vfa, BCG, Report Medizinische Biotechnologie 2025

Medizinische Biotechnologie: Positive Trends mit Luft nach oben

Der jährliche Report zur medizinischen Biotechnologie in Deutschland, den der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) gemeinsam mit der Boston Consulting Group (BCG) verfasst, berichtet positive Entwicklungen bei den Zulassungen von Biopharmazeutika sowie den Mitarbeitern in den Unternehmen. Im diesjährigen Schwerpunkt geht es um die Präzisionsmedizin und die Verzahnung von Früherkennung (Diagnostik) mit einem früheren Einsatz von zielgerichteten Therapeutika. Hier wäre mehr Synchronisierung nötig und es gäbe noch Luft nach oben.

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Im vorderen Teil des traditionellen Reports des Verbandes der Pharmaindustrie werden die Entwicklungen des Sektors im Bereich der Wirkstoffzulassung und ihres Marktanteils beschrieben. Die wichtigsten Wirtschaftsdaten der medizinischen Biotechnologie in Deutschland für 2024 auf einen Blick: Biopharmazeutika (einschließlich Biosimilars) machten mit 38 Neuzulassungen einen Anteil von 64% an allen EU-Zulassungen aus. Die Pipeline der Firmen der medizinischen Biotechnologie bleibe stabil auf einem hohen Niveau: Die Zahl der biopharmazeutischen Präparate in klinischer Entwicklung erhöhte sich leicht von 674 auf 677 – wenn man die globale Pipeline aller auch in Deutschland aktiven Unternehmen berücksichtigt.

Pharma- und Biotech-Unternehmen erzielten 2024 in Deutschland insgesamt einen Umsatz von rund  21,4 Mrd. Euro mit Biopharmazeutika (unter Berücksichtigung gesetzlicher Herstellerabschläge, jedoch ohne Einbeziehung individueller Rabattverträge zwischen Herstellern und Kassen zu einzelnen Präparaten). Das entspricht einem Wachstum von 14,1 % gegenüber dem Vorjahr (die Datenbasis für 2023 wurde infolge einer Aktualisierung der zugrunde liegenden Datenplattform leicht modifiziert). Der Umsatz aller pharmazeutischen Unternehmen (der Gesamtpharmamarkt) erhöhte sich gegenüber 2023 um 9,8% (bei gleicher Berechnungsgrundlage). Der Anteil des Biopharmazeutika-Umsatzes am Gesamtpharmamarkt stieg leicht von 33,7% auf 35,0%. Dabei erhöhte sich der Umsatz mit Biosimilars in diesem Markt gegenüber 2023 um 11% auf 2,8 Mrd.

Auch bei den Beschäftigten weisen die Autoren positive Zahlen aus: Die Zahl der Mitarbeiter in der medizinischen Biotechnologie ist weiter angewachsen auf gut 52.150 – ein Plus von knapp 2%, was etwa 1.000 Mitarbeiter mehr im Vergleich zum Vorjahr und den Erwartungen des Verbandes an die krisenfeste Industrie entspricht.

Fokus Präzisionsmedizin: bessere Synchronisation gewünscht

Im diesjährigen Schwerpunktthema geht es um die Präzisionsmedizin, auch als personalisierte Medizin bezeichnet. Trotz politischer Bekenntnisse und starker Forschungslandschaft werde das Potential der Präzisionsmedizin in Deutschland bislang nicht ausgeschöpft, schlussfolgert der Biotechnologie-Report des Verbandes der forschenden Arzneimittel-Unternehmen (vfa) gemeinsam mit der Boston Consulting Group (BCG).

Die Präzisionsmedizin setzt auf und benötigt eine moderne Diagnostik, um gezielt wirksame Therapien für einzelne Patientengruppen oder sogar Einzelpersonen (individuelle Medizin) zu entwickeln. In Deutschland sind laut vfa bereits Medikamente mit 136 Wirkstoffen verfügbar, die präzisionsmedizinisch eingesetzt werden können, vor allem in der Onkologie.

Als Hauptprobleme des Bereiches werden für Deutschland festgestellt:

  • Ungleichmäßige Versorgung: In ländlichen Regionen fehle es oft an spezialisierter Diagnostik.

  • Vergütungsfragen: Einige Tests sind nur im ambulanten Bereich erstattungsfähig, andere wie Ganzgenom-Sequenzierungen werden von den Kassen kaum getragen.

  • Langsame Umsetzung: Politische Strategien wie die Nationale Genommedizin-Initiative (Genom.de) existieren, doch der Transfer in die Regelversorgung stocke.

