
Qiagen kauft in USA und sucht einen neuen Chef
Der Branchenpionier Qiagen vermeldet ein deutliches Plus im dritten Quartal und einen Zukauf in den USA im Bereich der Einzelzell-Sequenzierung. Dass man gleichzeitig ankündigt, einen neuen Chef zu suchen, statt diesen Nachfolger auch schon zu präsentieren, wirkt wie eine globale Werbeanzeige nach dem Motto: Völker der Welt, schaut auf diese Qiagen.
Der deutsche Biotech-Pionier Qiagen steht an einem neuen Wendepunkt in seiner langen Unternehmensgeschichte: Vorstandschef Thierry Bernard kündigt seinen Rücktritt an – zu einem Zeitpunkt, an dem das Unternehmen stark dasteht, aber die Branche insgesamt unter Druck steht. Wie der Diagnostik- und Labordienstleister mit Sitz im niederländischen Venlo am Dienstagabend mitteilte, wird Bernard das Ruder abgeben, sobald ein Nachfolger gefunden ist. Die Suche läuft, intern wie extern.
Bernard, seit 2015 im Unternehmen und seit 2019 an der Spitze, hat Qiagen durch eine Phase strategischer Neuausrichtung geführt – von der Corona-Test-Boomzeit hin zu einer breiter aufgestellten, innovationsgetriebenen Diagnostikgruppe. Der Rücktritt kommt also nicht wegen einer unvorteilhaften Entwicklung. „Der Zeitpunkt ist richtig, um den Staffelstab zu übergeben“, heißt es aus dem Unternehmen.
Starke Zahlen und ein mutiger Zukauf in den USA
Begleitet wird die Personalnachricht von robusten Quartalszahlen: Im dritten Quartal legte der Umsatz bei konstanten Wechselkursen um sechs Prozent auf 533 Mio. US-Dollar zu, der operative Gewinn kletterte um 15 Prozent auf 129 Mio. US-Dollar. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 130 Mio. US-Dollar, ein Plus von rund einem Drittel gegenüber dem Vorjahr. Die operative Marge lag bei 29,6 Prozent, der Gewinn je Aktie mit 0,61 US-Dollar über den Erwartungen.
Für das Gesamtjahr hebt Qiagen daher die Prognose leicht an: Das Management rechnet nun mit einem verwässerten Gewinn je Aktie von rund 2,38 US-Dollar, bei einem Umsatzwachstum von vier bis fünf Prozent.
Zugleich kündigte das Unternehmen die Übernahme des US-Biotech-Unternehmens Parse Biosciences an. Qiagen zahlt 225 Mio. US-Dollar in bar sowie mögliche Meilensteinzahlungen von bis zu 55 Mio. US-Dollar. Das 2018 in Seattle gegründete Unternehmen ist spezialisiert auf skalierbare, instrumentenfreie Lösungen für die Einzelzell-Sequenzierung, ein Wachstumsfeld, das Forschern erlaubt, molekulare Prozesse in Millionen einzelner Zellen gleichzeitig zu analysieren. Parse soll bereits 2026 rund 40 Mio. US-Dollar zum Umsatz beitragen.
Ein Unternehmen mit Geschichte
Mit dieser Expansion knüpft Qiagen an eine bemerkenswerte Geschichte an: Gegründet 1984 in Hilden, gilt das Unternehmen als eine der Keimzellen der deutschen Biotech-Szene. Qiagen lieferte Werkzeuge für Labore weltweit, als Biotechnologie hierzulande noch ein Nischenthema war. Heute beschäftigt der Konzern über 6.000 Mitarbeiter und ist fester Bestandteil des DAX.
Gerade deshalb wird die bevorstehende Führungsentscheidung genau beobachtet. Denn die Zeiten sind unsicher: steigende Kapitalkosten, politische Unsicherheiten, geopolitische Spannungen und ein globaler Innovationswettlauf im Biotech-Sektor, in dem sich kein führendes Unternehmen „Kurslosigkeit“ leisten kann.
Kurs halten oder deutlicher Wandel?
Thierry Bernard hat Qiagen in schwierigen Jahren Stabilität gegeben und eine strategische Linie, die Wachstum mit Innovation verbindet. Nun gilt es, die Nachfolge so zu gestalten, dass das Unternehmen weiterhin mit klarem Kopf handelt und nicht führungslos in Zeiten, in denen Orientierung wichtiger denn je ist.
Der bevorstehende Wechsel an der Spitze wird also mehr als nur ein Personalakt: Er ist ein Lackmustest für die deutsche Biotech-Branche insgesamt, ob sie bereit ist, nicht nur wissenschaftlich, sondern auch strategisch den richtigen Schritt zu gehen. Dabei kann man über die Strategie trefflich streiten, ob es nicht klüger gewesen wäre, den Nachhfolger bereits zu präsentieren, oder ob man ganz bewusst in einem Umfeld von vielen sehr guten Nachrichten die Stellenausschreibung quasi ins Schaufenster stellt – und das Unternehmen gleich mit.


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