Erster Impfstoff gegen Chikungunya besteht Phase III-Prüfung

Zum ersten Mal hat ein Impfstoff gegen die von Mücken übertragene Viruskrankheit Chikungunya eine Phase III-Studie bestanden. Der vom österreichisch-französischen Biotech-Unternehmen Valneva entwickelte monovalente Lebendimpfstoff VLA1553 führte bei 98,9 Prozent der Studienteilnehmer 28 Tage nach einer einmaligen Impfung zu virusneutralisierenden Antikörperspiegeln, die bis zu 180 Tage nach der Impfung anhielten. Zulassungsanträge für die USA, Kanada und Europa seien bereits eingereicht, teilte Valneva mit.

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Vom Erfolg mit einer Impfung gegen Chikungunya in einer Phase III-Studie berichten Forscher in der aktuellen Ausgabe von The Lancet (2023; DOI: 10.1016/S0140-6736(23)00641-4). Die Ergebnisse waren mit weniger Details bereits zum Jahreswechsel veröffentlicht worden. In dieser Studie untersuchte Valneva Austria mehr als 4.000 erwachsene Teilnehmer an 43 Standorten in einem nicht endemischen Land in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie. Primärer Endpunkt war der Anteil der Probanden, die zu Beginn der Studie negativ waren und 28 Tage nach der Impfung seroprotektive Antikörper gegen das Chikungunya-Virus über einem vorgegebenen Schwellenwert entwickelten.

In seltenen Fällen traten nach der Impfung Krankheitssymptome auf und auch eine scheinbar erhöhte Fehlgeburtenrate bei den Probandinnen ließ zwischenzeitlich aufhorchen. Bei genauerer Analyse konnte dies jedoch auf andere (genetische) Faktoren zurückgeführt werden. Ein unabhängiges Expertengremium stellte schließlich die Unbedenklichkeit fest. Insgesamt sei VLA1553 in allen Altersgruppen sicher und gut verträglich, heißt es in der Studie. Die Studie wurde vom Hersteller Valneva, der Coalition for Epidemic Preparedness Innovation und EU Horizon 2020 finanziert.

Chikungunya ist eine durch Stechmücken übertragene Krankheit, die durch das Chikungunya-Virus (CHIKV) verursacht wird. Die Krankheit wurde erstmals in den 1950er Jahren in Tansania entdeckt und hat sich seitdem in verschiedenen Teilen Afrikas, Asiens, der Karibik und Teilen Amerikas ausgebreitet. Die Asiatische Tigermücke, die das Virus unter anderem überträgt, wird aufgrund klimatischer Veränderungen zunehmend auch in Europa heimisch.

Chikungunya äußert sich durch Symptome wie hohes Fieber, starke Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Hautausschlag. Die Krankheit verläuft nur selten tödlich, hat aber erhebliche Auswirkungen auf das Gesundheitswesen und die Arbeitswelt in den betroffenen Regionen, wie das Ärzteblatt mit Verweis auf eine Untersuchung schreibt (Plos Neglected Tropical Diseases; DOI: 10.1371/journal.pntd.0009055). Bislang gibt es keine spezifische antivirale Therapie.

Der Impfstoff wird heute aufgrund seiner hohen Seropositivität als sehr wirksam eingestuft. Der Schutz vor einer Infektion wurde in der Studie jedoch nicht untersucht. Eine Doppelblindstudie mit einer Placebogruppe, in der untersucht wird, ob es nach der Impfung zu einer Infektion beziehungsweise zu einem Krankheitsausbruch kommt und wie stark diese ausfallen, wäre sicherlich aussagekräftiger. Außerdem wird kritisiert, dass kein Vergleich mit Regionen möglich ist, in denen die Infektionskrankheit endemisch ist, das heißt in denen die Bevölkerung möglicherweise bereits durch eine frühere Erkrankung einen Grundstock an neutralisierenden Antikörpern in sich trägt. Dies könne nur bei einem Ausbruch der Infektion durch eine begleitende Impfstudie überprüft werden.

Valneva selbst stuft den Impfstoff als "Reiseimpfstoff" ein, der also den Besuch von Infektionsgebieten ermöglichen soll, aber nicht primär die Bevölkerung in diesen Regionen schützt. VLA1553 ist ein abgeschwächter Lebendimpfstoffkandidat gegen das Chikungunya-Virus, das sich in mehr als 110 Ländern ausgebreitet hat. Er wurde entwickelt, indem ein Teil des Genoms des Chikungunya-Virus entfernt wurde.

Damit hat Valneva auch offiziell das Rennen gegen den Chikungunya-Impfstoff des Wiener Nachbarunternehmen Themis Bioscience gewonnen. Dies hatte bereits im Frühjahr die US-Firma Merck erkannt, die in der Anfangsphase der COVID-19-Pandemie die Impfstoffentwickler von Themis für über 360 Millionen US-Dollar gekauft und deren Forschungsteam komplett auf die Entwicklung eines SarsCoV2-Impfstoffs umgestellt hatte. Nach dem Scheitern dieses Wettlaufs mit anderen Firmen wurde zwar weiter am Chikungunya-Impfstoff gearbeitet, aber die klinische Studie verzögerte sich aufgrund von Rekrutierungsproblemen und der Vorsprung von Valneva wuchs. Vermutlich mit der Kalkulation eines Marktpotentials von "nur" rund 500 Mio. US-Dollar entschied der US-Pharmariese dann im März, dass der zweite Platz nicht attraktiv genug sei und führt das einst mit der Übernahme von Themis eingekaufte Programm nicht weiter.

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