
Wettrennen um Eylea-Biosimilar in Europa
Die Originalhersteller werden gejagt. Von Biosimilarentwicklern und ihren Herstellungs- und Vermarktungspartnern. Dort treten auch Konkurrenzsituationen untereinander auf, doch gleichzeitig gibt es mannigfaltige Verflechtungen, die auch Abhängigkeiten und Wettbewerbsvermeidungsstrategien vermuten lassen.
Mit dem Marktstart von Afqlir® (Aflibercept) in Europa zum Wochenbeginn setzt Sandoz einen zentralen Baustein seiner Biosimilar-Strategie um. Das Präparat wurde bereits im November 2024 von der Europäischen Kommission zugelassen und entspricht dem Referenzprodukt Eylea® in Wirksamkeit, Sicherheit und Pharmakokinetik. Die Einführung beginnt in Großbritannien und werde „in den kommenden Monaten auf weitere große EU-Märkte wie Deutschland und Frankreich ausgeweitet“, teilt das Unternehmen aus Basel, Schweiz mit, ohne eine genauere Zeitangabe zu veröffentlichen.
Aflibercept gilt als Goldstandard bei der Behandlung neovaskulärer Netzhauterkrankungen wie der altersbedingten Makuladegeneration (nAMD), der retinalen Venenokklusion (RVO) und des diabetischen Makulaödems (DME). Diese Indikationen zählen zu den weltweit häufigsten Ursachen für schwere Sehbehinderung, bei zugleich steigender Prävalenz durch die alternden Gesellschaften.
Strategische Bedeutung für Sandoz
Der Launch markiert einen weiteren Meilenstein in der Wachstumsstrategie von Sandoz. Das Unternehmen hat 2025 bereits mehrere wichtige Biosimilars eingeführt, darunter Tyruko® (Natalizumab) in den USA sowie die Denosumab-Biosimilars Wyost® und Jubbonti®. Mit Afqlir® stärkt Sandoz seine Position im globalen Anti-VEGF-Markt, der auf rund 15 Mrd. US-Dollar geschätzt wird. Parallel verfolgt Sandoz auch eine US-Strategie beim Eylea-Biosimilar: Nach der Einigung mit Regeneron über patentrechtliche Streitigkeiten ist der Weg für den US-Launch des Aflibercept-Biosimilars Enzeevu™ bis Ende 2026 frei. Damit hat der Originalhersteller in einem Deal eine weitere Verlängerung seiner Marktposition für diese Zeitspanne ausgehandelt, die die Biosimilarkonkurrenz in der Warteposition hält.
Formycon: Wachsender Konkurrent im Aflibercept-Biosimilar-Markt
Der europäische Markt für Aflibercept-Biosimilars beginnt sich 2025 deutlich zu beleben. Neben Sandoz arbeiten mehrere Unternehmen an der Einführung eigener Alternativen zu Eylea®. Besonders hervor sticht dabei die bayerische Formycon AG als zentraler Wettbewerber aus Deutschland.
Der Münchner Biosimilar-Spezialist Formycon gehört zu den am weitesten fortgeschrittenen Anbietern. Sein Produkt FYB203, ebenfalls ein Aflibercept-Biosimilar, erhielt breite Aufmerksamkeit, da Formycon bereits mit früheren ophthalmologischen Biosimilars (FYB201 / Ranibizumab, vermarktet als Ongavia®) eine starke Marktposition aufgebaut hat. Die Zulassung durch die Europäische Kommission für die EU-Mitgliedsstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen wurde am 20. Januar 2025 bekanntgegeben. Am 25. Februar folgte die Zulassung in Großbritannien.
Marktbeobachter erwarten zwar, dass FYB203 parallel zu Sandoz in wichtige Märkte eintritt, doch das genaue Timing ist nicht bekannt. In der engen Wettbewerbssituation können jedoch Tage und Wochen darüber entscheiden, wie sich der Nachfolgermarkt des Orginalpräparates auf neue Biosimilaranbieter aufteilt. Die Rückflüsse von den erwarteten Erlösen sind dabei bei Formycon in diesem Fall auch recht komplex gestaltet. FYB203 wurde bereits 2015 an die Santo Holding (Deutschland) GmbH auslizenziert (Gebrüder Strüngmann), welche die weltweiten Vermarktungsrechte für FYB203 zwischenzeitlich innerhalb des Santo-Konzerns auf die Klinge Biopharma GmbH übertragen hat. Im Rahmen dieses Beteiligungsmodells wird Formycon über entsprechende Royalties an den zukünftigen Produktumsätzen beteiligt sein. Das andere Strüngmann-Family Office, Athos, mischt ebenfalls mit in den Formycon-Verflechtungen. Auch bei der Vermarktung und damit der Markteinführung geht es recht kompliziert weiter: Für die Vermarktung des Biosimilars hat Klinge eine Lizenzvereinbarung mit Teva Pharmaceuticals International für weite Teile Europas und Israel getroffen. Parallel dazu hat Formycon eine Vereinbarung mit Teva für die Lieferung des Endproduktes abgeschlossen. In der MENA Region wird FYB203 von MS Pharma vermarktet, die bereits für die Vermarktung des ophthalmologischen Biosimilars FYB201 in dieser Region verantwortlich zeichnen. In der Region Asia-Pazifik (APAC) wird FYB203 von Lotus Pharmaceutical vermarktet werden.
