Regelwerk hemmt MedTech-Wachstum
Die Auswertung des SHS Medizintechnik-Index 2022 zeigt eine stagnierende Entwicklung der deutschen Medizintechnikbranche. Der Index, der seit 2019 jährlich in Kooperation zwischen SHS Capital und Prof. Dr. Christian Koziol, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft an der Universität Tübingen, erstellt wird, zeigt im Vergleich zum Vorjahr nur einen Anstieg um einen Prozentpunkt.
Die Erholung nach der Corona-Delle scheint für die deutsche Medizintechnikbranche in eine Seitwärtsbewegung überzugehen, die nur mehr geringes Wachstum widerspiegelt. Das ergab die Auswertung des SHS Medizintechnik-Index 2022, der eine stagnierende Entwicklung der deutschen Medizintechnikbranche feststellt. In einer jährlichen Kooperation erstellen SHS Capital und Prof. Dr. Christian Koziol, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft an der Universität Tübingen, den Index seit 2019. Dieser zeigt im Vergleich zum Vorjahr nur einen moderaten Anstieg um einen einzigen Prozentpunkt.
Laut den Verfassern der Erhebung konnten die Unternehmen zwar substanzielle Umsatzsteigerungen von rund 5% und steigende Beschäftigungszahlen von rund 8% vorweisen, jedoch sorgt ein „beunruhigender Rückgang in der Anzahl der erteilten Patente in der Medizintechnik“ für Sorgenfalten bei den Studienautoren. Es wird auf einen Rückgang von 27% bei den erteilten Patenten hingewiesen, der gemeinsam mit den bereits bedeutenden Rückgängen von 13% im Jahr 2020 und 18% im Jahr 2021, auf eine „alarmierende Innovationsschwäche in der Branche“ hindeutet, wie Koziol dies formuliert. Dazu passt der signifikante Wertverlust der Branche an der Börse (-19%).
Als eine wesentliche Ursache sei die große regulatorische Umstellung auf MDR/IVDR zu nennen. Medizintechnikverbände hätten schon vielfach darauf hingewiesen, dass gerade innovationsstarke KMUs in diesem Bereich große Probleme auf sich zukommen sehen. Aufgrund des hohen regulatorischen Aufwands blieben nur wenige Kapazitäten für Weiterentwicklung und Innovation. Dies sei in der Medizintechnik besonders wichtig, da die Innovationszyklen bei vielen Geräten nur drei Jahre betragen, so die Studie. Eine Innovationsschwäche deutscher Medizintechnik-Unternehmen würde zu einem Innovationsvorteil für Unternehmen außerhalb der EU führen und sich zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für die KMUs hierzulande entwickeln.
In eine ähnliche Richtung hatte zum Jahreswechsel 2022/2023 eine Expertenumfrage der Boston Consulting Group gewiesen. Darin machten über 80% der Teilnehmer deutlich, dass sie Investitionsentscheidungen in Europas Medizintechniksektor derzeit zurückstellen und noch stärker als bisher Zulassungen in den USA priorisieren. Zudem würden auch Japan und China stärker in den Vordergrund rücken und die „Selbstbeschäftigung Europas“ mit einigem Unverständnis wahrgenommen, ergab die BCG-Umfrage. Dass die europäische – und darin als national größter Sektor die deutsche – Medizintechnikbranche den kontinentalen Vorteil eines scheinbar geschlossenen Marktes gegenüber anderen globalen Regionen zu verlieren droht, ist auch Thema im aktuellen German Medtech Guide 2024, der in Kürze erscheint.
Die Internationalisierung der eigenen Innovationsbemühungen sieht SHS-Geschäftsführer Manfred Ulmer-Weber ebenfalls als eine mögliche Lösung für mittelständische Unternehmen: „Innovationen stärken die Marktposition eines Medizintechnikunternehmens. Ausreichendes Eigenkapital und eine gute Strategie sind dabei entscheidend, um Innovationen und steigende regulatorische Anforderungen erfolgreich umzusetzen.“ Der demographische Wandel und andere Faktoren müssten sich als Wachstumstreiber eigentlich viel stärker auch im Industriesektor niederschlagen, als dies bisher der Fall ist und sich im Index wiederfindet. SHS als Investor mit dem sechsten Fonds, der 2022 aufgelegt wurde und ein Volumen von ca. 270 Mio. Euro aufweist, bleibe optimistisch und erwarte für die Medizintechnik im Jahr 2023 eine bessere Performance als für die Gesamtwirtschaft.