Morphosys / Novartis

Morphosys-Standorte werden geschlossen

Das war keine schöne Weihnachtsbotschaft an die noch rund 330 Beschäftigten der Martinsrieder Morphosys: Novartis hat bestätigt, dass der Münchner Standort der übernommenen Morphosys sowie der US-Standort in Boston zum Jahresende 2025 dichtgemacht werden. Das einstige Flaggschiff des Münchner Biotech-Clusters, das 1992 aus dem Max-Planck-Institut für Biochemie als Antikörper-Schmiede gegründet worden war, ist bereits vom Börsenparkett verschwunden, nun verschwinden mit der Schließung der Standorte auch die letzten Erinnerungsorte an das ehemalige Vorzeigeunternehmen.

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Der Schritt ist keine Überraschung. Mit dem Abstreifen der eigenen Antikörper-Forschung durch die Veräußerung von selbst oder durch Partnerunternehmen durch die Zulassung bekommenen Antikörpern und deren Umsatz- oder Lizenzerlösen an Royalty Pharma zur Finanzierung der Übernahme der US-amerikanischen Constellation Pharma in einem Milliardendeal hatte der damalige CEO Jean-Paul Kress das Steuer im Unternehmen um 180 Grad herumgerissen.

Das Small molecule Pelabresib und ein paar weitere Assets waren eine ganz andere Sache als die in gut drei Jahrzehnten aufgebaute Kompetenz in der Antikörperentwicklung durch die firmeneigene Plattformtechnologie. Diese Morphosys-Technologie mag dabei in die Jahre gekommen sein und manche neue Entwicklung wie etwa die ADC-Wirkstoffklasse zog an ihr vorbei, wie einstige Morphosys-Führungspersonen heute selbstkritisch sagen. Dies habe man an schwieriger werdenden Gesprächen auf den Partnering- und Investorenkonferenzen durchaus gespürt. Doch Morphosys habe zuviel Zeit verstreichen lassen, um mit kleineren technologischen Akquisitionen wieder in eine bessere Verhandlungsposition zu kommen. Stattdessen war es wohl auch dem damaligen Aufsichtsrat ein Anliegen, mit etwas mehr Risiko in ganz neue Bereiche vorzustoßen, in der Hoffnung, die Börse würde das honorieren und die sagenumwobene Phantasie das Unternehmen mit neuer Frische ausstatten.

Kress setzte diesen Plan konsequent um: Die eigene präklinische Forschung bei Morphosys wurde nicht mehr gebraucht, 70 Mitarbeiter entlassen. Die Forschungsstätten von Constellation Pharma in Boston wurden nicht mehr gebraucht, es blieb ein Team für die klinische Entwicklung und die Investorenansprache im selbsternannten Lieblingsort des französischen CEO. Planegg/Martinsried hatte damit kein gutes Standing mehr in der Führungsriege, die schlussendlich komplett neu besetzt wurde. Kress und sein Aufsichtsrat setzten alles auf die Pelabresib-Karte.  Diese musste gleichsam ein Erfolg werden, denn eine womöglich gescheiterte Unternehmenstransformation wäre kein Schmuckstück im Lebenslauf.

Über die Verwirrung rings um die klinischen Daten der Phase III-Studie hat |transkript ausführlich berichtet. Diese Schlagzeilen wurden jedoch bald abgelöst von der Morphosys-Übernahme Anfang 2024 durch die Schweizer Novartis für 2,7 Mrd. Euro. Kein guter Deal für langjährige Morphosys-Aktionäre, die schon wesentlich höhere Kursstände und Bewertungen gesehen hatten, doch damals hatte das Management verpasst, die Welle erfolgreich zu reiten. Die vielen Fragezeichen nach der Übernahme über die Datenqualität der Pelabresib-Studie, ein stärkeres Augenmerk auf die schwerwiegenden Nebenwirkungen, all das hat bei Novartis wohl zu einem zweiten Nachdenken geführt. Nicht nur werden die Übernahmekosten bereits als Abschreibeposten aufgeteilt auf das vergangene und wohl auf weitere folgende Jahre verbucht, die Fortsetzung der klinischen Entwicklung des Wirkstoffes ist zumindest fraglich. Zwar beteuert Novartis, dass in diesem Jahr dazu weitere Daten erhoben werden. Doch bleibt fraglich, wie viel Engagement die Schweizer noch in den Zukauf stecken werden, wenn bereits eine Abschreibung dazu bilanziert wird.

Mit der Schließung der Morphosys-Standorte ist nun das letzte Kapitel dieser Übernahme, aber damit auch des einstigen Flaggschiffs angebrochen. In Martinsried selbst schwankt die persönliche Stimmungslage je nach Gesprächspartner. Einige sind weiterhin einfach stolz auf die Morphosys-Geschichte und ihre Bedeutung für die Standortentwicklung insgesamt. Andere sehen das Ende des Unternehmens als die unrühmliche Ausprägung des Biotech-Sharholder-Value-Spiels, bei dem zwar einige etwas gewonnen haben mögen, aber ein „Geschmäckle“ bleibe, ob das alles im Sinne der Innovationen für Patienten gewesen ist.

Dass der in Partnerschaft mit Johnson&Johnson aus der Morphosys-Plattform entstandene Antikörper Tremfya heute Blockbuster-Status mit über 3 Mrd. US-Dollar Jahresumsatz erreicht hat, ist dabei für die Patienten eine gute Nachricht, der langjährige Morphosys-Begleiter bleibt an dieser Stelle jedoch mit Kopfschmerzen zurück.

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