MPG, Christoph Mukherjee

Zehn-Punkte-Plan der Max-Planck-Gesellschaft für die neue Bundesregierung

Die Max-Planck-Gesellschaft hat Anfang März in die sich bildende Koaltion einer neuen Bundesregierung einen Zehn-Punkte-Plan für Innovation und Wertschöpfung veröffentlicht. Diese basiere auf Bildung und Spitzenforschung. Um Deutschlands führende Rolle in der Wissenschaft zu sichern, müsse die neue Bundesregierung daher zum einen eine verlässliche Finanzierung gewährleisten und die institutionelle Autonomie und Wissenschaftsfreiheit wahren und zum anderen die Rahmenbedingungen für Forschung schnell an die Herausforderungen des globalen Wettbewerbs anpassen. Nur so lassen sich bahnbrechende Erkenntnisse gewinnen, technologische Durchbrüche erzielen und innovative Lösungen für den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt entwickeln.

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1. Ein Bundesministerium für Forschung, Innovation und Transformation (BMFIT) schaffen

Um das politische Potential zu heben, sollte das bisherige BMBF aufgewertet werden. Dafür sollten Bereiche anderer Ressorts integriert werden. So kann das Ministerium erfolgreich dazu beitragen, die Autonomie der Grundlagenforschung und die Innovationskraft gleichsam zu stärken, die oft bestehende Lücke zwischen Forschung und Anwendung zu überwinden, die Transformationen der Industrie zu meistern und Wirtschaftswachstum zu generieren. Die Leitungsebene muss fachpolitisch hervorragend ausgewiesen, international orientiert und im Wissenschaftssystem solide verankert sein.

2. Eine wissenschaftliche Chefberatung (Chief Scientific Advisor) einsetzen

Das derzeitige System der wissenschaftlichen Politikberatung gleicht einem vielstimmigen Chor und ist im internationalen Vergleich ineffizient und langsam. Zudem bestehen Hürden im Austausch zwischen Wissenschaft und Politik, die die Handlungsfähigkeit in Krisensituationen einschränken. Wir fordern daher die Einsetzung einer wissenschaftlichen Chefberatung mit Kabinettsrang nach dem Vorbild des Chief Scientific Advisor in Großbritannien, USA oder Kanada. Diese Person soll unabhängig von Parteien und Institutionen mit einem kleinen Team die gesamte Breite der Wissenschaft für den politischen Beratungsprozess erschließen, damit Politik schnell zu informierten Entscheidungen gelangen kann.

3. Überregulierung umgehend abschaffen

Die von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen in ihrem Papier „Wissenschaft braucht Freiheit“ benannten konkreten Maßnahmen zum Abbau von Überregulierung müssen schnell und konsequent umgesetzt werden. Zudem muss das Wissenschaftsfreiheitsgesetz angewandt und erweitert werden, damit vorhandene Ressourcen weitestgehend der Forschung zugutekommen und nicht in unnötige Bürokratie fließen. Die regulatorischen Auflagen für den Wissenschaftsbetrieb haben ein Ausmaß erreicht, das die Leistungsfähigkeit der Forschung beeinträchtigt. Deshalb müssen Berichtspflichten umgehend auf das notwendige Minimum zurückgeführt, gesetzliche Regelungen wissenschaftsfreundlich gestaltet und die Selbstverwaltung der Institutionen respektiert werden.

4. In Forschung und Infrastruktur investieren

Der Pakt für Forschung und Innovation mit einem Aufwuchs von jährlich 3% muss fortgesetzt werden, um Inflation und Kostensteigerungen auszugleichen. Darüber hinaus muss an der Zielmarke von mindestens 3,5% FuE-Ausgaben vom BIP festgehalten werden. Zudem wird ein Investitions-Sonderprogramm für Gebäude, KI und Infrastruktur benötigt, auch um die Wissenschaft auf dem Weg zur Netto-Treibhausgasneutralität voranzubringen. Zudem sollten steuerliche Anreize für private Mittel zur flexiblen Forschungsförderung verbessert werden, denn diese werden in viel größerem Umfang benötigt, um in kompetitiven Feldern schnell und unbürokratisch neue Projekte anzustoßen.

