Formycon AG

Formycon AG: rosige Zeiten für Biosimilars

Der Formycon-Konzern hat im ersten Quartal 2024 Umsatzerlöse in Höhe von 17,7 Mio. Euro (Q1/2023: 32,4 Mio. Euro) erwirtschaftet. Diese liegen unter dem Vorjahreswert, bewegen sich aber im Rahmen der Planung, da es im vergangenen Jahr auch eine Sonderzahlung gegeben habe. Die Biosimilarentwickler aus Martinsried bei München haben Produkte auf dem Markt und weitere in fortgeschrittener Phase, sehen sich für die Zukunft gut gerüstet und wünschen sich mehr Verständnis für den hochkompetitiven, aber attraktiven Sektor.

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Als Entwickler eines Nachfolgeproduktes hat man es in den Hightech-Branchen schwer. Sich mit so einem Geschäftsmodell mitten in einen landesweit als führend angesehenen Standort der Biotechnologie-Innovationen zu platzieren, spricht jedoch für ein gesundes Selbstbewusstsein. Das hat die in Martinsried beheimatete Formycon AG über viele Jahre mit ihren verschiedenen Biosimilar-Projekten auch deswegen aufgebaut, weil bereits sehr frühzeitig erfahrene Entwickler und Manager der allerersten nachgebauten Biologika die Firma gründeten und lenkten.

Die Verbindung zu ATHOS (dem Family Office Strüngmann) und deren Beteiligung sowie Know-how aus den Generikamärkten sind weitere Zutaten, um den heutigen CEO Dr. Stefan Glombitza selbstbewusst die Finanzergebnisse des ersten Quartals präsentieren zu sehen, trotz eines (nach Firmensicht vorübergehenden) Rückgangs zum Vorjahreszeitraum. Im Gespräch mit |transkript.de stand er auch für die allgemeine Lagebeschreibung zur Verfügung. Denn allein mit Zahlen und Fakten ist es mit der Beschreibung von Erfolg oder Misserfolg im Biosimilargeschäft nicht getan. In der Beziehung ist es eben nicht wie bei Generika, die nach Patentablauf sofort das Originalpräparat ersetzen und wer der Erste mit dem günstigsten Preis ist, erhält das größte Stück vom Kuchen.

Die Abwehrkämpfe der Originalhersteller bei Biologika sind eine eigene Kategorie und Glombitza verfällt recht schnell in eine eher martialische Sprache, um zu beschreiben, wie viel Know-how, intensive Arbeit und Kreativität es erfordert, die mit in der Regel durch mehr als hundert Patentfamilien abgesteckten Gebietsansprüche, hinter denen der Originator sein hohes Gut verschanzt hat, zu durchdringen. „Biosimilars sind ein hochkompetitives, aber stark wachsendes Feld“, sagt Glombitza. „Aber Formycon kann dort deswegen mithalten, weil wir eine hohe Expertise in den vergangenen zwölf Jahren der Firmenexistenz aufgebaut und von außen ergänzt haben. Wir sehen uns als Schnellboot im Vergleich zu einigen Tankern, die da unterwegs sind. Und Agilität ist enorm wichtig, um die Produktentwicklung zügig voranzutreiben, gerade in der komplexen Welt der diversen Patentstrategien der anderen Akteure.“

Auch bei Biosimilars sind für die gesamte Entwicklung je nach Indikation 150-300 Millionen Euro nötig, daher betont der Formycon-CEO auch die stabile finanzielle Unterfütterung der Firma durch eine hohe Beteiligung der Ankerinvestoren sowie die neue Beteiligung von Gedeon Richter, die rund 83 Mio. Euro in die Formycon-Kasse gespült hat. Zudem würden die Beteiligungen an Verkaufserlösen sowie Meilensteinzahlungen der Kommerzialisierungspartner zunehmend dazu beitragen, die wachsende Pipeline zu finanzieren. „Wichtig ist eine sehr genaue Analyse der Patentsituation über die gesamte Projektlaufzeit“, so Glombitza. Wenn diese Angriffsfläche biete, würde man sich oft auch im Verbund mit anderen Biosimilarentwicklern gemeinsam wiederfinden, um die entsprechenden Patente in Invalidierungsverfahren zu knacken, oder man müsste eben mit eigenen design-around Strategien Wege um die Patente herum finden. Auch die Biosimilarentwicklung generiere Patente, um die eigene Position in dem Schachspiel um die Wettbewerbsposition zu stärken. Die Anwälte seien zwar sehr teuer, die dort weiterhelfen können, aber nur zusammen mit Spezialisten können hier die komplexen Strategien ausgearbeitet werden. Gerade bei verpartnerten Projekten stehe Formycon dann auch nicht allein als Angreifer da, weil die Bündelung der Expertise zusätzlich die Position stärkt.