Aktuell meldet der globale Vermarktungspartner Klinge weitere länderspezifische Vereinbarungen mit Untervertragsnehmern wie der NTC s.r.l. für die Region Italien. Dies bringt Formycon eine Beteiligung am Nettoumsatz im mittleren einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich und zudem eine volumenabhängige Gewinnbeteiligung bei der Marktversorgung mit diesem Produkt – das, siehe oben, sich Formycon ja von Teva herstellen lässt.
Viele Hände sind hier also an der Vermarktungskette beteiligt, während sich das bei Sandoz weniger breit auffächert. Noch komplizierter wird das Geflecht der Biosimilarfirmen, wenn man berücksichtigt, dass Sandoz auch Vertriebspartner von Formycon ist. Dies gilt für das Lucentis-Biosimilar Cimerli, das Formycon einst in den USA mit Partner Coherus Biosciences entwickelte und auf den Markt brachte (2022). Doch dieses US-Geschäft kaufte sich später Sandoz ein.
Vor wenigen Tagen gaben Formycon, Bioeq AG und die Sandoz AG ihre Vereinbarung über die Vermarktung des Lucentis®-Biosimilar Epruvy® (Ranibizumab) in Deutschland bekannt. Auch dies geht etwas um die Ecke: In Deutschland wird Epruvy® von Sandoz im Rahmen einer Lizenzvereinbarung mit der Bioeq AG vertrieben; Bioeq ist ein Joint Venture der Formycon AG und der Polpharma Biologics Group BV.
Weitere Anbieter in Vorbereitung
Neben Sandoz und Formycon verfolgen auch andere Hersteller Aflibercept-Programme, darunter:
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Biocon / Viatris mit einem Aflibercept-Biosimilar-Kandidaten im späten Entwicklungsstadium
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Amgen mit Pipeline-Aktivitäten im Anti-VEGF-Bereich
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Samsung Bioepis, die nach Bevacizumab und Ranibizumab eine Erweiterung ihres Augenheilkunde-Portfolios prüfen
Die genauen Startdaten variieren, viele Zulassungsentscheidungen liegen jedoch zeitlich eng beieinander, was den Preis- und Versorgungswettbewerb ab 2025 deutlich verstärkt. Mit dem Eintritt gleich mehrerer Biosimilars in den europäischen Markt – angeführt von Sandoz und Formycon – steht der Anti-VEGF-Bereich vor einem erheblichen Strukturwandel:
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Preisdruck: Eylea zählt zu den teuersten ophthalmologischen Therapien. Biosimilars könnten die Behandlungskosten spürbar senken.
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Zugang zu Therapien: Höhere Verfügbarkeit und geringere Kosten könnten die Behandlungsquote bei nAMD und DME erhöhen – ein wichtiger Punkt, da bislang nur rund zwei Millionen der geschätzt vier Millionen Betroffenen in westlichen Ländern behandelt werden.
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Versorgungssicherheit: Mehr Anbieter verringern Abhängigkeiten im Markt für Augenpräparate
Originalhersteller Regeneron selbst treibt parallel die Umstellung auf das höherdosierte Eylea HD voran – um noch weiter einige der Marktanteile behalten zu können, was die komplexe Marktdynamik aber auch weiter beeinflussen kann. Von einer einfachen Substitution des Originals durch die Kopie kann also kaum die Rede sein, es sind viele Akteure in vielfältiger Verschränkung unterwegs. Für Wettbewerb ist durchaus gesorgt in Bezug auf den Originalhersteller, unter den Platzhirschen der Generika- und Biosimilarwelt ist jedoch eine kaum zu durchdringende Verbindung und Verbindlichkeit von Herstellung, Vermarktung und Erlösaufteilung entstanden.


Evotec SE
Sandoz/Lek
Formycon AG