
BioCopy erhält Finanzierung für HLA-Peptid-Erkennung
Die deutsch-schweizerische BioCopy GmbH hat eine Finanzierungsrunde über rund 8 Mio. Euro abgeschlossen, sieht das aber nur als Zwischenschritt. Mit dem in vielen Jahren entwickelten und mit Werkzeugen der Künstlichen Intelligenz verfeinerten spezifischen Antikörperscreening für Peptid-HLA-Komplexe will das Biotechnologie-Unternehmen selbst Therapeutika gegen Krebs auf den Markt bringen, erläutert der CEO gegenüber |transkript.de.
Das Biotechnologie-Unternehmen BioCopy erhält 8 Mio. Euro, um die Entwicklung wirksamerer Krebsmedikamente zu beschleunigen. Ziel ist es, die Forschungs- und Entwicklungszeit von drei Jahren auf zwölf Monate zu verkürzen und Kosten zu senken. Unterstützt wird BioCopy von erfahrenen Investoren aus der Industrie. Mit der Finanzierung von einer Investorengruppe aus erfahrenen Family Offices und namhaften Unternehmern plant das Unternehmen den Aufbau eines automatisierten Ultra-Hochdurchsatz-Labors, das die Wirkstoffentwicklung revolutionieren soll. Anstelle von 10 bis 100 Wirkstoffvarianten können künftig 25.000 parallel getestet werden.
Der ursprüngliche Ansatz der seit 2019 operativen Firma mit Wurzeln in Freiburg war es, durch ein lichtspektroskopisches Abtasten von Moleküloberflächenstrukturen diese „kopieren“ zu können. Damit sollten DNA, RNA, Antikörper-und Varianten davon einfach vervielfältigbar werden, was den Firmennamen begründet.
Der Wissenschaftler und Gründer hinter BioCopy ist Günther Roth, der sich am liebsten als Bastler im Labor sieht. Während der Corona-Pandemie sollte das Kopierverfahren zur Herstellung und schnellen Anpassung von Impfstoffen genutzt werden, doch wegen des Lockdowns kam es in den frisch bezogenen Laborräumen in Emmendingen nicht dazu. Durch die Übernahme der insolventen Tübinger Biametrics verlagerte sich die Entwicklungsarbeit auf die lichtspektroskopische Messung von Bindungskapazitäten im Hochdurchsatz, und auf den Schwerpunkt damit die spezifischen und für bestimmte Krebsarten charakteristischen Peptid-HLA-Komplexe der antigenpräsentierenden Zellen zu analysieren. Die weitere Übernahme der deutschen Perspix Biotech ergänzte das Firmen-Know-how um die Automatisierung. Da bereits früh ein Investor aus der Schweiz eingestiegen ist, eröffnete BioCopy den Firmenhauptsitz in Basel und ist heute auf dem Novartis-Forschungscampus ansässig.
Das Unternehmen setzt nun auf KI-gestützte Optimierung und eine spezialisierte pHLA-Targetklasse, die die sogenannten Neoantigene der Krebszellen im Inneren adressiert und vom Immunsystem oft nicht erkannt wird. Das Unternehmen plant, innerhalb von zwei Jahren multispezifische Antikörper für die industrielle Herstellung zu optimieren und dabei Entwicklungszyklen zu verkürzen sowie auch Kosten drastisch zu senken.
|transkript.de sprach mit dem CEO von BioCopy, Matthias Wiedenfels, der 2023 Günther Roth folgte. Dieser wollte lieber wieder im Labor weitertüfteln und tut das weiterhin für BioCopy.
|transkript: Herr Wiedenfels, der Peptid-HLA-Komplex als Target für eine Krebstherapie ist kein neues Zielmolekül. Viele haben sich daran schon versucht. Was waren bisher die Limitationen, warum hilft das BioCopy-Screening über diese Hürden?
Matthias Wiedenfels: Die größte Schwierigkeit bestand bislang darin, krebsrelevante pHLA-Komplexe zuverlässig von solchen auf gesunden Zellen zu unterscheiden. Gelingt es nicht, den Antikörper nur auf den Krebs und eben nicht auf gesunde Zellen zu richten, kann es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen – ein Problem, das bereits in klinischen Studien aufgetreten ist.
