
Präklinische CRO erweitert mit klinischen Daten den Targethorizont
Vielleicht ist diese Kooperation an manchem Auge und der Verschaltung zur Großhirnrinde vorbeigehuscht. Doch sie lohnt einen tieferen Blick: die kürzlich angekündigte Partnerschaft zwischen Axxam S.p.A. und der Molecular Health GmbH.
Die kürzlich angekündigte Partnerschaft zwischen Axxam S.p.A., einem etablierten Anbieter integrierter Frühphasen-Forschungsunterstützung, und Molecular Health GmbH, einem Entwicklungspartner für kuratierte Datensätze und darauf basierenden KI-Datenlösungen in der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung, ist mehr als eine gewöhnliche Zusammenarbeit. Sie zeigt, wie sich etablierte, biologisch getriebene Wirkstoffforschung mit modernen, datengestützten Entwicklungsansätzen vereinen lässt – ein Beispiel für das Aufbrechen der Trennung zwischen präklinischer und klinischer Zielmolekülvalidierung.
Eine neue Allianz bildet eine Brücke von der KI-gestützten Targetvorhersage zur biologischen Validierung, um therapeutische Innovation zu beschleunigen. „Brücke“ ist dabei vielleicht das falsche Wort – „Tunnel“ träfe es besser, liegen doch die Alpen ziemlich massiv und direkt zwischen Axxam (Mailand) und Molecular Health (Heidelberg).
Diese Allianz wird deswegen hier näher beleuchtet, da sie auf Synergien im Zeitalter der künstlichen Intelligenz setzt – in dem von Machine Learning oft erwartet wird, dass neue Wirkstoffe nur so heraussprudeln. Doch erfahrene Entwickler wissen: Die Wirksamkeit eines neuen Wirkstoffs zeigt sich erst in der klinischen Validierung, und dieser klinische Erfolg hängt eng mit dem Verständnis biologischer Kausalitäten zusammen – die man in einem Labor überprüft, analysiert und bestätigt hat.
Axxam mit Sitz in Mailand versteht sich als „biologisches Powerhouse“ und setzt bei der strategischen Partnerschaft mit Molecular Health auf die beschleunigte Identifizierung und Validierung neuartiger therapeutischer Ziele in verschiedenen Krankheitsbereichen. Als Merhwert für den Pharmakunden. „Die Identifikation des richtigen Targets ist einer der kritischsten und herausforderndsten Schritte in der Wirkstoffforschung“, sagt Ciriaco Maraschiello, CEO von Axxam. „Diese Partnerschaft vereint komplementäre Fähigkeiten – die Vorhersagekraft von KI und die tiefgehende biologische Expertise zur Validierung – und bietet unseren Kunden einen schnelleren und fundierteren Weg zur klinischen Entwicklung.“
Im Interview mit dieser Redaktion führte Maraschiello weiter aus: „Die Nachfrage unserer Kunden hat sich verändert. Pharma- und Biotech-Unternehmen arbeiten zunehmend mit externen Partnern zusammen, die kollaborativ bei der Target-Auswahl denken – besonders bei komplexen oder risikobehafteten Programmen. Vor etwa einem Jahr begannen wir, generative KI zu evaluieren, zunächst mit einer eigenen internen Lösung. Aber wir erkannten schnell, dass wir schneller und effektiver vorankommen würden, wenn wir einen Partner mit ergänzender Expertise hätten. Wir suchten nicht nur Unterstützung, sondern eine echte Partnerschaft.“ Die Auswahl war für beide Seiten eine Herausforderung. „Wir haben drei Unternehmen getestet, indem wir ihnen sogenannte Prompts gegeben haben – und die Antwort von Molecular Health war bei Weitem die beste. Die Liste enthielt nicht nur neuartige Targets, sondern diese waren auch auf ihre klinische Relevanz hin plausibilisiert.“ Genau das sei wichtig für die erneuerte Strategie von Axxam: „Wir wollen die klinische Perspektive ganz früh in den Prozess bringen. Für Pharmaunternehmen heißt das: schneller und sicherer zu den nächsten Meilensteinen zu gelangen“, ergänzt Maraschiello.
Aus Sicht von Molecular Health bietet die Kooperation die Möglichkeit, die eigene digitale Expertise direkt in die präklinische Entwicklung einzubringen – mit dem Ziel, die Wirkstoffentwicklung von der Zulassung her rückwärts zu denken. Beide Unternehmen kannten sich vorher nicht und wären wohl nicht übereinander „gestolpert“, wenn nicht ein gemeinsamer Kunde die Verbindung vermittelt hätte. „Obwohl die Erfolgsraten in der Wirkstoffentwicklung nach wie vor gering sind, ist ein tiefes Verständnis der molekularen Ursachen von Phänotypen entscheidend für bessere Therapien und Entwicklungserfolg“, so Friedrich von Bohlen, Mitgründer und CEO von Molecular Health – und mit seiner langen Historie in der deutschen Biotechnologie kein Unbekannter.
