Swiss Biotech Report: Verschnaufpause und Kräfte sammeln

Die Schweizer Biotech-Branche zeigte sich im vergangenen Jahr robust und bleibt ein wichtiger Innovationsmotor für das globale Gesundheitswesen. Dies geht aus dem Swiss Biotech Report hervor, der Ende April von der Swiss Biotech Association in Zusammenarbeit mit EY und acht weiteren Partnerorganisationen als Bilanz der Schweizer Biotech-Unternehmen auf dem Swiss Biotech Day in Basel veröffentlicht wurde.

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Der aktuelle Swiss Biotech Report, der Ende April von der Swiss Biotech Association in Zusammenarbeit mit EY und acht weiteren Partnerorganisationen als Bilanz der Schweizer Biotech-Unternehmen veröffentlicht wurde, belegt: Die Schweizer Biotech-Branche zeigte sich im vergangenen Jahr robust und bleibt ein wichtiger Innovationsmotor für das globale Gesundheitswesen. Die Unternehmen erwirtschafteten einen Umsatz von 6,8 Mrd. CHF. Der Kapitalzufluss betrug über 1,3 Mrd. CHF, wovon rund 780 Mio. CHF in börsennotierte und 550 Mio. CHF in private Unternehmen flossen. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung stiegen erneut an und erreichten mit 2,7 Mrd. CHF einen neuen Höchststand.

"Die rekordhohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung von über 2,7 Milliarden Schweizer Franken zeigen, dass die Schweizer Biotech-Unternehmen im Jahr 2022 trotz globaler Unsicherheiten und einem insgesamt schwierigeren Finanzierungsumfeld weiterhin stark investiert haben. Obwohl global tätige Investoren selektiver investierten als zu Zeiten der Covid-Pandemie, flossen den Schweizer Biotechs mehr als 1,3 Milliarden Franken Kapital zu. Dies zeigt, dass Schweizer und internationale Biotech-Investoren die Attraktivität der Branche nach wie vor erkennen", sagte Michael Altorfer, CEO der Swiss Biotech Association, bei der Präsentation des jährlichen Branchenreports.

Das Bild ist aber nicht ungetrübt, denn in den vergangenen Jahren habe man eine von der Corona-Pandemie getriebene Hochstimmung erlebt, die die Branche fast schon "verhätschelt" habe, wie es die Neue Zürcher Zeitung kürzlich beschrieb. An diese Rekordzahlen komme man nun nicht mehr heran, müsse deshalb aber nicht gleich in Depression verfallen, so der Grundtenor der Schweizer Branchenvertreter.

Die Schweiz kennt dieses Auf und Ab ebenso gut wie der große Nachbar Deutschland (der übrigens jüngst selbst nur rund 1 Mrd. Euro als Gesamtfinanzierung der deutschen Biotech-Branche für 2022 vermelden konnte – bei rund zehnmal so vielen Einwohnern wie die alemannischen Nachbarn). So war man 2021 noch sehr euphorisch, dass während der Coronapandemie ein Antikörper gegen Alzheimer gefunden schien, der von der Schweizer Firma Neurimmune stammte und von Biogen unter dem Namen Aducumab/Aduhelm zur Zulassung gebracht werden konnte. Doch dann wurden die Fragezeichen immer größer, die Datenanalyse hielt vielen Nachfragen kaum stand und die Firma zog das Medikament aus immer mehr Märkten zurück oder verzichtete auf eine Zulassung. Die in Solothurn in der dortigen Biogen-Niederlassung groß geplante und vorbereitete Produktionsstätte für das Medikament liegt seither still und wartet auf bessere Zeiten. Ein Kontrastbild bietet Humabs Biomed aus Bellinzona im Tessin, die gemeinsam mit der dann aufkaufenden amerikanischen Mutter Vir Biotechnology und dem Entwicklungspartner GSK einen Covid-19 Antikörper wirksam und erfolgreich auf den Markt bringen konnte (Sotrovimab), der dann nur von den Spike-Mutationen ein wenig ausgetrickst wurde, aber bei rund 2 Millionen Verabreichungen wohl eine große Zahl an Leben sehr konkret gerettet hat.

Doch die Schweizer Biotech-Branche besteht nicht nur aus solchen Einzelfällen und auch nicht nur aus den börsennotierten Unternehmen, die immer wieder die Aufmerksamkeit der Beobachter auf sich ziehen. Das Gegenteil ist der Fall: Mehr als 95% der Schweizer Biotech-Unternehmen sind private Firmen, viele von ihnen klein, und dennoch erwirtschafteten sie im Jahr 2022 erneut einen Rekordumsatz von 6,8 Mrd. CHF, nach 6,7 Mrd. CHF im Jahr 2021. Dazu haben die Produktverkäufe einiger börsennotierter Unternehmen durchaus beigetragen, und der reine Blick auf den Umsatz wäre nicht vollständig ohne die Gewinn- und Verlustrechnung: Hier bleibt die Schweizer Biotech-Szene aufgrund der hohen Investitionen mit rund -1,4 Mrd. CHF im roten Bereich. Positiv sei aber, dass die Investitionen in die Zukunft gerichtet seien und die nach wie vor hohe Liquidität durch die vielen Milliardenfinanzierungen der vergangenen Jahre nach wie vor für eine hohe Stabilität sorge, so Frederik Schmachtenberg, EY, einer der Autoren des Reports.
Bei den privat finanzierten Biotech-Unternehmen, die insgesamt 550 Mio. CHF neues Kapital erhielten, entfiel der größte Teil auf CDR-Life und ImmunOS Therapeutics mit Finanzierungsrunden von je über 70 Mio. CHF. Erfreulich sei auch, so Altorfer, dass sich in den ersten Monaten des neuen Jahres bereits wieder ein deutlicher Aufwärtstrend abzeichne, wie die bemerkenswerten Finanzierungsrunden von Noema und Alentis (jeweils über 100 Mio. CHF) zeigten.

Der Swiss Biotech Day und der dort präsentierte Branchenreport dient immer auch der Standortwerbung für die Schweiz. Die Argumente scheinen zu verfangen, denn Ende 2022 hatten bereits 20 Prozent der europäischen Biotech-Firmen ihren Hauptsitz in der Schweiz. Als ausschlaggebende Faktoren für die Standortwahl nannten sie laut SBA die zentrale Lage, die moderne Infrastruktur, das wirtschaftsfreundliche Umfeld und die exzellenten Fachkräfte. Für Start-ups mag auch hilfreich sein, dass die Schweiz als Musterland des Technologietransfers gilt und sich nun auch in der Behördenwelt etwas bewegt: So wurde im Jahr 2022 von der Schweizer Zulassungsbehörde Swissmedic das Innovation Office gegründet. Die neue Institution soll eine schnellere Entwicklung von innovativen Medikamenten ermöglichen.

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