Menschliche Venen aus dem Bioreaktor
Für Menschen mit schwerer chronischer Veneninsuffizienz könnten Venenimplantate aus dem Bioreaktor eine Lösung sein. Das Schweizer Technologie-Innovationszentrum CSEM und die norwegische ClexBio haben einen Bioreaktor entwickelt, in dem menschliches Gewebematerial gezüchtet werden kann.
Das Schweizer Technologie-Innovationszentrum CSEM und das auf regenerative Medizin spezialisierte Start-up ClexBio, registriert unter Nordovo Biosciences AS, haben einen neuartigen Bioreaktor entwickelt, in dem menschliche Venen im Labor gezüchtet werden können. Die vom Research Council of Norway finanzierte Lösung soll das Leben von Millionen von Menschen, die an schwerer chronischer Veneninsuffizienz (CVI) leiden, durch die Möglichkeit erleichtern, ihnen biotechnisch hergestellte Venen zu implantieren.
Bei einer CVI funktionieren die Klappen in den Beinvenen nicht richtig, das Blut fließt zurück und staut sich in den Venen. Diese Krankheit, unter der Millionen von Menschen auf der ganzen Welt leiden, kann Symptome wie Krampfadern, Schmerzen, Schwellungen, Ödeme, Krämpfe und wiederkehrende Geschwüre verursachen. Synthetische Implantate oder Stents haben bisher versagt, da sie zu thrombotischen Ereignissen im venösen System führen. Die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten beschränken sich auf Kompressionsstrümpfe bis hin zur symptomatischen Wundbehandlung.
Biologisch abbaubare Matrix zur Herstellung von menschlichem Gewebe
Gemeinsam haben die Partner einen Bioreaktor-Prototyp für die Herstellung funktioneller Venenimplantate aus menschlichem Stammzellgewebe entwickelt und getestet. Die Norweger brachten dabei ihre Kompetenzen im Bereich der regenerativen Medizin, die firmeneigene IP-Plattform und ihr Wissen über Hydrogele ein. Die Schweizer steuerten das Ingenieurs-Know-how in den Bereichen Automatisierung, mikrophysiologische Systeme und intelligente Labortechnik bei.
Mit Hilfe der Plattformtechnologie VivoSet von ClexBio kann komplex aufgebautes Gewebe wie Venen entstehen. Dabei werden normale Zellen mit dem patentierten Biomaterial von ClexBio in einem mikrofluidischen Verfahren kombiniert. Sobald sich das gewünschte Gewebe gebildet hat, werden sowohl die Zellen als auch das Gerüst entfernt. Zurück bleibt ein Implantat, das aus menschlicher extrazellulärer Matrix besteht, dem Hauptbestandteil natürlicher Gewebe. Das so gezüchtete Venentransplantat kann Patienten direkt implantiert werden.
Ziel des Supervene-Projekts war es, standardisierte, automatisierte Herstellungsverfahren für die regenerative Medizin zu entwickeln, die vom Labor in den klinischen Bereich übergehen. „VivoSet ist eine neue Technologie, die das unglaubliche Potential neuartiger Zelltherapien freisetzen kann“, so Stéphanie Boder-Pasche, Senior Project Manager in Cell Microtechnologies am CSEM. Ihr Kollege Gilles Weder, Leiter der Abteilung Forschung & BD in Life Science Technologies am CSEM, ergänzt: „Für die Herstellung solch revolutionärer Implantate benötigen wir ein geschlossenes High-Tech-Bio-Produktionssystem, das automatisch funktioniert.“
Geschlossenes Produktionssystem
Die Venen reifen über einige Wochen in einer sterilen Umgebung, automatisch umströmt von Medien für die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung. Für Armend Håti, CEO und Mitgründer von ClexBio, ist dies ein wichtiger Meilenstein: „Die Verwendung eines geschlossenen Systems zur Herstellung der Venentransplantate verringert das Risiko einer Kontamination, gewährleistet Produktqualität und -sicherheit und erleichtert die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir in Zukunft Studien am Menschen durchführen und das Produkt unter GMP-Bedingungen im großen Maßstab vermarkten können.“
Die ersten vorklinischen Ergebnisse von ClexBio zeigen, dass die Implantate bei den Patienten nach der Einpflanzung keine Immunreaktion auslösen. Stattdessen werden sie von den eigenen Zellen des Patienten besiedelt und verwandeln sich in funktionelles Gewebe, das sich in den Körper integriert und mit ihm wächst – eine wirklich regenerative Lösung und ein möglicher Durchbruch in der modernen Medizin.
Nach der Basisentwicklung des Systems wird ClexBio nun weitere vorklinische Tests an größeren Tiermodellen durchführen, um Daten über die Funktionsfähigkeit der biotechnologisch hergestellten Venenimplantate im Herz-Kreislauf-System zu sammeln, einschließlich ihrer Fähigkeit, sich mit den eigenen Zellen des Wirts zu besiedeln. „Wir sind begeistert von dem Paradigmenwechsel, den dies für die menschliche Chirurgie und für die Behandlung von geschädigtem Gewebe einleiten kann – wir machen hier einen großen Schritt über die Welt der synthetischen Implantate hinaus in die Welt des Bioengineering“, so Armend Håti.