Nach AMNOG-Verfahren Preis für Gentherapie deutlich reduziert
Im Rahmen des AMNOG-Prozesses (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz) haben Novartis und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland einen Erstattungsbetrag von 1.395.000 Euro für Zolgensma® (Onasemnogen-Abeparvovec) zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie (SMA) verhandelt. Seit der bedingten Zulassung 2020 war ein Preis von knapp 2 Mio. Euro aufgerufen worden.
Novartis habe frühzeitig im Erstattungsprozess einen offenen und konstruktiven Dialog mit sämtlichen Beteiligten wie dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und den Kostenträgern geführt, um "partnerschaftliche Lösungen für den Zugang zu dieser Gentherapie zu entwickeln" und SMA-Patienten Zolgensma nach der EU-Zulassung sehr schnell zur Verfügung stellen zu können, betonte das Unternehmen in einer Verlautbarung zum Abschluss der Preisverhandlungen.
Für Experten war der seit mehreren Jahren im AMNOG-Verfahren laufende Verhandlungsprozess unter mehreren Gesichtspunkten spannend: Im Mai 2020 hatte die EU-Kommission eine bedingte Zulassung erteilt, im Juli des selben Jahres begann die "Nutzenbewertung" durch den G-BA. Die verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten der SMA beschränken sich derzeit (neben der Therapie mit Zolgensma®) je nach Erkrankungsbild auf eine dauerhafte Gabe des Antisense-Oligonukleotids Spinraza® (Nusinersen) von der Firma Biogen, auf die dauerhafte Gabe (jedoch oral verfügbar) der Gentherapie Risdiplam von Roche (seit 2021 zugelassen und etwa bei 100.000 Euro Jahreskosten liegend) oder auf eine patientenindividuell optimierte, unterstützende Behandlung, um Symptome zu lindern. Da in Deutschland nur etwa 100 Kinder mit SMA jährlich diagnostiziert werden (davon etwa die Hälfte an der schwersten Form SMA-Typ 1) war die Gentherapie schon über den ganzen Entwicklungs- und Zulassungsprozess als "Orphan Drug" ausgewiesen. Damit musste in der Nutzenbewertung kein Zusatznutzen ausgewiesen werden, da dieser in diesem Verfahrensarm vorausgesetzt wird. Der G-BA wollte bis zum Jahresende 2020 die Entscheidung bekanntgeben, ob dieser Zusatznutzen "gering, beträchtlich, erheblich oder nicht quantifizierbar" ist, was für die Verhandlungen zur Kostenerstattung die wichtige Grundlage liefert.
Doch noch vorher hatte das Mittel bereits die Schwelle von 50 Mio. Euro Umsatz übersprungen, wurde also bereits angewendet, was in der Situation der Patienten nur nachvollziehbar ist. Dies bedeutete jedoch, dass ein anderes Bewertungsverfahren zum Zuge kommen musste, nämlich die reguläre frühe Nutzenbewertung, zu der auch Vergleichsdaten heranzuziehen sind. Ende 2021 konstatierte der G-BA nach diesem auf neuartige (ATMP) Medikamente nur schlecht anwendbaren Verfahren denn auch wenig überraschend, dass kein "Zusatz"nutzen habe festgestellt werden können. Da die Vergleichsdaten in einer "seltenen Erkrankung" schwierig zu erhalten sind, ordnete der G-BA aber eine "anwendungsbezogene Begleitdatenerhebung" an. Das Studienprotokoll wurde zwischen den Parteien vereinbart und seit dem Frühjahr 2022 läuft nun diese Anwendungsstudie, an der alle behandelnden Ärzte verpflichtend teilnehmen.
Schon von Beginn der Behandlungen nach der ersten Zulassung an (die im Mai 2022 von der EU von einer bedingten zu einer generellen umgewandelt worden ist) fließen Behandlungsdaten in das SmartCare-Register ein, einem freiwilligen Netzwerk zur klinischen Forschung bei der Spinalen Muskelatrophie. Die nun gestartete klinische Begleitstudie setzt auf diesen Daten auf. In Erinnerung blieb auch die medienwirksame und eventuell gutgemeinte "Verlosung" der teuren Gentherapie, was zu großen Proteststürmen geführt hatte, aber auch Todesfälle nach Behandlung in Osteuropa. Novartis war währenddessen damit beschäftigt, die Preisverhandlungen mit den Krankenkassen voranzutreiben. Doch diese zogen sich in die Länge und erst im Oktober 2022 hat man sich nun auf den zu früher immerhin um rund 600.000 Euro reduzierten Preis für die Gentherapie geeinigt. Insgesamt sei die Behandlung bereits bei "mehr als 2.300 Patienten" angewendet worden, teilt Novartis mit, ohne auf Deutschland bezogene Angaben zu machen. Auch über die genaue Ausgestaltung der Vereinbarung mit den Krankenkassen zu Modellen der Bezahlung (beispielsweise "pay for performance") schweigt man sich aus.