„Präzisionsmedizin ist längst Realität – nun muss sie auch flächendeckend bei den Patienten ankommen“, betont Dr. Jürgen Lücke, Partner bei BCG. „Die derzeitige Praxis wird dem Anspruch eines international führenden Biotech-Standorts nicht gerecht,“ ergänzt vfa-Experte Dr. Matthias Meergans.

Im Gespräch mit |transkript.de weist Meergans auf die hohe Innovationskraft der pharmazeutischen Industrie hin. Die Unternehmen haben verstanden, dass eine Stratifizierung der Patienten über Biomarker und die passgenaue Entwicklung von Wirkstoffen auf einzelne Populationen die Zulassungswahrscheinlichkeit deutlich erhöhe. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ab der Phase I-Studie bis zur Zulassung erhöhe sich mit begleitendem Biomarker auf 26% und damit um das Dreifache im Vergleich zum Entwicklungsweg ohne Biomarker (Erfolgswahrscheinlichkeit ab Phase I: nur rund 8%!). „Doch was noch verbessert werden muss, ist die Synchronisierung der Zulassung von Biomarker-Diagnostik und darauf abgestimmte Therapie. Dies muss von den Behörden im engen zeitlichen Kontext erfolgen“, so Meergans.

Auf die Kostendebatte angesprochen, die häufig den wachsenden Marktanteil der Biopharmazeutika begleitet, sagt Meergans: „Man sollte vom medizinischen Nutzen her diese Diskussion angehen. Neue therapeutische Ansätze sind ja häufig in einem Bereich angesiedelt, wo es bisher nichts gab. Da kann man auch schlecht Preise und Kosten vergleichen, wenn bisher überhaupt keine therapeutischen Effekte erzielt werden konnten und nun hilft ein Wirkstoff erstmalig.“

Er verwies darauf, dass durch die Vermeidung von schweren Krankheitsverläufen durch pharmazeutische Mittel gesellschaftliche Folgekosten durch Arbeitsausfall und Frühverrentung eingespart werden. „Die Kostendebatte springt regelmäßig zu kurz. Damit werden falsche Signale gesetzt, die etwa im Bereich der Biosimilars einen völlig unnötigen zusätzlichen Unterbietungswettbewerb auslösen, der dem Pharmastandort Deutschland eher schaden würde“, ergänzt Meergans.

Die Dialogbereitschaft in der Gesundheitsbranche sei mittlerweile hoch, alle Akteure begegnen sich an den runden Tischen der Politik aber auch verstärkt untereinander, um die Perspektiven besser zu verstehen. „Wir müssen zu Wegen finden, die zeigen, dass Innovationen nicht immer nur höhere Kosten verursachen, sondern auch die Vorteile auf der Ausgabenseite deutlich machen. Dazu haben wir im Report im Bereich der Therapie von Lungenkrebs ein konkretes Beispiel aufgeführt“, sagt Meergans.

Auch mit der verstärkten Nutzung von KI (das Kernthema des vergangenen vfa-Reports) werde sich die Forschung beschleunigen, die Nutzung der Biomarker verbessern und die Entscheidung zur optimalen Therapie am individuellen Patient vereinfacht werden. „Die Präzisionsmedizin ist geradezu darauf angewiesen sich mit der KI zu verschränken, da das Wissen so explodiert ist“, kommentiert Meergans. „Auch der Blick über Organe und Indikationen hinaus auf die molekularen Zusammenhänge eines Krankheitsgeschehens ist heute viel mehr im Zentrum. Das verlangt dynamische Formate, um die Wirkstoffentwicklung kontinuierlich in Abstimmung mit den Behörden zu halten. Das verlangt Anpassungen auf allen Seiten der Akteure und auch hier ein stärkeres Miteinander.“

Ganz konkret empfehlen die Autoren des Reportes, die Zulassung und Erstattung von Diagnostik und Therapie besser zu verzahnen. Gleichzeitig müssten die Qualitätsstandards für Tests sichergestellt werden. Um der Präzisionsmedizin zur breiteren Anwendung zu verhelfen, müsste aber auch die Nutzenbewertung modernisiert werden, da oft eine behördlich vorgeschriebene Vergleichstherapie für eine ganz neue therapeutische Behandlungsoption einfach nicht vorhanden sei. All diese Bemühungen im Zusammenhang auch mit der nationalen Pharmastrategie und dem erklärten politischen Willen den Standort Deutschland als Forschungsnation zu stärken müßten auch unter den geopolitischen Herausforderungen betrachtet und bestehende Bremsen gelöst werden

Der vollständige Report sowie weiterführende Informationen sind abrufbar unter:www.vfa.de/biotech-report-2025

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