Fördergesellschaft IZB mbH, Dominik Gierke

300 Tage Chef in Martinsried

Knapp ein Jahr im Amt ist Christian Gnam als Chef des Innovations- und Gründerzentrums IZB in Martinsried und Weihenstephan. Er folgte Hanns-Peter Zobel, der in einer knapp 30-jährigen Ära das IZB zur Keimzelle der Münchner Biotech-Szene entwickelt hatte. Zeit für ein ausführliches Gespräch mit |transkript über das Ankommen und die Zukunft.

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transkript: Herr Gnam, die ersten 300 Tage als neuer Chef des Innovations- und Gründerzentrums IZB sind überstanden. Sind Sie schon angekommen?

Christian Gnam: Der Ort, die Umgebung und viele Akteure waren mir nicht komplett neu, ich hatte auch in meiner früheren Funktion schon einige Berührungspunkte. Inzwischen habe ich diese Verbindungen weiter ausgebaut, so dass ich gut angekommen bin.

transkript: Welche Aufgaben stehen bei Ihnen ganz oben auf der Liste?

Gnam: Ich sehe mich generell als Manager eines Innovationscampus. Da gehören viele Facetten dazu, etwa auch die erweiterte Infrastruktur wie die Kindergärten oder das Hotel. Das Gründerzentrum mit den Laboren ist dabei der Nukleus. Aber genauso wichtig sind das Campusleben und die Formate für den Austausch, um sich zu treffen und Erfahrungen zu teilen. Wir wollen das Gründergeschehen noch stärker beleben.

transkript: Sie wollen also nicht alles so lassen wie es ist?

Gnam: Die Entwicklung des Standortes ist ja niemals abgeschlossen. Was bisher entstanden ist, ist einer der führenden Biotech-Innovations-Hubs. Das hat mein Vorgänger gemeinsam mit den Akteuren vor Ort über die Jahrzehnte entwickelt und auf den Biotech-Radar Europas und der Welt gebracht. Eine bemerkenswerte Leistung.

transkript: Was möchten Sie anpacken?

Gnam: Neben der Infrastruktur ist eine aktive Community essentiell. Zu der zählen nicht nur die Mieter des IZB, sondern auch viele andere Akteure wie etwa Wissenschaftler, Investoren oder Biotech-Unternehmen. Das IZB ist das Zentrum dieser Community, dessen Netzwerk ich noch weiter ausbauen will.

transkript: Müssen Sie dazu die Technologie und Wissenschaft der Start-ups verstehen, um mitreden können?

Gnam: Ein Grundverständnis hilft. Aber ich werde keine Tipps in der Wissenschaft geben, das maße ich mir nicht an. Das gute wissenschaftliche Standing, die internationalen Beziehungsgeflechte mit exzellenten Wissenschaftlern weltweit, bringen die Firmen selbst mit und das ist ja in den allermeisten Fällen die Basis der Gründung gewesen.

transkript: Wo können Sie konkret den Unternehmen helfen?

Gnam: Zum einen kann ich aufgrund meines breiten Netzwerkes in der Gründer- und Tech-Szene neue Akteure und Personengruppen für diese tolle Branche begeistern und neue Verbindungen herstellen. Gerade in Bezug auf Digitalisierung und KI können sich hier viele neue Kooperationsmöglichkeiten ergeben. Manchmal ist den Unternehmen am Campus aber auch schon geholfen, wenn ich mitwirke, das vorhandene Wissen untereinander zu teilen. Da ich mit meinem Team einen guten Überblick über die vielen Aktivitäten und Kompetenzen habe, sind wir hier gerne der Vermittler.

transkript: Wie wird inhaltlich entschieden, welches Start-up die Laborfläche bekommt, welche Kriterien gelten da?

Gnam: Ich habe schon viele Start-ups gesehen, zugegeben eher in der Versicherungsbranche und Digitalwirtschaft. Aber letztendlich sind die Persönlichkeiten des Gründerteams, der entscheidende Faktor, ob eine gute Idee auch erfolgreich umgesetzt wird. Das glaube ich, mittlerweile gut beurteilen zu können. Wichtig für den bayerischen Freistaat als Hauptgesellschafter des IZB ist, dass sich hier möglichst viele erfolgreiche Unternehmen mit innovativen Technologien entwickeln können. Gerade im Bereich der Wirkstoffentwicklung gehört natürlich auch ein Quentchen Glück dazu, aber das richtige Business-Mindset und vor allem ein Gründerteam, das für seine Sache uneingeschränkt brennt, erhöht die Wahrscheinlichkeit. Das macht auch den Unterschied zu einem Corporate Start-up aus, wo die Leute oft ein sicheres Rückfahrtticket haben. Unsere Gründer gehen volles Risiko ein und sind 120% mit Herzblut dabei.

transkript: Also eine Art Studentenheim mit Warteliste soll das IZB nicht werden?

