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Formycon erhält Nackenschlag aus den USA
Dieser aktuelle Nachrichtenmix aus dem Hause der Martinsrieder Formycon AG wurde genau in einer Richtung interpretiert: ein kräftiger Kurseinbruch um über 30% folgte auf die Bekanntmachung, dass die Biosimilar-Welt in den USA nicht mehr so aussieht wie vor der Wahl von Donald Trump und der Berufung des Gesundheitsministers Robert F. Kennedy Jr. Dies hat Formycon nun für die eigene Geschäftsstrategie ganz neu zu bewerten.
Es half dem Management von Formycon nicht gegen den raschen Ausverkauf der Papiere, dass man sowohl positive als auch schlechtere Nachrichten in ein Bündel packte und dies in einer schnell einberufenen Investorenschalte zu erläutern suchte. Da hatten viele schon auf Verkaufen geschaltet und erst allmählich beruhigten sich die Gemüter wieder.
Was war geschehen? Der positive Teil der Firmenmitteilung besagte, dass das neueste Biosimilar der Multiprojektentwickler aus dem Münchner Biotechnologie-Hub von einer neuen Verfahrensanpassung des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums profitieren werde, die besagt, dass bei ausreichend guten Daten aus den Vergleichsstudien und Vergleichsanalysen der früheren klinischen Phasen bei Biosimilars zukünftig die Phase III-Studie entfallen kann. Das habe Formycon sofort in die eigenen Studienplanungen übertragen und eine gerade begonnene Phase III-Studie zum Keytruda-Biosimilar FYB206 schon wieder beendet, die parallel zu einer Phase I-Studie begonnen worden war. Nun setzt man also die Anstrengungen auf die Datengenerierung in dieser Phase I und ein danach anschließendes Zulassungsverfahren, spare damit aber mehrere Jahre und Geld ein, was das Unternehmen mit einem zweistelligen Millionenbetrag bezifferte.
Dieses nicht notwendige Geld sei für diese klinische Entwicklung bereits eingeplant und festgelegt worden, nun aber wieder frei und damit ein Liquiditätsgewinn für das Unternehmen. Der positive Eindruck der Mitteilung wurde jedoch getrübt und in der Wahrnehmung sogar negativ übertroffen durch die Auswirkung einer anderen Aktivität des US-Gesundheitsministeriums: die Preise für alle Biosimilars deutlich zu reduzieren. Da dieses politische Statement bisher nur nebulös im Raum stand und als Wahlkampfschlager der Republikaner hergehalten hatte, ist es einigermaßen überraschend, dass die bloße und eigentlich erneute Ankündigung gerade jetzt kursrelevante und die Unternehmensstrategie stark beeinflussende Störungswellen über den Atlantik sendet.
Diese Unternehmensstrategie, ein Biosimilar nach dem anderen mit wechselnden oder ähnlichen Vertriebspartnern in den USA auf den Markt zu bringen, scheint nun bei Formycon ins Wanken zu geraten, (obwohl das gerade noch nach „rosigen Zeiten“ ausgesehen hatte) weil die neue US-Politik der Kostenerstattung ein anderes Preisschild an die Nachahmerprodukte heften will als vorgesehen. Bisher ging es vor allem um die Geschwindigkeit und das richtige Zeitfenster, um bei Ablauf des Patents eines Originalpräparats mit einer Zulassung und der passenden Vertriebsorganisation in den Startblöcken zu stehen. Auf dem Weg dorthin musste das Biosimilar nicht nur die identischen Parameter inklusive der Wirksamkeit nachgewiesen haben. Es musste auch eine Vereinbarung mit dem Originalhersteller getroffen werden, wann genau dieser den Platz an der Spitze der Pharmanahrungskette preiszugeben gedenkt. Eine Vereinbarung, die in der Regel einige Millionen kostet, damit aber dem Marktnachfolger auch eine garantierte Tür zur Erstattung öffnete. Um es noch etwas komplizierter zu machen, gibt es im US-Gesundheitssystem weitere Akteure wie die Pharmacy Benefit Managers (PBM), die im Wesentlichen bei vier großen Gesellschaften angestellt sind und die Preise zwischen Unternehmen, Apotheken und Kassen aushandeln. Dabei geht es reichlich intransparent zu und der PBM selbst empfiehlt meist den Preis, bei dem seine Provision am höchsten ist – so lauten zumindest die Gerüchte über diese dunkle Seite der US-Pharmawelt. Der PBM wäre damit kein Unterstützer der Kostensenkungsstrategien und -beschlüsse, die schon Joe Biden und Kamala Harris seit 2023 ins Gesundheitssystem der USA eingeführt hatten. Gerade bei Biosimilars war der PBM bisher auch eine schwierig zu umschiffende Klippe, da die Marge bei den Originalpräparaten für ihn größer ist und damit auch ein Wechsel auf das Biosimilar nicht unbedingt vom PBM unterstützt wurde.
Dennoch hatten sich alle Parteien bisher auf diese Bedingungen eingestellt und ihre eigene Strategie an trickreichen Winkelzügen entwickelt, um ein erfolgreiches Geschäftsmodell auch im Biosimilarbereich in den USA etablieren zu können. Kennedy scheint dem nun endgültig einen Riegel vorzuschieben und klare Kante bei den Preisfestsetzungen zu fahren. Die Auswirkungen auf die sich im Marktzugang befindlichen Biosimilarprojekte von Formycon sind sehr deutlich.
Bei FYB202/OtulfiTM – Biosimilar zu Stelara® (Ustekinumab) geht das Unternehmen nun im Zuge des „deutlich höher als erwarteten Preisnachlasses für Biosimilars in den USA davon aus, dass das Bewertungsmodell und der Bilanzansatz für FYB202 überprüft und entsprechend angepasst werden müssen“. Das bedeutet, die eigentlich erwarteten hohen Umsatzerlöse werden sich wohl nicht realisieren lassen. Formycon spricht selbst von einer nötigen Wertberichtigung in möglicherweise dreistelliger Millionenhöhe. Das ist zwar kein geldwerter Verlust in der Gegenwart, aber eben das Eingeständnis des Ausbleibens einer stattlichen Einnahmequelle in der Zukunft.
Noch deutlicher ist es bei FYB201/CIMERLI® – Biosimilar zu Lucentis® (Ranibizumab). Hier überlegen Formycon und US-Vermarktungspartner Sandoz, den Vertrieb des Biosimilars „zu pausieren“. Der Preisnachlass lasse keine wirtschaftliche Produktion mehr zu. Auch seien bereits zu viele weitere Biosimilaranbieter auf dem Markt, die eine Preisspirale nach unten verstärken würden. Die Bioeq AG als die exklusive Lizenzinhaberin von FYB201/CIMERLI® prüft aktuell Optionen für alternative Vermarktungsstrategien für das ophthalmologische Biosimilar in den USA.
Formycon muss sich nun zügig anpassen und eine Umstellung der Entwicklungskosten für das Biosimilar auf die realistischen Marktchancen dabei ebenso berücksichtigen wie die Wettbewerbssituation in einzelnen Märkten. Folgt Europa diesem Signal aus den USA, steht auch die allgemeine Diskussion über die Notwendigkeit und Möglichkeit der Eigenproduktion solcher Biosimilars in Europa oder des Imports aus asiatischen Regionen unter Kostengesichtspunkten wieder neu im Raum.