Zurück aus der Vergangenheit: Lindhofers Antikörper
Lindis Biotech erhält vom Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (CHMP) die positive Empfehlung zur Marktzulassung eines trifunktionalen Anti-CD3 x Anti-EPCAM-Antikörpers. Die Zulassung folgt in der Regel durch die EU in kurzem zeitlichen Abstand. Historiker mögen sich erinnern: der Antikörper hatte bereits von 2009 bis 2017 eine Zulassung und wurde dann jedoch aus ökonomischen Gründen vom Markt genommen. Nun erlebt er eine Wiederauferstehung.
Mit dem trifunktionalen Antikörper hatte der Forscher und Firmengründer Horst Lindhofer einen Meilenstein der deutschen Biotech-Szene gesetzt. Seinem Biotech-Start-up Trion Pharma war es in Kooperation mit der damaligen Biotechnologie-Geschäftseinheit von Fresenius, Fresenius Biotech, gelungen, den am Helmholtz-Zentrum München erforschten und entwickelten Antikörper durch die klinischen Phasen bis zur Zulassung zu bekommen. Das war 2009.
Catumaxomab wirkt über die Zerstörung von Tumorzellen, was zu einer Eindämmung immunologischer Begleit- und Entzündungsgeschehen gegen die Flüssigkeitsanhäufung (maligner Aszites) im Bauchraum bei bestimmten Krebsformen führt. Ein Krankheitszustand, bei dem den Krebspatienten keine weitere Therapie mehr zur Verfügung steht und es vorrangig um palliative Linderung geht. Fresenius Biotech machte sich an die Vermarktung und hatte noch einige Zeit zu tun, die Krankenkassen zu überzeugen, dass eine solche Palliativbehandlung mit einem damals als teuer angesehenen Antikörper aus Sicht der Kostenträger gerechtfertigt werden konnte. Erst als diese Hürde genommen war, konnte eine stärkere Vermarktung angegangen werden, jedoch waren es nur wenige Länder, die den Antikörper in die Erstattung aufnahmen. Bis Fresenius seine Aktivitäten einstellte blieben es zu wenige.
Die zusätzliche Hoffnung von Trion Pharma und Fresenius, mit diesem Wirkstoff einer neuen Klasse von Immun-Onkologika auch andere Krebsformen anzugehen – und dort weitere therapeutische Effekte zu erzielen – kam nicht mehr zum Tragen, nachdem die Entscheidung von Fresenius, das Projekt zu beenden, gefallen war. So waren es schlussendlich marktökonomische Gründe, die die Muttergesellschaft Fresenius dazu bewogen, dieses Biotechnologie-Abenteuer zu beenden, den Antikörper ab 2014 nicht mehr zu vermarkten und dann 2017 wieder vom Markt zu nehmen.
„Die Versorgungssituation von Krebspatienten in diesem Stadium hat sich jedoch seither nicht verbessert“, sagt Horst Lindhofer im Gespräch mit |transkript.de. Nach neuerlicher Zulassung durch die Europäische Kommission wäre KORJUNY® (wie Catumaxomab nun heißen soll) das einzige zugelassene und verfügbare Medikament zur intraperitonealen Behandlung von malignem Aszites bei Erwachsenen mit Epithelial Cell Adhesion Molecule (EpCAM)-positiven Karzinomen. Die positiven Daten aus der Zulassungsstudie, die zeigen, dass die Wirksamkeit der Kombinationstherapie aus Parazentese und Catumaxomab der alleinigen Parazentese statistisch signifikant überlegen ist, sowohl hinsichtlich des punktionsfreien Überlebens als auch der Zeit bis zur ersten therapeutischen Aszitespunktion, wurden inzwischen über die Zulassungsstudie hinaus auch in vielen weitergeführten klinischen Untersuchungen untermauert, wie Lindis Biotech betont.
Lindhofer wirkt im Gespräch optimistisch. „Wir waren wohl einfach zu früh dran. Das Schicksal von Pionieren“, so erklärt er den damaligen Rückzug des Antikörpers und die geringe Resonanz in der klinischen Anwendung. Heute hätte die Nachfrage seitens Patienten und Ärzten nach dem Antikörper die neuerliche Auflage zur Zulassung getriggert. Grundsätzlich wurden Daten aus einer großen Studie von 2010 für die neuerliche Zulassungsempfehlung herangezogen. Die Studie zeigte, dass mit KORJUNY® behandelte Patienten ein viermal längeres punktionsfreies Überleben erreichten als Patienten, die nur punktiert wurden. Die Parazentese ist nach wie vor der häufigste Eingriff und die Standardtherapie bei chemotherapierefraktären Patienten mit malignem Aszites [Heiss et al., 2010]. Seit damals habe der Antikörper seine Sicherheit und antitumorale Wirksamkeit bei mehr als 2.000 Patienten unter Beweis gestellt, sagt Horst Lindhofer.
Obwohl Catumaxomab 2017 aus rein kommerziellen Gründen freiwillig vom europäischen Markt genommen wurde, hat seine erste Zulassung die Entwicklung bispezifischer T-Zell-Engager für die Krebstherapie vorangebracht. Viele dieser Nachfolgepräparate sind zwar immer noch in der klinischen Entwicklung, weil weitere neue Ansätze noch größere Aufmerksamkeit auf sich zogen (CAR-T, T-Zell-Rezeptor-Therapien …), doch Horst Lindhofer ist weiterhin vom Potential seines Antikörpers überzeugt und hält eine mögliche Verbreiterung des Einsatzgebietes über die Palliativbehandlung hinaus für möglich. Dass er mit dieser Meinung nicht ganz danebenliegt, dafür könnten auch die zuletzt beim ESMO in Barcelona gezeigten Ergebnisse der CATUNIBLA-Studie beim Blasenkarzinom sprechen.
Die Lindis Biotech GmbH wurde 2010 von Dr. Horst Lindhofer als Nachfolger der insolventen Trion Pharma gegründet. Die Triomab®-Plattform seines ersten Unternehmens und alle diesbezüglichen IP-Rechte konnte er in die neue Firma überführen. Die Neuauflage von Catumaxomab (der als Medizinprodukt auch in der Lindis Blood Care GmbH zur Reinigung von Eigenblut des Krebspatienten entwickelt wird und von der FDA den Novel-Technology-Status erhalten hat) konnte nach dem Erwerb aller erforderlichen Rechte angegangen werden. Eventuell erlebt man nun bald die offizielle Wiedergeburt und Zulassung. Zum zweiten Mal nach 15 Jahren.