Gnam: (Lacht) Nein, absolut nicht.

transkript: In welcher Entwicklungsphase muss sich das Start-up befinden?

Gnam: Nun, die Miete bei uns muss bezahlt werden können. Für uns ist auch ein Kriterium, ob Investoren dem Start-up beziehungsweise dem Team etwas zutrauen und bereit sind, dort Geld zu investieren.

transkript: Das IZB versteht sich also nicht als wohltemperiertes Wohnzimmer für die ersten Gehversuche?

Gnam: Nein. Das sehe ich auch nicht als unsere Aufgabe und prinzipiell nicht als richtige Strategie für ein Start-up. Das Thema Scheitern darf gerade am Anfang in meinen Augen nicht zu sehr weichgespült werden. Ein Start-up ist eine Firma, die nicht nur die Verpflichtung hat, die Miete zu zahlen, sondern die auch den Mitarbeitern und Partnern gegenüber Verantwortung trägt. Man sollte das nicht so sehr als Spielwiese oder Experimentierraum darstellen. Von Tag eins an geht es um das Überleben der Idee und dementsprechend müssen die Gründer auch dahinterstehen. Wir schenken ihnen nichts, aber wir unterstützen sie so gut wir nur können.

transkript: Wer eine erste Idee hat …

Gnam: … dafür gibt es mit dem MAxL-Inkubator von BioM nun auch ein Angebot. Dort können Gründungsinteressierte bereits in der Vorgründungsphase am IZB-Campus starten. Dies ist eine gute Ergänzung zu unserem Angebot.

transkript: Wie sieht die Lage bei Finanzierung und Gründung aus?

Gnam: In meiner Wahrnehmung sind hier regional weniger Deals gelaufen. Die Investoren haben eher in schon bestehende Unternehmen Geld gesteckt, teilweise aber sehr hohe Beträge. Start-ups in einer frühen Phasen hatten es hingegen schwerer, aber auch hier geht es wieder bergauf.

transkript: Kann in diesem Bereich der Innovationsmanager helfen?

Gnam: Die Entwicklung der Unternehmen ist ja das Aushängeschild der Region, im Positiven wie im Negativen. Wenn also hohe Finanzierungsrunden nach München fließen, wird das international wahrgenommen. Ob in einzelnen Bereichen die jungen Ideen auch das notwendige Geld finden, das hängt von sehr vielen Faktoren und auch dem zyklischen oder antizyklischen Verhalten der Investoren ab und von den allgemeinen Rahmenbedingungen für Innovationen und Investitionen in Deutschland. Die Investitionsstrategien der VCs können wir nur begrenzt beeinflussen. Wir müssen daher auf die Politik hinwirken, die Rahmenbedingungen für Innovationen im Bereich Gesundheit, die gerade bei unserer alternden Gesellschaft relevant sind, und Anreize für Investitionen in diesen weiter verbessern muss. Sonst verlieren wir international den Anschluss.

transkript: Welche Stellschrauben können Sie im Innovationsökosystem drehen?

Gnam: Das Ganze ist ja ein Kreislauf. Wenn die Forschung exzellent ist, dann kommen auch die Investoren. Wenn die Investoren Geld verdienen können, kommen weitere Investoren und beschleunigen das Innovationstreiben. In dieser Kette gibt es sehr viele Stellschrauben, an denen man drehen kann und auch muss.

transkript: Gehören auch die Erfolge der Gründer zum Kreislauf dazu?

Gnam: Ja, ich glaube, auch das gehört zum Kreislauf im Gründerökosystem. Das Ganze funktioniert ja nur mit privaten Geldgebern. Die öffentlichen Forschungsgelder sind wichtig und halten die Wissenschaft an der internationalen Spitze. Die Translation der Entdeckungen funktioniert aber nur, wenn Private und die Pri-vatwirtschaft aufspringen. Hier muss man immer wieder Brücken bauen zwischen der Wissenschaft und der Wirtschaft und mit Erfolgsbeispielen Überzeugungsarbeit leisten. Die Gründung muss in die Köpfe der Studenten. Tolle Vorbilder haben wir ja hier.

transkript: Welche Rolle spielt das einzelne Schicksal einer Firma in der Perspektive des Fortschrittes des Standortes?

