präsentierte Bayer Daten aus verschiedenen Studien: damit verbunden waren Untersuchungen zu XOFIGO® (Radium-223), dem NSCLC-TKI Sevabertinib (HER2-mutierte NSCLC) und elinzanetant zur Behandlung vasomotorischer Symptome bei Brustkrebspatientinnen, das sich im Zulassungsverfahren der FDA befindet. Einerseits hatte Bayer zum Jahresanfang das Ergebnis einer strengen Durchforstung seiner Pipeline bekanntgegeben, bei der die Leverkusener nun den Schwerpunkt auf den ungedeckten medizinischen Bedarf und das höchste Wertpotential setzen wollen. Andererseits verstärkt Bayer seine Pipeline durch externe Innovationen und strategische Partnerschaften oder Technologieakquisitionen. Zu letzteren gehört die Übernahme von Tavros Therapeutics (durch die 100%ige Tochtergesellschaft Vividion) mit einer chemoproteomischen Plattform zur Adressierung aktuell schwer zugänglicher Zielmoleküle. Außerdem hat Bayer in der frühen Phase IND-fähige Programme unter anderem gegen RAS-PI3KCA sowie oral verfügbare KEAP1-Aktivatoren und STAT3-Inhibitoren initiiert.

Bayer treibt also seine Onkologie-Aktivitäten insgesamt intensiv voran. Dabei wird ein neuer Fokus auf eigene Forschungsanstrengung für die Targetidentifikation gelegt, auch im Verbund mit Kooperationspartnern. Im März 2024 hatte Bayer eine mehrjährige Kooperation mit Aignostics aus Berlin für KI-unterstützte Zielidentifikation und Computational Pathology gestartet. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, auf Basis multimodaler Patientendaten neue Onkologie-Ziele zu identifizieren und deren klinische Entwicklungsfähigkeit zu beschleunigen. An der Börse löst dies alles wohlwollende, aber auch verhaltene Begeisterung aus, denn noch ist die Bayer-Aktie vom aktuellen Höchststand des laufenden Jahres im Juli mit 29,21 Euro noch einige Euro entfernt. Immerhin scheint das tiefe Tal von Dezember und April mit Kursständen um oder unter 20 Euro durchschritten zu sein.

SIE MÖCHTEN KEINE INFORMATION VERPASSEN?

Abonnieren Sie hier unseren Newsletter