„Durch diese Partnerschaft bieten wir unseren Kunden eine starke Kombination aus Wissen und Expertise – von der Krankheit über das Target bis hin zur Therapie.“
Im Zentrum der Plattform von Molecular Health steht Dataome, eine proprietäre, umfassende Wissensbasis, die molekulare, klinische, phänotypische und pharmakologische Daten integriert. Ziel ist es, kausale Zusammenhänge zu identifizieren, Sicherheit und Wirksamkeit vorherzusagen und ein fundiertes Krankheitsverständnis über verschiedene Indikationen hinweg zu ermöglichen. Kombiniert mit Axxams biologischen Tools – darunter iPSC-basierte Krankheitsmodelle, High-Troughput-Screening und Wirkstoffprofilierung – entstehen daraus präklinische Wirkstoffkandidaten mit einer klinischen Perspektive anhand von kuratierten Daten.
„Wir waren kürzlich auf der BIO in Boston“, berichtete von Bohlen. „Der Druck auf die Pharmaindustrie – durch Preise und durch China, wo Wirkstoffentwicklung schneller und günstiger ist – wächst. Und Investoren wollen die Gewinner unter den vielen Möglichkeiten besser identifizieren. Mit Dataome, unserer einzigartigen, KI-fähigen Wissensbasis, können wir beides: Pharmaunternehmen helfen, die richtigen Kandidaten auszuwählen und sie schneller sowie mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit zu entwickeln. Und Investoren ermöglichen, die vielversprechendsten Firmen und Assets zu erkennen.“
Ein zentraler Vorteil von Dataome liege in seiner semantischen und kausalen Analysefähigkeit – die Target-Modulation mit phänotypischen Ergebnissen verknüpft – sowie in der Rückverfolgbarkeit der Daten. Die Plattform integriert neben Omics-Daten auch Real World Data sowie strukturierte und unstrukturierte klinische Informationen und bietet somit eine fundierte Basis für frühe translationale Hypothesen.
Für Axxam bedeutet die Einbindung von Dataome in die hauseigene, hochautomatisierte Plattform Discovery-MAXX eine Verstärkung der eigenen Fähigkeit, von KI-gestützten Zielvorhersagen über experimentelle Validierung bis hin zu klinischen Assets zu gelangen. „Das ist genau das, was wir sehen wollten“, sagte Maraschiello. „Die Integration klinischer Daten mit Omics-Daten. Molecular Health beginnt beim Patienten in der Klinik und bringt uns näher an die kausalen Zusammenhänge aller molekularen Akteure einer Krankheit.“ Er ergänzte: „KI-Unternehmen können viele Aspekte der Wirkstoffforschung beschleunigen. Aber ohne experimentelle Daten und fachspezifisches Wissen fehlt oft die Präzision, die für fundierte Entscheidungen notwendig ist. Ein weiteres Problem ist: Klinische Partner sind immer noch von der Wirkstoffentwicklung getrennt, ihre Daten stecken in Silos fest.“ Von Bohlen stimmt dem zu und betonte zudem: „Viele KI-Anbieter erzeugen große, undurchsichtige Zielmengen mit unklarer translationeller Relevanz. Molecular Health setzt auf Qualität statt Quantität – mit klinischer Kontextualisierung, krankheitsbezogenen Mechanismen und Sicherheitsdaten.“
Die Zusammenarbeit zeigt bereits Wirkung: Ein erstes Pilotprojekt mit einem Biotech-/Pharmaunternehmen ist angelaufen, das allgemeine Interesse wächst. „Wir haben mit unserem gemeinsamen Angebot bereits Kontakt zu mehreren Pharmaunternehmen aufgenommen und erhalten viel Interesse und positives Feedback“, so Maraschiello. „Unser Track Record als Axxam ist bekannt. Wir haben Wirkstoffkandidaten geliefert, die es bis in die Klinik geschafft haben – darunter mindestens fünf Programme, die bis in Phase I oder II vorgedrungen sind. Viele weitere Projekte sind vertraulich. Das verschafft uns Glaubwürdigkeit. Jetzt können wir uns mit robusten Daten auch gegenüber anderen KI-Anbietern abheben. Molecular Health erweitert unsere Fähigkeiten, und die Zusammenarbeit macht uns richtig Freude.“
Axxam beschäftigt rund 155 Mitarbeitende und betreut Kunden weltweit – gleichmäßig verteilt zwischen Europa und den USA. Mit Molecular Health an der Seite ist das Unternehmen nun gut aufgestellt, um moderne Entdeckungsstrategien zu liefern, die klinische Einsicht, KI und biologische Expertise vereinen. Für von Bohlen ist diese präklinische Partnerschaft ebenfalls etwas Neues. Bisher eher in der klinischen Entwicklung unterwegs, sieht er jedoch einen deutlichen Mehrwert auch für sein Unternehmen sowie eine neue Validierung seiner in langen Jahren gepflegten und gereiften Daten, die dynamisch aktualisert werden. „Die Wirkstoffforschung lässt kaum Raum für planbare Erfolgsfaktoren. Wenn man Risiken reduziert und eine Phase-II-Studie ‚absichert‘ – dann sollte das gehen“, schlussfolgert von Bohlen. Dies wäre auch werthaltig für sein Angebot. Doch das ist dann nochmals eine eigene Geschichte.
Die Partnerschaft ist jedenfalls mehr als eine klassische Verbindung von Datenanalyse und Laborarbeit. Sie könnte ein hybrides Modell begründen – eine Schnittstelle, an der intelligente Systeme und biologische Expertise gemeinsam wachsen. Ein datengetriebener Tunnel – um zum Eingangsbild zurückzukommen –, der den Weg vom Computer in die Klinik ebnet und quasi im Keller unterhalb der Laborexperimente ein Sicherheitsdatennetz spannt.