Gnam: Für die Firma ist das natürlich bedeutsam. Wir sehen diese Entwicklungen über die ganze Strecke und aus unterschiedlichen Perspektiven. Meist sind wir sehr nah dran am Anfang, dann auch bei einzelnen Entwicklungs- und Wachstumsschritten, bei Erfolgen und Meilensteinen auf diesem Weg. Später sind die Firmen vielleicht ins Umland umgezogen, die Distanz wächst damit. Aber wir versuchen, die Verbindungen aktiv zu halten, weil das Ökosystem vom Erfahrungsaustausch lebt. Die nächste Generation Gründer soll ja von dem Know-how profitieren. Worauf muss sich unser Mieter vorbereiten beim Schritt nach draußen? In einem Kreislauf gibt es keinen Anfang und kein Ende, sondern nur ein Mittendrin. Im Kontinuum Innovationsökosystem ist eine aktuelle Firma auch schon wieder der Nährboden für eine nächste Ausgründung.

transkript: Dieses Ökosystem der Know-how-Träger macht also eigentlich den Standort aus?

Gnam: Absolut. Was hier in den vergangenen 30 Jahren entstanden ist, haben die Köpfe, die Menschen aufgebaut. Dieser Talentpool und auch die Mehrfachgründer spielen eine immer wichtigere Rolle. Das zieht auch international. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter in all unseren Unternehmen haben einen internationalen Hintergrund.

transkript: Mit welchen Standorten vergleichen Sie sich, wo soll eine Zukunftsvision für Martinsried hinführen?

Gnam: Alle vergleichen sich gerne mit Boston oder dem Silicon Valley. Die größere Kapitalverfügbarkeit werden wir nicht so schnell aufholen. Da können wir nur die bessere Kosteneffizienz entgegensetzen. Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor unserer beiden Standorte im Großraum München ist die dichte räumliche Konzentration der wichtigsten Akteure eines Technologie- und Innovationsökosystems. Mit der Forschung haben wir bereits einen Teil am Campus, aber aktuell gibt es zum Beispiel noch keinen Platz für die großen Biotechs. Für die müssen wir Raum schaffen, damit wir den ganzen Lebenszyklus abdecken können.

transkript: Was ist für diese Weiterentwicklung besonders wichtig?

Gnam: Für die Weiterentwicklung des Campus sind sowohl Mikro- als auch Makrofaktoren entscheidend. Ein zentraler Punkt ist der U-Bahn-Anschluss in zwei Jahren, der den Standort und die Region maßgeblich verändern wird. Gleichzeitig verstärkt auch München durch die anhaltenden Investitionen von Global Playern wie Apple, Google und Microsoft seine Position als führender Tech-Standort in Deutschland. Bei den Finanzierungen war München 2024 im Deeptech-Bereich führend. Diese Erfolgsgeschichten werden auch weitere Investoren anlocken, die insbesondere im Life-Sciences-Bereich immer sehr willkommen sind. 

transkript: Wenn Sie selbst von außen oder mit anderen auf das IZB blicken, was sehen Sie da?

Gnam: National kennen alle das IZB, blicken mit Respekt auf unsere Entwicklung. Wir wissen aber alle, dass jeder mit Wasser kocht und jeder eigene Standort besondere Herausforderungen hat. International werde ich erstmals ab 2025 unter der IZB-Flagge unterwegs sein. Das wird sicherlich spannend. Das internationale Interesse sehen wir regelmäßig an den Delegationen, die bei uns Station machen und von überall her auf dem Globus kommen. Und natürlich kommen die internationalen Partner der Unternehmen, Wissenschaftler an den Standort. Martinsried ist ein Dorf, aber in der Biotechnologie sind wir schon ein „global biotech village“ geworden, das auf der Biotech-Landkarte durchaus vertreten ist. Das verdanken wir meinem Vorgänger und dem Umfeld des IZB. Wenn jetzt die U-Bahn noch schneller fertig wäre, könnte man für den Anfang schon ziemlich zufrieden sein. Die Baustellen zeigen aber auch: Hier tut sich etwas, hier gibt es keinen Stillstand. Stillstand wollen wir nämlich keinesfalls aufkommen lassen.

transkript: Vielen Dank.

Das Interview führte Redaktionsleiter Dr. Georg Kääb Ende 2024, entnommen aus Heft 1/25.

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