Industriepartner gesucht für sekundenschnellen Test
In einer Zusammenarbeit des Bereichs Physik an der Universität Würzburg mit der Experimentellen Nanomedizin des Universitätsklinikums Erlangen wurde ein hochsensitiver Schnelltest entwickelt, dessen Geheimnis in den selektiv modifizierbaren verwendeten Nanopartikeln liegt. Inklusive Probennahme ist der Test laut Forschern innerhalb einer Minute durchführ- und vor Ort auswertbar.
Viel wurde über Corona-Schnelltests geschrieben, zahlreiche Entwicklungen wurden bejubelt oder in Pilotprojekten ausprobiert. Durchgesetz hat sich davon jedoch kaum etwas. Die neuerliche Infektionswelle in China bringt das Thema jedoch unerwartet wieder ganz nach vorn auf die Agenda. Denn die gängigen Schnelltests zur Diagnostik von Infektionskrankheiten sind zwar immer schneller geworden, aber bei Antigen-Selbsttests, bei PCR-Tests oder bei ELISA-Tests auf das Coronavirus dauert es eben doch 15 Minuten bis mehrere Stunden, ehe ein belastbares Ergebnis vorliegt.
Wesentlich weniger Zeit braucht dagegen ein neuer, sehr empfindlicher Schnelltest, den Wissenschaftler der Universitäten Würzburg und Erlangen entwickelt haben. Er basiert auf speziell designten magnetischen Nanopartikeln und einer neu entwickelten Messmethodik. Mit einem mobilen Messgerät von der Größe eines Laptops dauert es nur wenige Sekunden, um beispielsweise aus einer Speichelprobe verlässlich Antikörper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 nachzuweisen. Über diesen Fortschritt berichtet das Team im Fachjournal Nature Communications. „Unser Test würde inklusive Probennahme und mit allem Drumherum tatsächlich weniger als eine Minute dauern. Das eröffnet ganz neue Einsatzgebiete, etwa bei Kontrollen am Eingang zu Stadien“, sagt der Würzburger Physiker Dr. Patrick Vogel, Erstautor der Publikation.
Magnetische Nanopartikel, kurz MNPs, finden heutzutage Anwendung in verschiedensten Bereichen. Es handelt sich dabei um Kügelchen aus Eisenoxid, die nur wenige hundert Nanometer groß sind. Durch die gezielte Modifikation ihrer Oberflächen sind nicht nur ihre magnetischen Eigenschaften einstellbar, sondern auch die Funktionalität ihrer Oberfläche. Das lässt sich zum Beispiel nutzen, um spezifische Antikörper oder Antigene an die Kügelchen zu binden. Kommt es zu solchen Bindungen, vergrößern sich die Partikel ganz minimal. Um diese nur wenige Nanometer umfassende Änderung messen zu können, hat das Team um Professor Volker Behr und Dr. Patrick Vogel vom Physikalischen Institut der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) ein neuartiges Messverfahren entwickelt: die Critical Offset Magnetic PArticle SpectroScopy, kurz COMPASS. Das Verfahren benötigt einen sehr geringen messtechnischen Aufwand; es ist schnell und ähnlich sensitiv wie die aufwendigen ELISA-Tests.
Entscheidend ist die spezielle Oberfläche des Partikelsystems. Für dessen Design zeichnet die Arbeitsgruppe um Professor Christoph Alexiou von der Sektion für Experimentelle Onkologie und Nanomedizin an der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Erlangen verantwortlich. Die Gruppe ist für ihre Expertise in der Herstellung und Funktionalisierung von Magnetpartikeln weltweit hoch angesehen. Das Team aus Erlangen hat die Oberfläche der Partikel so geschickt manipuliert, dass sich dort gezielt verschiedenste Bindungspartner anbringen lassen. Diese können dann wiederum krankheitserregerspezifische Antigene oder Antikörper an sich binden.
Einen realen Anwendungstest haben die Physiker mit der Arbeitsgruppe um Professor Lars Dölken vom JMU-Institut für Virologie und Immunbiologie durchgeführt. Mit einem tragbaren COMPASS-Messgerät konnten sie zeigen, dass der neue Schnelltest Antikörper gegen SARS-CoV-2 in nur wenigen Sekunden mit einem robusten Ergebnis nachweist.
„Das neue Messverfahren eröffnet viele Anwendungsmöglichkeiten, bei denen Schnelligkeit und Zuverlässigkeit gefragt sind“, sagt Professor Behr. Dazu gehörten beispielsweise die Erfassung neuartiger viraler Erkrankungen oder das Screening von Nutztieren auf meldepflichtige Erkrankungen. Eine Anpassung auf neu auftretende Erreger sei tatsächlich recht schnell umsetzbar: „Die Gruppe aus Erlangen hat die Möglichkeit, die Magnetnanopartikel in größerem Maßstab zu produzieren. Soweit die entsprechenden Liganden zur Verfügung stehen, können die Testseren hergestellt werden“, erklärt Professor Behr. Für eine weltweite und große Produktion braucht es jedoch einen großen Industriepartner, der wird nun gesucht.
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