Zudem stellt Glombitza einen Trendwechsel auch in den USA fest, wo es nicht mehr so einfach sei, die Patentlaufzeiten von 20 Jahren durch Zusatzpatente massiv zu verlängern, sondern – nun auch bei Humira mit etwas Verzögerung – das Originalpräparat auch schneller vom hohen Preis-Sockel gestoßen werden kann. Neben dem Ablauf der Marktexklusivität gebe es nun auch in der Markterschließung eindeutige Signale, dass sich die anfängliche Blockade im sogenannten Pharma-Benefit-Kanal mehr und mehr zugunsten der Biosimilars lösen wird.

Wichtig sei neben den teils herausfordernden Verhandlungen mit dem Originalhersteller auch der geeignete Partner für den Vertrieb nach Zulassung. Dort sieht Glombitza das Modell von Formycon am besten aufgestellt, in dem auf mehrere Partnerschaften gesetzt wird. Dann werden Biosimilar-Wettbewerber wie Sandoz auch einmal zum Vertriebspartner – wie aktuell in den USA –, was diese auch nur deswegen gemacht haben, weil aus der Formycon-Pipeline ein attraktive Marktprodukt entstanden ist.

Für die Kapitalmärkte ist der Sektor jedoch noch nicht wirklich attraktiv, wie man auch beim Börsengang in die Selbständigkeit bei Sandoz gesehen hat. Dabei ist es auch bei diesem Unternehmen gerade der Biosimilarbereich, der das große Wachstum bringt, die reine Generikasparte deutlich weniger. Auch Glombitza beklagt das fehlende Verständnis an der Börse. „Alle Daten sagen, dass sich Biosimilars gewaltig entwickeln werden. Es wird von einer Verdreifachung des Marktes bis zum Ende des Jahrzehnts gesprochen. Wir sind hervorragend aufgestellt, aber dringen mit dieser Botschaft noch nicht ausreichend durch, um den Aktienkurs auf die Höhe des wahren Wertes des Unternehmens zu bekommen“, sagt der CEO.

Dazu beitragen mag die teilweise komplizierte Konstellation einzelner Finanzflüsse zu Biosimilarprojekten der Formycon mit verschachtelten Anteilseignerschaften diverser Kooperationspartner. Diese seien historisch bedingt und gewachsen und über die Jahre auch immer wieder umstrukturiert worden, was das Durchdringen nicht einfacher macht. „Ich kann nachvollziehen, dass das nicht einfach aussieht. Wir möchten das aber transparent abbilden mit einem adjusted EBITDA. Und bei anderen und vor allem den neuen Projekten ist die Beteiligungsstruktur sehr viel einfacher und klarer“, sagt Glombitza. Insgesamt gäbe es eine Gründungs- und Entwicklungsphase der Formycon in den vergangenen Jahren, die dank starker Ankerinvestoren finanziell sehr solide abgelaufen sei. Jetzt sei ein „robuster Sockel gebaut, die nächste Stufe wird jetzt gezündet“, ist Glombitza überzeugt. „Ein enorm wichtiger Meilenstein im Jahr 2024 wird der erste Patient sein, der zum Start unseres klinischen Studienprogramms unser Keytruda-Biosimilar erhalten wird – gefolgt von weiteren Meilensteinen, wie beispielsweise US- und EU-Zulassungen für unsere nächsten beiden attraktiven Pipeline-Projekte, Biosimilars zu den Blockbustern Stelara und Eylea.“

Das Zielvisier der Formycon ist jedenfalls auf attraktive Blockbuster eingestellt, das Verständnis für den gerade in Europa auch fragmentierten Zulassungs- und Erstattungsweg vorhanden. In der aufkommenden Kostendiskussion des Gesundheitswesens will sich Glombitza aber nicht nur für einen Bereich vereinnahmen lassen. „Unsere Branche kennt das Wechselspiel von innovativen Medikamenten und risikoreichen Investitionen, die zurückverdient werden müssen. Das Biosimilar macht Innovationen für ein breiteres Patientenkollektiv zugänglich und verschafft gleichzeitig dann dem System durch Ersparnis die Luft, die nächsten Innovationen frühzeitig verfügbar zu machen. Der Kreislauf zwischen Biosimilars und Innovationsdruck hängt eng zusammen“, so Stefan Glombitza.

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