Tolerogenixx: Revolution bei Transplantationsverfahren

Die 2016 gegründete Tolerogenixx stammt aus dem Bereich Nephrologie der Universitätsmedizin Heidelberg und widmet sich der verbesserten Akzeptanz von Fremdgewebe bei Patienten, die ein Nierentransplantat erhalten. Eine Phase I-Studie hatte die Fachwelt 2020 aufhorchen lassen, nun erhält die klinische Entwicklung einen erneuten Schub, denn eine Phase II-Studie wurde genehmigt.

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Die Immunsuppression ist nach wie vor ein notwendiger Bestandteil der Transplantation, obwohl sie mit einer Vielzahl von nachteiligen Auswirkungen einhergeht. Deshalb wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, um  eine Immunsuppression zu umgehen – mit wenig durchschlagendem Erfolg. Ein neuer Ansatz kommt vom Heidelberger Unternehmen Tolerogenix und erhält nun mit dem Schritt in die Phase II-Studie die höheren Weihen der klinischen Forschung, wenn es auch für eine Einschätzung der Erfolgsaussichten noch zu früh ist.

Tolerogenixx verwendet – wie der Name vermuten lässt – einen Trick, um dem Immunsystem des Organempfängers vorzuspielen, das neue "Fremd-Gewebe" sei gar nicht fremd, sondern "eigen" und könne daher toleriert werden. Vor der Transplantation infundierten die Forscher die Empfänger mit modifizierten Immunzellen des Spenders. Diese Immunzellen des Spenders werden durch Mitomycin C (ein Zytostatikum) vorab in einen Zustand der "Prä-Aptoptose" geschickt, in dem Zelloberflächenantigene, die die häufige starke Abwehrreaktion auslösen, stark herunterreguliert sind. Mit dieser Mixtur, die sich MIC beziehungsweise MIC-Lx nennt, "lernt" das Immunsystem des Organempfängers diese fremden Zellen kennen, ohne "allergisch" darauf zu reagieren. Vielmehr wird nun ein Heer an regulativen T- und B-Zellen des Empfängers trainiert, die besonderen Fremd-Antigene (aus der Kategorie der bekannten HLA-Antigene) als etwas Harmloses, Eigenes zu identifizieren. Auf diese Weise erreichten die Forscher von Tolerogenix im Tierexperiment, aber auch in der damaligen Phase I-Studie eine immunologische Hyporesponsivität.

Das Paul-Ehrlich-Institut hat nun eine klinische Studie der Phase IIb für die MIC-Lx-Zelltherapie von Tolerogenixx zur Induktion von Immuntoleranz genehmigt. Der Beginn der Studie mit dem Codenamen TOL-2 ist für das zweite Quartal 2022 geplant. Sie ist eine offene, randomisiert-kontrollierte, multizentrische Phase IIb-Studie zur individualisierten Immunsuppression mit intravenös verabreichten modifizierten Spender-Immunzellen (MIC-Lx) und wird bei Patienten durchgeführt, die sich einer Lebendspender-Nierentransplantation unterziehen werden, wobei die Behandlung mit der Standardbehandlung (SoC) verglichen wird.

Die Aufmerksamkeit der Fachwelt ist Tolerogenixx gewiss, denn das Verfahren könnte auch auf viele weitere Transplantationsfelder angewendet werden und dabei einen Weg für eine Transplantation ohne die heute erforderliche Immunsuppression aufzeigen. Zudem sind andere Einsatzgebiete wie Autoimmunerkrankungen denkbar, in denen es darum geht, das Immunsystem aus dem Abwehrkampfmodus herauszubekommen.

©|transkript.de/gkä

Einsatz des TolerogenixX-Verfahrens am Beispiel der Lebendnierentransplantation: Der Organspender spendet eine Woche vor geplanter OP weiße Blutzellen (immune cells), diese werden im Reinraum (GMP Facility) zu „Modified Immune Cells (MICs)“ modifiziert und noch am gleichen Tag dem potentiellen Organempfänger reinfundiert. Abb.: Tolerogenixx

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