5. Für eine starke europäische Forschungspolitik eintreten

Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wissensökonomie zu erhalten, müssen die Investitionen in FuE erhöht werden. Die Bundesregierung sollte die exzellenzorientierte Forschungsförderung auf EU-Ebene vorantreiben und eine Verdopplung des Budgets für den überaus erfolgreichen Europäischen Forschungsrat (ERC) unter Wahrung seiner institutionellen Unabhängigkeit einfordern, ebenso wie eine Erhöhung für die Mittel des Europäischen Innovationsrats (EIC), der eine gute Möglichkeit zur Finanzierung und Unterstützung von Start-ups aus der Forschung bietet. Zur Sicherung der technologischen Souveränität Europas sollte eine Förderung von KI-Forschung und -Ausbildung eingefordert werden, insbesondere im Rahmen des European Laboratory for Learning and Intelligent Systems (ELLIS). Zudem wird mehr Risikokapital benötigt, um Innovationen zu kommerzialisieren, weshalb die nötigen Schritte hin zu einer Kapitalmarktunion mit Nachdruck verfolgt werden sollten.

6. Bedingungen für Talentgewinnung und Karriereentwicklung verbessern

Um exzellente Talente aus dem internationalen Pool zu gewinnen, ist eine vereinfachte Visavergabe für Fachkräfte und eine Willkommenskultur essentiell. Insbesondere das organisationsübergreifende Erfolgsprogramm Max Planck Schools soll mit Unterstützung von Bund und Ländern auf neue Zukunftsfelder ausgeweitet werden. Um Karrierewege zu eröffnen, sollten Mindestlaufzeiten von Verträgen in frühen Karrierestufen eingeführt und Missbrauch durch lange Drittmittel-Kettenverträge abgeschafft werden. Zudem muss der Wechsel von Talenten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft vereinfacht werden. Um die besten internationalen Talente bei uns zu halten, ist die Möglichkeit für eine doppelte Staatsbürgerschaft unerlässlich. Darüber hinaus sind junge Talente in der Familiengründungsphase auf verlässliche Vereinbarkeitsstrukturen angewiesen, die durch das Besserstellungsverbot erheblich eingeschränkt werden und flexibilisiert werden müssen.

7. Ein Tierversuchsgesetz einführen

Ethisch verantwortliches Arbeiten mit Versuchstieren sollte durch ein eigenständiges Tierversuchsgesetzes für Forschung und Industrie klar geregelt werden. So kann die Überregulierung durch das derzeit geltende Tierschutzgesetz abgebaut und optimaler Tierschutz mit Rechtssicherheit für Wissenschaftler gewährleistet werden. Zudem müssen Antragsverfahren bundesweit vereinheitlicht werden. Die derzeitige Praxis, dass ein Großteil von Anträgen auf Tierversuchsvorhaben nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist bearbeitet werden, ist inakzeptabel und wird zu einer Abwanderung von Forschungsvorhaben ins Ausland führen.

8. Das Forschungsdatengesetz verabschieden

Um die Zugänglichkeit und Wiederverwendbarkeit von Daten – einschließlich Registerdaten von Bund und Ländern – zu verbessern, ist das Forschungsdatengesetz erforderlich. Gleichzeitig muss das Datenschutzrecht so angepasst werden, dass die Nutzung anonymisierter personenbezogener Daten nach Zustimmung für Forschungszwecke erleichtert wird. Gerade im Bereich der Medizin müssen viele Daten in standardisierter und anonymisierter Form für die Forschung verfügbar werden.

9. Forschungspartnerschaften in Mittel- und Osteuropa stärken

Um den Europäischen Forschungsraum zu stärken, soll das erfolgreiche Dioscuri-Programm zur Stärkung der Forschung in Polen und Tschechien und ihrer Vernetzung fortgeführt sowie auf weitere Länder wie Slowenien und die baltischen Staaten ausgedehnt werden. Für die Ukraine wird ein Sonderprogramm für Forschungspartnerschaften benötigt, um das Wissenschaftssystems zu unterstützen und die wissenschaftlichen Kapazitäten für den Wiederaufbau der Ukraine zu stärken.

10. Diskurs und Wissenschaftskommunikation schützen

Die Politik muss die großen Online-Plattformen mit ihren intransparenten Algorithmen regulatorisch einschränken, indem sie unter anderem offene Standards und den Digital Service Act durchsetzt, um den Diskursraum für Wissenschaftskommunikation zu schützen und faire Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen und so die Medienvielfalt und faktenbasierten Wissenschaftsjournalismus zu erhalten. Social Media schwächen das Vertrauen in Wissenschaft, Demokratie und Medien. Sie fördern Populismus und Polarisierung und gefährden damit den demokratischen und akademischen Diskurs.

Die Max-Planck-Gesellschaft fordert daher die rasche Umsetzung dieses 10-Punkte-Plans.

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