BioCopy verfügt über eine patentierte Technologie, die es uns als einzigem Unternehmen weltweit ermöglicht, diese Unterscheidung präzise und im Ultra-Hochdurchsatz vorzunehmen. Ergänzt wird das durch unsere leistungsstarke Vorhersage-KI. Damit sind wir in der Lage, vielversprechende Arzneimittelkandidaten mit hoher Effizienz zu identifizieren und gleichzeitig gesundes Gewebe zu schonen.
|transkript: Eine Hürde scheint die schiere Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten zu sein, wie diese HLA-Komplexe mit unterschiedlichen Peptidfragmenten bestückt sind und als Ziel erkannt werden können. Ist das nicht fast ein klassisches Feld für eine Künstliche Intelligenz, den Prozess zu beschleunigen?
Wiedenfels: Absolut. Unsere erfahrenen Bioinformatiker machen sich genau das zu Nutze: sie setzen modernste KI-Methoden ein, um genau dieses Problem zu lösen. Unsere Fähigkeit, pHLA-Komplexe im Ultra-Hochdurchsatz zu analysieren, verschafft uns zudem proprietäre, hochqualitative Datensätze, die wir gezielt für unsere einzigartige Vorhersage-KI nutzen. Diese KI kombiniert modernste Verfahren aus großen Sprachmodellen, Strukturvorhersagen und weiteren bioinformatischen Pipelines. Damit setzt sie neue Maßstäbe in der präzisen Identifikation potentieller pHLA-Zielstrukturen.
|transkript: Die Verbindung der Krebszelle mit Zellen des Immunsystems wird in vielfältigen Ansätzen untersucht, beziehungsweise Therapien wie CAR-T sind schon zugelassen. Die Neoantigene einer Krebszelle werden auch bei der mRNA-Vakzinierung verwendet. Mit diversen Struktur-KI-Tools kann man sich gefühlt das gewünschte Biomolekül selbst schneidern. Können Sie in dieser Gemengelage die Positionierung der Therapieentwicklung bei BioCopy klarer machen?
Wiedenfels: Neben der KI-basierten Vorhersage potenzieller Off-Target-Effekte arbeiten wir an neuen KI-gestützten Methoden zur Optimierung antikörperbasierter Krebstherapeutika – insbesondere T-Cell-Engager. Unser Ziel ist es, ihre technische und klinische Entwicklung gezielt zu verbessern. Dafür benötigen wir hochwertige und umfangreiche Datensätze, die wir nutzen, um unsere Optimierungs-KI zu trainieren.
BioCopy strebt auch hier eine klare Vorreiterrolle an: Wir planen den Aufbau eines vollständig automatisierten Ultra-Hochdurchsatz-Entwicklungslabors. Damit steigern wir nicht nur die Effizienz der Optimierung von T-Cell-Engagern erheblich, sondern verkürzen den Entwicklungszeiten solcher Medikamente von vielen Jahren auf wenige Monate. Gleichzeitig generieren wir wertvolle Datensätze, mit denen wir unsere KI kontinuierlich weiterentwickeln. Unser Ziel ist es, als erstes Unternehmen hochwirksame und sichere Krebstherapeutika der nächsten Generation am Fließband zu produzieren. Mir ist kein Workflow in der Industrie bekannt, der das leisten kann.
|transkript: Was sagt denn die Pharmaindustrie selbst zu Ihrer Plattform? Ist das Dienstleistungsgeschäft für solche Unternehmen Ihr Modell oder wollen Sie selbst Therapeutika möglichst weit entwickeln?
Wiedenfels: Die Industrie ist äußerst interessiert an unseren Screening-Kapazitäten. Dennoch sehe ich für BioCopy kein wirtschaftliches Modell, das uns als reinen Dienstleister für Pharmaunternehmen positioniert. Wir können uns zwar vorstellen, fertig optimierte Arzneimittelkandidaten zu einem frühen Zeitpunkt – beispielsweise mit IND-Status – zu lizenzieren. Unser klares Ziel ist jedoch, eigene Therapeutika zu entwickeln. Wir haben sowohl personell als auch technologisch alle Voraussetzungen dafür.
Die bisherigen Finanzmittel sind ein wichtiger Meilenstein – und zugleich erst der Anfang. Wir sind bereit für den nächsten Wachstumsschritt und werden weitere Investitionen gezielt einsetzen, um unser volles Potential auszuschöpfen.