Klatsche vom EU-Rechnungshof: EU-KMU-Förderung wirkungslos
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind das Rückgrat der EU-Wirtschaft, sie haben jedoch nicht wirklich von den EU-Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit profitiert. Zu diesem Schluss gelangt der Europäische Rechnungshof in einem heute veröffentlichten Sonderbericht. Im Zeitraum 2014–2020 wurden über die vom EFRE-Fonds finanzierten Programme mehr als 40 Mrd. Euro zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU bereitgestellt, und als Reaktion auf die Corona-Pandemie wurden weitere EU-Mittel freigegeben. Die EU-Prüfer sehen jedoch im Wesentlichen nur "Mitnahmeeffekte" und keine Auswahl der besten KMU-Projekte.
In der EU gibt es mehr als 20 Millionen KMU. Es sei vorgesehen gewesen, 800.000 davon bis Ende 2019 aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) direkt zu unterstützen. Kleine und mittlere Unternehmen sind eine tragende Säule der EU-Wirtschaft, da sie fast zwei Drittel (63 %) der Arbeitskräfte in der EU beschäftigen und die Hälfte (52 %) des EU-Mehrwerts erwirtschaften.
Im Durchschnitt würden im Rahmen der EFRE-Programme für jedes begünstigte KMU rund 42.000 Euro bereitgestellt. Diese Zahl mache jedoch nicht die erheblichen Unterschiede deutlich, die es zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die tatsächliche Höhe der Fördermittel gebe: Die Spannbreite reiche von rund 392.000 Euro pro Projekt in Österreich bis zu weniger als 1.000 Euro in Irland. Neben diesem Gießkannenprinzip prangern die EU-Prüfer auch das Verfahren und die Zielrichtung sowie die Umsetzung an: In der Praxis sei geplant gewesen, den Großteil der EFRE-Mittel an eigenständige Projekte fließen zu lassen, durch die wiederum einzelne KMU unterstützt würden. Die Prüfung habe jedoch gezeigt, dass andere KMU über solche Projekte nur in geringem Umfang profitiert hätten, was die Wirkung der EU-Förderung insgesamt verringert habe. In einigen Fällen habe sich die EFRE-Förderung sogar negativ auf die wirtschaftlichen Aussichten von KMU derselben Branche ausgewirkt, die ihrerseits keine Förderung erhalten hätten. Die Prüfer stellen ferner fest, dass die Projekte in der Regel nur auf einen bestimmten Wettbewerbsaspekt abgezielt hätten.
Auch zur Projektauswahl äußern sich die Prüfer deutlich. So seien die Auswahlverfahren zumeist zu "unambitioniert" gewesen und hätten nicht dazu geführt, dass Fördermittel an die wettbewerbsfähigsten Projekte vergeben worden seien. Die meisten Vorschläge, die eine Mindestpunktzahl für die Förderfähigkeit erreicht hätten, seien ohne weiteren Vergleich oder Wettbewerb zwischen den Anstragstellern finanziell unterstützt worden. Faktoren wie die nachhaltige Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit oder die Erschließung zusätzlicher Marktanteile seien nicht berücksichtigt worden, während Faktoren wie Innovation oder Forschung und Entwicklung nur geringfügige Auswirkungen auf Förderentscheidungen gehabt hätten. Infolgedessen seien die EU-Mittel nicht prioritär an die vielversprechendsten KMU gegangen.
Schließlich stellen die Prüfer den Mehrwert dieser Mittel insgesamt infrage. Sie weisen darauf hin, dass die meisten KMU ohnehin – mit oder ohne öffentliche Förderung – ähnliche Investitionen getätigt hätten. Damit bestätige sich bei dieser Art der EU-Förderung das Risiko von Mitnahmeeffekten, auf das der Rechnungshof bereits mehrfach hingewiesen habe. Entsprechend frustriert klingt der oberste Rechnungsprüfer: "Als Rückgrat der EU-Wirtschaft brauchen und verdienen KMU Unterstützung, wenn sie ihren Betrieb aufnehmen und ausbauen", so Pietro Russo, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs. "Die EFRE-Förderung hat jedoch im Bereich der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit von KMU in den letzten Jahren zu keiner spürbaren Veränderung geführt, was Zweifel am Nutzen der EU-Maßnahmen in diesem Bereich aufkommen lässt." Nach Meinung der EU-Prüfer liege der Fehler darin, dass die EFRE-Verordnung die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet habe, "Strategien festzulegen, wie die Wettbewerbsfähigkeit ihrer KMU am besten gesteigert werden könne". Ohne eine grundlegende Vergabestrategie sei es jedoch schwierig sicherzustellen, dass die EU-Mittel gezielt Unternehmen und Bereichen mit dem höchsten Wachstumspotential zugutekommen.
Quelle: eca.europa.eu