
Roche präsentiert screeningtaugliches Myelinisierungs-Organoid
Um neue Arzneikandidaten zu finden, mit denen sich Neuronen ohne Myelinscheide wiederherstellen lassen, braucht es Modelle, die die Demyelinisierung und Remyelinisierung wie im Menschen nachstellen. Wissenschaftler der Frühforschungseinheit pRED der Roche AG in Basel haben nun das welterste Organoidmodell für diesen Prozess präsentiert. Mit ihm lassen sich Moleküle finden, die die Myelinscheide wiederaufbauen oder ihren Abbau verhindern, so ihr Hypothese.
Die zunehmende Störung der Weiterleitung von Nervenimpulsen bei Multipler Sklerose (MS) geht auf die Zerstörung der Myelinscheide um Nervenzellen zurück. Organoidmodelle, die diesen Vorgang nachstellen, gibt es bereits seit 2019. Doch sie ließen sich entweder nicht schnell genug züchten oder waren variabel in der Zusammensetzung. Deshalb sah man sie als nicht anwendbar in der industriellen Forschung an.
Ein jetzt von Wissenschaftlern der Frühforschungsdivision pRED bei Roche in Basel veröffentlichtes Verfahren ändert dies erstmals. Hirnorganoide, die Simona Langer und Kollegen aus induziert pluripotenten humanen Stammzellen (hiPSCs) herstellten, zeigten nach Differenzierung und Reifung synaptische Aktivität und bildeten reproduzierbar Neuronen mit intakter Myelinscheidenstruktur. Integrierten die Wissenschaftler in diese Organoide Gliazellen, erhielten sie ein In-vitro-Testsystem, mit dem sie systematisch die De- und Remyelinisierung von humanen Nervenzellen untersuchen konnten. Auf diese Weise lassen sich Wirkstoffe finden, die die Demyelinisierung wieder aufheben.
Mit diesem Testsystem ermittelten Langer et al. zunächst mRNA- und Proteinfingerabdrücke, die nach chemisch aufgelöster Demyelinisierung auftreten. Nach Zugabe präklinisch und klinisch bereits evaluierter Remyelinisierungsverstärker zeigten sich entsprechend Remyelinisierungssignaturen.
Mit diesem Modellsystem führten die pRED-Forscher Tests mit den zwei präklinisch zuvor als pro-myelinisierend erkannten Substanzen XAV939 und IBQ 3020 sowie dem klinisch getesteten Clemastine durch. Ihr Modell bestätigte die myelinisierungsfördernde Wirkung der Substanzen. In Science schreiben Langer et al., wie sie das Testsystem einsetzen möchten: „Das neue Organoid hat das Potential, die Entwicklung neuer Therapien für demyelinisierende Erkrankungen zu beschleunigen“, so Langer et al.