Medigene kooperiert mit Biontech

Die Martinsrieder Medigene AG und die Mainzer Biontech haben am Montag nach deutschem Börsenschluss eine Kooperation bekanntgegeben, die eine Vorabzahlung aus Mainz für die Einlizenzierung verschiedener TCR (T cell receptor)-Moleküle und damit verbundene molekulare Kombinationstechnologien der Martinsrieder beinhaltet – und die ein wenig nach "Rettung in letzter Minute" aussieht.

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Im Rahmen der Vereinbarung, die zunächst eine Laufzeit von drei Jahren hat, erhält Medigene eine Vorabzahlung in Höhe von 26 Mio. Euro sowie die Erstattung der Forschungskosten für die Dauer der Zusammenarbeit. Biontech wird für die globale Entwicklung verantwortlich sein und die exklusiven weltweiten Vermarktungsrechte für alle aus der Zusammenarbeit hervorgehenden TCR-Therapien besitzen. Medigene hat Anspruch auf Entwicklungs-, regulatorische und kommerzielle Meilensteinzahlungen in Höhe eines bis zu dreistelligen Millionenbetrags je Programm.

Medigene geht damit eine recht weitgehende technologische Partnerschaft ein und wird seine unternehmenseigene TCR-Entdeckungsplattform in die Kollaboration einbringen, um TCRs gegen verschiedene von Biontech ausgewählte Zielstrukturen zu entwickeln, die eine Vielzahl solider Tumore adressieren sollen. Gleichzeitig erwirbt Biontech das neueste präklinische TCR-Programm von Medigene, das den gegen PRAME gerichteten TCR-4 aus Medigenes MDG10XX-Programm mit Medigenes unternehmenseigener PD1-41BB-Switch-Rezeptor-Technologie kombiniert. Biontech hat außerdem die exklusive Option, weitere bestehende TCRs aus Medigenes Forschungspipeline zu erwerben, und erhält Lizenzen an Medigenes PD1-41BB Switch-Rezeptor sowie an der Precision-Pairing-Bibliothek. Diese Technologien bieten die Möglichkeit, die Wirksamkeit von TCR-Therapien weiter zu erhöhen und können auf alle Zelltherapieprogramme von Biontech angewendet werden. Die PD1-41BB-Switch-Technologie ändert den von Krebszellen genutzten Checkpoint-Inhibitionsweg auf einen Aktivierungssignalpfad und verringert damit die Immunresistenz von soliden Tumoren.

Ein Blick in das deutsche Biotechnologie-Geschichtsbuch gibt noch weitere Sichtweisen auf diese Wiederauferstehung eines traditionsreichen Unternehmens preis: Das Mainzer Unternehmen Biontech muss man heute niemandem mehr vorstellen. Dass die Impfstoffhelden eigentlich mit dem Fokus, neue Therapien für Krebserkrankungen zu entwickeln, gestartet waren, schon eher.  Auch das fast 30 Jahre alte Biotech-Unternehmen Medigene sollte in der übersichtlichen Biotechnologiebranche Deutschlands eigentlich jeder kennen, doch in der letzten Zeit mag manchem hier eher der Refrain aus dem "Holzmichl-Lied" in den Sinn gekommen sein – es war schon sehr ruhig geworden. Nicht ruhig in dem Sinne, dass man auf dem Marktplatz für brodelnde Gerüchte in den Mittagsimbissen Martinsrieds nicht ausgiebig über das Unternehmen sprach, sondern eher ruhig in dem Sinne, dass fast alle bekannten Gesichter das Unternehmen verlassen hatten, seit ein neuer Finanzvorstand nur noch auf die Spa(ß)rbremse trat. Alle, bis auf CEO Dolores Schendel, die seit der immuntherapeutischen Umwandlung der Medigene durch den Erwerb der nur wenige Monate alten Trianta Immunotherapies 2013/14 in kürzester Zeit von einer renommierten Institutsleiterin am Münchner Helmholtz Zentrum über eine steile Lernkurve in den internationalen Vorstands-Boygroups der Biotechnologie- und Investorenkreise mit ihrem international weiterhin exzellenten wissenschaftlichen Ruf das Interesse an diesem Unternehmen aus Martinsried neu entfacht hatte. Denn die Genitalwarzensalbe Veregen und manches zugelassene, aber schnell weitergereichte Produkt hatten nie richtig nachhaltig gezündet.

Doch dieser Neuanfang ist nun auch schon einige Jahre her. Viele Immuntherapiewellen sind durch die Szene gelaufen. Die Geduld mit interessanten, wissenschaftlich ausgefeilten Ansätzen, die aber auf klinischer Sparflamme entwickelt werden, entwickelt werden mussten, hält sich in den entsprechenden Kreisen in Grenzen. Viele warten seit einiger Zeit auf den "großen Deal" und auch, weil dieser ausblieb, setzte eine starke Wanderbewegung in Geschäftsführung, Business Development und Forschungsabteilungen ein. Dass etliche die Hoffnung schon aufgegeben haben, mag der abbröckelnde Börsenkurs illustrieren, der vor der Bekanntgabe bei unter 2 Euro verharrte.

Die Biontech-Injektion hat bis jetzt den Kurs schon einmal kräftig gedreht, auf +56% und 3,2 Euro im abendlichen Überseehandel, dann kam Putin. Und heute Morgen ist man um die 4 Euro bei einer Verdoppelung und mag sich fragen, wo das noch hinläuft, aber auch, wie lange das wohl halten mag. Biontech als Partner kommt auch aus anderen Gründen als der thematischen Nähe in der Onkologie nicht völlig überraschend, da Medigene schon länger die T-Zell-Produkte in der ehemaligen Eufets-Produktionsstätte (heute Biontech IMFS) in Idar-Oberstein anfertigen lässt. Da Biontech bereits zwei Niederlassungen am Südrand Münchens unterhält, könnte man auch über die weitere Zukunft der Medigene selbst ins Grübeln kommen.

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