
PET-Tracer erkennt Fortschreiten von MS
Einen großen Fortschritt beim Nachweis der Schädigungen der grauen Hirnmasse, die bei Multipler Sklerose mit motorischen und kognitiven Defiziten einhergehen, melden Neuroimmunologen der LMU München. Mit einem neuen PET-Marker gelingt es ihnen, den Krankheitsverlauf zu verfolgen.
Das Fortschreiten der Multiplen Sklerose (MS) lässt sich an der Schädigung der grauen Hirnmasse ablesen. Mit dem Standardnachweisverfahren bei MS, der Magnetresonanztomographie (MRT), lassen sich dagegen nur Schädigungen der weißen Hirnsubstanz detektieren. Ein Team der LMU München um Prof. Dr. Martin Kerschensteiner identifizierte nun einen Biomarker, mit dem sich per Positronen-Emissions-Tomographie (PET) der Synapsenverlust in der grauen Hirnmasse nachweisen und zeitaufgelöst verfolgen lässt. Das Verfahren schließt damit eine wesentliche Lücke in der MS-Diagnostik und -Überwachung.
Die Forscher um Kerschensteiner vom Institut für Neuroimmunologie prüften zunächst, ob sich das synaptische Vesikelprotein SV2A per PET nachweisen lässt. Dazu nutzten sie den SV2A-spezifischen Radioliganden [¹⁸F]UCB-H. Zunächst bestätigten sie histologisch, dass SV2A ein geeigneter Marker für die Synapsendichte bei MS ist, indem sie die SV2A-mRNA- und Proteinexpression in der kortikalen grauen Substanz analysierten. Anschließend zeigten die Neuroimmunologen in einem Mausmodell der kortikalen MS-Pathologie, dass die SV2A-PET-Bildgebung in der Lage ist, das Ausmaß des Synapsenverlustes in kortikalen Läsionen zu detektieren. Dazu verglichen sie die mittels PET gemessene Synapsendichte mit den Dichten genetisch und immunhistochemisch markierter Synapsen in denselben Läsionen – sie stimmten überein. Um zu prüfen, ob ihre SV2A-PET-Bildgebung auch klinisch relevant ist, wandten Erstautorin Emily Ullrich Gavilanes und Kollegen diese bei 31 MS-Patienten in unterschiedlichen Krankheitsstadien an. Die PET-Bildgebung wies den Synapsenverlust in kortikalen MS-Läsionen in vivo verlässlich nach.
Der Tracer zeigte zudem Unterschiede in der Menge des SV2A-Proteins zwischen den beiden Gehirnhälften und gab Hinweise auf potentiell größere Läsionsbereiche. Deren Ausmaß korrelierte wiederum mit dem Behinderungsgrad und dem kognitiven Abbau. Mit der neuen Methode lässt sich also erstmals der Krankheitsfortschritt bei MS klinisch nachweisen.
„Obwohl noch viel Arbeit vor uns liegt, glauben wir, dass unsere Studie den Machbarkeitsnachweis liefert, dass die SV2A-PET-Bildgebung helfen kann, pathologische Veränderungen in der kortikalen grauen Substanz bereits in ihren frühen Stadien sichtbar zu machen“, schreiben die Wissenschaftler in der Anfang Oktober in Science Translational Medicine veröffentlichten Studie (DOI: 10.1126/scitranslmed.adt5585).